Kolumbien: Sozialer Dienst für den Frieden - Ein Überblick über die neue Alternative zur Militärdienstpflicht
(24.10.2024) Am 28. August 2024 erließ die kolumbianische Regierung ein Dekret zur Einführung eines Ersatzdienstes, den sogenannten Sozialdienst für den Frieden. Dieser Ersatzdienst ist Teil der umfassenderen Politik der derzeitigen Regierung, die darauf abzielt, nach den Friedensabkommen von 2016 den sogenannten „totalen Frieden“ zu erreichen.
Der Ersatzdienst wurde ursprünglich als ein Schritt zur schrittweisen Abschaffung des Militärdienstes im Land vorgeschlagen. Diese Absicht wird in dem Erlass jedoch nicht ausdrücklich erwähnt.
Dem Erlass zufolge wird der Ersatzdienst mit Beginn des Haushaltsjahres 2025 schrittweise eingeführt. Dies sind einige der allgemeinen Bestimmungen des Erlasses.
- Der Ersatzdienst wird mit 12 Monaten genauso lange dauern wie der Militärdienst.
- Wer den Ersatzdienst absolviert, erhält eine Bescheinigung, die der Militärkarte (libreta militar) entspricht, und wird als Reservist zweiter Klasse eingestuft.
- Die Umsetzung des Ersatzdienstes wird von der Verwaltungsabteilung des öffentlichen Dienstes in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien, einschließlich des Verteidigungsministeriums, beaufsichtigt.
- Der Ersatzdienst wird als Praktikum für die erste Beschäftigung anerkannt und bescheinigt.
- Junge Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, die der Militärdienstpflicht unterliegen, können sich für den Ersatzdienst entscheiden.
- Es ist vorgesehen, dass junge Frauen sowie alle Personen, die einen triftigen Grund für die Befreiung vom Wehrdienst haben, diesen Dienst freiwillig ableisten können.
- Die für den Ersatzdienst zur Verfügung stehenden Plätze sind begrenzt und hängen von den von der Verwaltungsabteilung des öffentlichen Dienstes zugewiesenen Mitteln ab. Für den Fall, dass es mehr Bewerbungen als verfügbare Plätze gibt, werden bestimmte Kriterien festgelegt, um jungen Menschen den Vorrang zu geben.
- Junge Menschen können den Ersatzdienst in verschiedenen Bereichen ableisten, z. B. bei Schulungen zur digitalen Kompetenz in ländlichen und städtischen Gebieten, bei der Arbeit mit Opfern bewaffneter Konflikte, bei der Förderung von Friedensabkommen und friedenspolitischen Maßnahmen, beim Umweltschutz, beim Eintreten für die Rechte ethnischer und ländlicher Gemeinschaften, bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen oder älteren Menschen, bei der Umsetzung der Landreform, bei der Erhaltung und Förderung des materiellen und immateriellen Erbes der Nation, bei der Unterstützung von Menschen, die von Naturkatastrophen betroffen sind, und bei der Aufklärung über Risikomanagement und Klimawandel. Diese Optionen sollen junge Menschen in die Lage versetzen, eine Kultur des Friedens zu fördern und sich für die Menschenrechte einzusetzen.
- Diese verschiedenen Bereiche werden von verschiedenen Ministerien und staatlichen Institutionen verwaltet, darunter das Ministerium für Technologie, das Bildungsministerium, das Ministerium für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, das Referat für die Betreuung von Konfliktopfern, das Amt des Hohen Kommissars für den Frieden, das Innenministerium, das Umweltministerium, das Landwirtschaftsministerium, das Ministerium für Kultur, Kunst und Wissen und das Referat für Katastrophenschutz.
- Das Verteidigungsministerium wird Teil des „Technischen Ausschusses für den Sozialdienst für den Frieden“ sein. Es wird für die Verwaltung des Informationssystems, die Registrierung und die Zertifizierung der jungen Menschen, die den Sozialdienst für den Frieden leisten, zuständig sein.
- Die Ersatzdienstleistenden erhalten eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 80% des Gehalts eines Militärdienstleistenden sowie entsprechende gesetzliche Leistungen (Gesundheit und Arbeitsschutz).
- Ersatzdienstleistende durchlaufen einen Prozess der Registrierung, Ausbildung, praktischen Erfahrung und Zertifizierung.
- Obwohl die Kriegsdienstverweigerung im Rekrutierungsgesetz 1861 von 2017 enthalten ist und auch vom Verfassungsgericht anerkannt wird, wird sie im Erlass nicht erwähnt.
Observatorio de Militarismo (Beobachtungsstelle Militarismus) erkennt es zwar als wertvolle Initiative an, die den Dialog über die Friedenskonsolidierung in Kolumbien fördert, weist aber auch auf mehrere kritische Punkte hin: Wie der Militärdienst bleibt auch der Ersatzdienst obligatorisch. Das Verteidigungsministerium überwacht weiterhin den militärischen Status der jungen Männer, da es für die Bescheinigung der Absolvierung des Ersatzdienstes zuständig ist und sie als Reservisten zweiter Klasse einstuft. Darüber hinaus kritisiert die Beobachtungsstelle, dass das Dekret nicht auf die Frage der Kriegsdienstverweigerung eingeht.
War Resisters‘ International: Social Service for Peace: An overview of the new alternative to compulsory military service in Colombia. 23. Oktober 2024. Auszüge. www.tinyurl.com/bdezermv. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2024
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