Zu russischen Verweiger*innen: Klare Forderung auf Asyl bei Verweigerung eines Angriffskrieges
(28.11.2024) Connection e.V. forderte heute die aktuelle und eine zukünftige Bundesregierung dazu auf, aus Russland geflohenen Militärdienstpflichtigen Asyl zu gewähren. „Sie haben sich an das Völkerrecht gehalten“, so Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V. „Diese klare Haltung gilt es zu unterstützen.“
Ausführlich geht Connection e.V. auf dieses Thema ein unter www.connection-ev.org/article-4319
Seit Februar 2022 haben etwa 5.400 russische Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren in Deutschland Asylanträge gestellt, das teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im November 2024 mit. Nur ein kleiner Teil von ihnen wurde anerkannt. Das deutsche Bundesinnenministerium hatte im Mai 2022 zugesagt, dass Deserteure aus Russland in der Regel Schutz erhalten sollen. Alle anderen, die sich rechtzeitig den Rekrutierungen entzogen haben, werden jedoch abgelehnt und darauf verwiesen, dass eine Einberufung in den Krieg „nicht beachtlich wahrscheinlich“ sei. (z.B. Bundesamt vom 24. September 2024, AZ 10114310-160)
„Wir sehen, dass lediglich 6,3% von insgesamt etwa 3.300 Entscheidungen zu russischen Militärdienstpflichtigen seit Februar 2022 positiv entschieden wurden. Mehr als 40% wurden für ihr Asylverfahren auf andere Länder verwiesen. 32,6% wurden abgelehnt.“, erläutert Rudi Friedrich. „Das ist ein Armutszeugnis. Letztlich droht den Betroffenen damit eine Abschiebung nach Russland und damit eben genau der Einsatz in einem Angriffskrieg.“
Pflicht zur Verweigerung eines Angriffskrieges
Aus dem Römischen Statut für den Internationalen Gerichtshof ergibt sich eine individuelle Verantwortung bei Begehung von Kriegsverbrechen, insbesondere Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ein Krieg ist immer damit verbunden, dass Soldat*innen von den Vorgesetzten dazu aufgefordert werden, z.B. zivile Ziele zu beschießen und so in der Tat ein Kriegsverbrechen zu begehen. Noch offensichtlicher ist es, wenn wie im Falle des Krieges Russlands gegen die Ukraine der Krieg an sich ein Angriffskrieg und damit völkerrechtswidrig ist. In Artikel 25 (2) des Römischen Statuts heißt es dazu: „Wer ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begeht, ist dafür in Übereinstimmung mit diesem Statut individuell verantwortlich und strafbar.“
„Soldat*innen haben in so einem Fall die Pflicht, rechtswidrige Anordnungen der Vorgesetzten zu verweigern“, erläutert Rudi Friedrich. „Das ist aber im Falle eines Kriegseinsatzes praktisch nicht möglich. Ein Einsatz an der Front bedeutet immer, in einer von militärischer Gewalt bestimmten Hierarchie eine Entscheidung gegen einen Einsatz zu treffen, der von Vorgesetzten angeordnet ist. Wer das tut oder desertiert, riskiert sein Leben.“
Rudi Friedrich ergänzt: „Der Schutz der Desertion, wie vom Bundesinnenministerium benannt, ist zwar folgerichtig. Wer aber gar nicht erst in solch eine Situation kommen will, muss vorher fliehen. Das restriktive Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist z.B. Soldat*innen und Reservist*innen verwehrt. Die Betroffenen müssen sich der Rekrutierung entziehen und flüchten. Das muss ebenfalls entsprechend geschützt werden.“
Rechtsprechung: „Beachtliche Wahrscheinlichkeit“ versus Völkerrechtskonformes Handeln
In mehreren uns vorliegenden Bescheiden des Bundesamtes für Migration wird schon deshalb eine Verfolgung ausgeschlossen, weil „nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ davon auszugehen sei, dass die Antragstellenden zu den Streitkräften oder zum Krieg in der Ukraine einberufen werden würden. Dem schloss sich vor wenigen Wochen auch das OVG Berlin-Brandenburg an. (AZ 12 B 17/23). In einem Urteil zu einem tschetschenischen jungen Mann, der bislang keinen Militärdienst in Russland abgeleistet hat, geht das Gericht zwar davon aus, dass er zum Militärdienst rekrutiert werden könnte, sieht aber keine Gefährdung. Er würde als Militärdienstpflichtiger „nicht beachtlich wahrscheinlich in der Ukraine und damit in einem völkerrechtswidrigen Krieg eingesetzt“ werden.
Dem widerspricht in einer Stellungnahme Artyom Klyga, Leiter der Rechtsabteilung der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland: „Männer können auch ohne vorherige Ableistung des Militärdienstes mobilisiert werden. (...) So wurde zum Beispiel ich persönlich zur Mobilisierung aufgerufen, obwohl ich vom regulären Militärdienst befreit wurde.“
„Wir müssen uns einfach vorstellen, was das für die Betroffenen bedeutet, die aufgrund der Versprechungen aus der Politik in Deutschland Schutz suchen“, fährt Rudi Friedrich fort. „Egal wie lang der Rechtsweg dauert, letzten Endes ist früher oder später von der Rechtskraft der Entscheidung oder eines Urteils auszugehen. Und das kann eine Abschiebung bedeuten. Damit wird den Kriegsherren in Russland das Menschenmaterial für den Angriffskrieg zur Verfügung gestellt und das Völkerrecht unterlaufen. Das ist ein Skandal.“
Ausführlich geht Connection e.V. auf dieses Thema ein unter www.connection-ev.org/article-4319
Weitere Informationen auch zur Situation in Belarus und der Ukraine stellt Connection e.V. regelmäßig im Rahmen der #ObjectWarCampaign zur Verfügung, mit der sich ein Verbund von europaweit mehr als 120 Organisationen für den Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine einsetzt: https://de.Connection-eV.org/ObjectWarCampaign und https://objectwarcampaign.org.
Connection e.V.: News vom 28. November 2024.
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