Hunderte von israelischen Soldat*innen verweigern den Dienst in Gaza

Newsletter des Refuser Solidarity Network (RSN)

(22.09.2024) In den letzten Wochen haben wir eine beispiellose Welle erlebt: Hunderte von Soldat*innen, die den Krieg in Gaza verweigern. Solche Wellen haben in der Vergangenheit mindestens zweimal die israelischen Kriege gegen die Palästinenser*innen beendet. Das Refuser Solidarity Network unterstützt diese Gruppen tatkräftig, indem es finanzielle, rechtliche und organisatorische Hilfe leistet. Wir tun dies seit über 20 Jahren und werden dies auch in den kommenden Wochen und Monaten tun, bis dieser Krieg beendet ist.

Ich schreibe dies, um Ihnen einige der Geschichten dieser neuen Gruppen von Verweiger*innen mitzuteilen. Das Refuser Solidarity Network ist die einzige internationale Gruppe, die diese Welle des Widerstands unterstützt. Neben der Finanzierung von Anwält*innen, Presse- und Social-Media-Kampagnen helfen wir ihnen, eine Infrastruktur von Mentor*innen und Unterstützung aufzubauen, die oft von älteren Kriegsdienstverweiger*innen für die neuen Verweiger*innen bereitgestellt wird. Wir helfen ihnen, eine Gemeinschaft des Widerstands gegen den Krieg aufzubauen. Die Zahl der Verweiger*innen wächst derzeit exponentiell, und wenn sie weiter wächst, wird sie diesen Krieg beenden (wie es die Verweigerungsbewegungen in der Vergangenheit getan haben). Es ist daher unsere moralische Pflicht, sowohl gegenüber den Palästinenser*innen als auch gegenüber den Israelis, diese neuen Gruppen auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen.

Ich möchte Ihnen ein wenig über diese Gruppen erzählen, obwohl wir zweifellos in den kommenden Wochen und Monaten mehr über sie berichten werden, wenn sie Gestalt annehmen, sich weiter ausbreiten und aktiv werden.

Einer dieser Gruppe gehören über 40 Reservesoldat*innen an („Michtav Hamiluimnikim“), die kurz vor der Invasion von Rafah, einer großen Stadt im Gazastreifen, einen öffentlichen Brief unterzeichneten, in dem sie die Verweigerung des Militärdienstes erklärten. Sie wurden von der israelischen und internationalen Presse ausführlich interviewt, u.a. in einer Titelgeschichte in der Tageszeitung Haaretz, in einem Interview mit dem Guardian und der Washington Post sowie in einem langen CNN-Artikel. Während ich dies schreibe, organisiert sich eine weitere Gruppe von Soldat*innen um eine Erklärung zur Beendigung des Krieges abzugeben. Einladungen zur Unterzeichnung ihres neuen Verweigerungsschreibens zirkulieren weithin in den sozialen Medien und in Whatsapp-Gruppen, aber auch von Angesicht zu Angesicht bei Antikriegsmahnwachen in ganz Israel. Die Zahl der Unterzeichner*innen dieser neuen Verweigerungserklärung ist zwar noch nicht bekannt, aber es ist bereits klar, dass es sich um eine der größten Gruppen von Soldat*innen handeln wird, die sich in der Geschichte Israels dem Militärdienst verweigern.

Eine weitere Gruppe, die wir unterstützen, ist AniSiravti („Ich habe mich geweigert“ auf Hebräisch), eine neue Initiative älterer Kriegsdienstverweiger*innen, die in den sozialen Medien Kampagnen mit Videostatements ehemaliger und aktueller Soldat*innen durchführen, in denen sie ihre Ablehnung der Besatzung, der Apartheid und des Krieges gegen den Gazastreifen erklären. Letzte Woche geriet ein Mitglied der Gruppe, ein Mittelschullehrer und ehemaliger Militärverweigerer namens Ofer Shor, ins Visier des Bürgermeisters der Stadt, in der er lebt. Der ultranationalistische Politiker schrieb einen Brief an das israelische Bildungsministerium forderte, Ofer aus der Schule zu entlassen, weil Ofer in einem Video erklärt hatte, dass er sich heute dem Dienst verweigern würde, wo wie er es in der Vergangenheit bereits getan hat. Nach Aufstachelung dieses rechtsgerichteten Politiker gingen Schüler*innen und Lehrer*innen an seinem Arbeitsplatz gegen Ofer vor und bedrohten ihn. Das Refuser Solidarity Network unterstützt die Kampagne von AniSiravti zur Unterstützung von Ofer, eine Kampagne, die rechtliche Schritte, Aktionen in den sozialen Medien und in der Presse umfasst, eine Kampagne zum Schutz von Ofer und zur Stärkung seines mutigen Handelns.

Als jemand, der an der Universität von Michigan zu Strategien des sozialen Wandels und des Widerstandes gegen Krieg forscht und lehrt, weiß ich, dass solche Verweigerungswellen in der Vergangenheit im Mittelpunkt von Widerstandsbewegungen gegen Krieg standen und israelische Kriege und Gräueltaten beendeten (dies geschah mindestens zwei Mal: 1982, als sie dazu beitrugen, den Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu beenden, und 2002-3, als sie dazu beitrugen, die zweite Intifada zu beenden). Reservist*innen sind das Rückgrat des israelischen Militärs und wurden in großer Zahl einberufen, um Israels Krieg zu unterstützen: Berichten zufolge wurde die Mehrheit der über 400.000 israelischen Reservist*innen seit Beginn des Krieges zum Dienst einberufen. Die israelische Armee ist an allen Fronten auf sie angewiesen: von der Sicherstellung des täglichen Betriebs der Armee bis hin zum Fliegen der israelischen Kampfflugzeuge für die Bombardierung des Gazastreifens. Ohne sie kann die Armee ihre Arbeit nicht wie gewohnt fortsetzen, und deshalb ist ihr Widerstand ein so starkes Zeichen, den wir unterstützen sollten.

Wenn Sie diese eMail bis hierhin gelesen haben, möchte ich ein paar Worte über die wirksamste Art der Unterstützung ergänzen, die Sie der Verweigerungsbewegung geben können. Die beste Art der Unterstützung muss langfristig bestehen, wie auch das Refuser Solidarity Network langfristig angelegt ist: über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Selbst kleine monatliche Beträge helfen uns und der israelischen Verweigerungsbewegung, langfristig zu planen und zu arbeiten, für die vielen Jahre, die es braucht, um nicht nur diesen Krieg, sondern auch die israelische Herrschaft über die Palästinenser*innen zu beenden. Das ist unser Ziel, und wir werden es erreichen.

Wir brauchen Ihre Hilfe, um diesen Krieg zu beenden.

In Solidarität, Shimri Zameret, Vorsitzender

Shimri Zameret ist Kriegsdienstverweigerer,. Im Alter von 18 Jahren verbrachte er 21 Monate in einem israelischen Gefängnis. Heute ist er Vorsitzender des Refuser Solidarity Network, das andere Kriegsdienstverweiger*innen unterstützt.

Refuser Solidarity Network: Hundreds of Israeli soldiers refuse to serve in Gaza. eMail, 22. September 2024. https://www.refuser.org

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