Russische Verweiger*innen: Bemerkenswerte Urteile geben Hoffnung

(03.02.2025) Mit zwei Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht Berlin vor wenigen Tagen russischen Militärdienstpflichtigen subsidiären Schutz gewährt. Damit stellte sich das Verwaltungsgericht gegen eine im November ergangene Grundsatzentscheidung des OVG Berlin-Brandenburg. „Das ist eine wirklich bemerkenswerte Entwicklung. Endlich wird erkannt, dass russische Militärdienstpflichtige in der Tat dem Risiko unterliegen, in Russland zum Krieg in der Ukraine rekrutiert zu werden“, erklärte heute Geschäftsführer Rudi Friedrich von Connection e.V. „Nun muss dieser Schutz auch ausgeweitet werden auf die russischen Verweiger*innen, die als Reservist*innen einberufen werden können.“

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einer der beiden ausführlichen Entscheidungen dargelegt, dass der betroffene 19-jährige russische Militärdienstpflichtige mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ in Russland „gegen seinen Willen zum Grundwehrdienst in der russischen Armee einberufen und in den Ukraine-Krieg entsandt werden wird, wo er damit zu rechnen hätte, zwangsweise an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und völkerrechts- und/oder menschenrechtswidrigen Handlungen teilnehmen zu müssen bzw. selbst schwersten Schaden an Leib und Leben zu erleiden.“ Ähnlich hatten bereits VG Magdeburg und Würzburg entschieden.

Das Gericht verweist in seiner Argumentation auch auf aktuelle Stellungnahmen russischer Kriegsdienstverweigerungs-Organisationen, die deutlich machen, dass in Russland angewandte Rekrutierungsmethoden als besonderes rabiat, übergriffig und in weiten Teilen illegal anzusehen sind. Zudem sei das existierende Recht auf Kriegsdienstverweigerung kaum noch wahrzunehmen und Alternativdienstleistende könnten zu Dienstleistungen im Militär einberufen werden. „Auch riskieren Wehrpflichtige, die sich zur Begründung ihres Antrags auf eine etwaige Anti-Kriegs-Einstellung berufen, dass sie in der Folge wegen ‚Diskreditierung der Armee‘ oder ähnlichen Tatbeständen strafrechtlich verfolgt werden.“

Das Gericht erklärt, dass es sich nach der Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischja durch Russland „aus russischer – und zugleich völkerrechtswidriger Sicht“ bei diesen Gebieten „um inländisches Gebiet handelt und Wehrdienstleistende dort grundsätzlich sofort nach der Einberufung eingesetzt werden können.“ Dies gelte auch für die Krim.

„Wir sehen weiter einen großen Handlungsbedarf der Politik und der Gerichte, russischen Militärdienstpflichtigen Schutz zu geben“, so Rudi Friedrich. „Das muss auch all diejenigen umfassen, die zwar nicht mehr für den einjährigen Militärdienst einberufen werden können, sehr wohl aber aufgrund der immer noch geltenden Teilmobilmachung als Reservist*innen. Bislang wird diese Gruppe vom Bundesamt für Migration in aller Regel abgelehnt.“ Connection e.V. hatte dies in einer Analyse im November 2024 ausführlich dargelegt und empfohlen, dass die nach dem internationalen Recht bestehende Verpflichtung von Dienstpflichtigen, sich einem völkerrechtswidrigen Krieg zu verweigern, auch dazu führen müsse, Flüchtlingsschutz zu erhalten.

„Das ist eine wichtige Änderung des Ansatzes der deutschen Justiz gegenüber Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland“, ergänzt Artyom Klyga, Leiter der Rechtsabteilung der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland. „Wir sehen, dass auch in anderen europäischen Ländern die Gerichte allmählich das Recht russischer Militärdienstpflichtiger auf Schutz anerkennen. Das ist eine positive Entwicklung. Ich hoffe, dass diese Entscheidungen dazu beitragen werden, ein eigenes humanitäres System zur Unterstützung dieser Personengruppe zu schaffen. Wir brauchen eine klare rechtliche Grundlage für Verweiger*innen. Sie müssen sicher sein, dass ihre Haltung gegen den Krieg wirklich unterstützt wird.“

Weitere Informationen stellt Connection e.V. regelmäßig im Rahmen der #ObjectWarCampaign zur Verfügung, mit der sich ein Verbund von europaweit mehr als 120 Organisationen für den Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine einsetzt: www.Connection-eV.org/ObjectWarCampaign und https://objectwarcampaign.org.

Connection e.V.: News vom 3. Februar 2025

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