US-Verweigerer Aidan Delgado: "Mit gutem Gewissen"

Interview mit Aidan Delgado

Als Aidan Delgado noch in Florida in der Oberstufe war, suchte er nach was Neuem, und so entschied er sich, in die Armeereserve einzutreten. Seinen Anwerbevertrag unterzeichnete er am Morgen des 11. September 2001. Nachdem die Papiere unterzeichnet waren sah er im Fernsehen das brennende World Trade Center. Er vermutete zu recht, dass aus dem einen Wochenende im Monat des relativ einfachen Dienstes mehr werden würde.

In den nachfolgenden Monaten setzte sich Delgado immer mehr mit dem Buddhismus und seinen pazifistischen Prinzipien auseinander. Im April 2003, als er seinen auf ein Jahr befristeten Einsatz in Irak antrat, fragte er sich bereits, ob er an diesem Krieg mit gutem Gewissen teilnehmen könne. In Kairo aufgewachsen, spricht er arabisch und teilt somit auch nicht den Rassismus, den viele der anderen Soldaten antrieb. Als er sein Gewehr abgab und seine Kriegsdienstverweigerung erklärte, wurde er von seinen Vorgesetzten schikaniert und von den Kameraden ausgestoßen.

Seine Einheit, die 320th Military Police Company, hat sechs Monate in der im Süden des Irak gelegenen Stadt Nasiriyah verbracht und weitere sechs Monate geholfen, das berüchtigte Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad zu betreiben. Nachdem er seinen Dienst beendet hat und ehrenhaft entlassen wurde, spricht der 23-jährige Delgado aus, was er erlebt hat. Er sagt, der Film "60 Minuten", der letzten Frühling im Fernsehen gesendet worden ist, zeige nur die Spitze des Eisbergs; Brutalität, oft rassisch motiviert, habe die gesamte Gefängnisverwaltung und den gesamten Militäreinsatz im Irak infiziert. (Scott Fleming)

Warum hast du dich für die Armee entschieden?

Das waren keine wohl überlegten Gründe. Ich war mit der Situation in der Schule unzufrieden. Ich stagnierte, wollte weg, etwas anderes erleben. Ich hatte mich für die Reserve entschieden, denn in der Welt vor dem 11. September bedeutete das lediglich zwei Tage Dienst im Monat; du gehst zwar zur Armee, hast dort aber eigentlich nichts zu tun. Ich unterzeichnete meinen Vertrag am Morgen des 11. September und infolgedessen erwuchs aus der Reserveverpflichtung plötzlich eine Menge mehr.

Welches Gefühl hattest du angesichts dessen, was an diesem Tag geschah?

Damals war das ganze Land von einer Welle des Patriotismus aufgewühlt, was mich in dem Gefühl bestätigte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Da ich den Vertrag vor dem 11. September unterzeichnet hatte, fühlte ich mich moralisch überlegen - ich war beigetreten, bevor es populär wurde.

Nicht lange nach dem 11.9., vielleicht sechs Monate, begann die Bush-Administration öffentlich ihr Vorhaben vorzubereiten, in den Irak einzumarschieren. Als es diese neue Wendung gab, war ich nicht mehr so patriotisch. Es traf mich sehr. Ich fand die Gründe, die Taliban anzugreifen, nachvollziehbar, wie auch die ganze Afghanistan-Kampagne. Aber als sie begannen über den Irak zu reden, sagte ich: "Warte, da gibt es keine bewiesene Verbindung; es gibt Fakten, die gegen eine Verbindung sprechen."

Wie beeinflusste der Buddhismus deine Gefühle gegenüber der Armee und den Krieg im Irak?

Mein Buddhismus entwickelte sich parallel zum Dienst in der Armee. Ich war kein Buddhist, bevor ich der Armee beitrat. Erst nachdem ich unterschrieben hatte und die Grundausbildung antreten sollte, begann ich mich intensiver mit dem Buddhismus auseinander zu setzen; ich setzte das dann fort, um den Stress in der Armee besser bewältigen zu können. Als ich im folgenden Sommer in die Ausbildung für Fortgeschrittene kam, war ich vom Buddhismus bereits überzeugt - ich wurde Vegetarier - und ich sagte meinem Vorgesetzten: "Ich bin nicht sicher, ob die Armee das Richtige für mich ist; denn ich bin jetzt Buddhist." Ein paar Monate nach der Ankunft im Irak sagte ich ihnen, dass ich Kriegsdienstverweigerer bin und aufgrund meiner religiösen Auffassung das Militär verlassen möchte. Es dauerte aber schließlich noch über ein Jahr, bis ich anerkannt wurde; so diente ich während des gesamten Konflikts als Kriegsdienstverweigerer. Ich erhielt die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, nachdem meine Einheit in die USA zurückgekehrt war.

Wie schwer war es, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden?

Es war extrem schwierig. Ein Offizier führt mit dir ein umfassendes Verhör durch, um herauszufinden, wie fundiert der angeführte Glaube ist. Du hast deine Gründe auch schriftlich zu dokumentieren. Ausschlaggebend waren wohl am Ende die Dokumente des Militärs, nach denen ich mich zunehmend mit dem Buddhismus identifiziert habe. Ich führte die ganze Zeit über viele Gespräche mit meinen Vorgesetzten, in denen ich ihnen davon berichtete, dass ich Kriegsdienstverweigerer und Buddhist sei. Sie haben das anhand ihrer Notizen gegenüber der Anerkennungsstelle bestätigt: "Ja, er hat davon während der ganzen Verlegung in zunehmendem Maße gesprochen." Das hat wirklich eine Menge dazu beigetragen meine Überzeugung nachzuweisen.

Das Kommando war mit gegenüber extrem feindselig. Es gab alle Arten von Schikanen: Sie wollten mich nicht in Urlaub gehen lassen. Sie nahmen mir meine Kugelschutzkleidung weg und sagten mir auch, dass ich keine harte Platte, die unter der Jacke befestigt wird, gegen Flakfeuer und Kugeln bräuchte. Als Verweigerer bräuchte ich nicht zu kämpfen und würde sie deshalb nicht brauchen. Es stellte sich aber heraus, dass das nicht der Fall war: Als wir nach Abu Ghraib kamen, gab es kontinuierlich Granatenbeschuss. Ich verbrachte das ganze Jahr ohne die Platte. Das Motiv war Böswilligkeit und nichts anderes.

Ich war auch sozial geächtet. Viele meiner Kameraden wollten nicht mit mir essen, sich nicht mit mir unterhalten oder mit mir zum Einsatz gehen. Sie hatten das Gefühl, dass ich nicht vertrauenswürdig sei, da ich dem Krieg gegenüber kritisch eingestellt war und Buddhist.

Dann "verlor" der Kommandeur meinen Kriegsdienstverweigerungsantrag bzw. leitete ihn an falsche Stellen weiter. Ich bekam zu hören: "Wir haben Ihren Antrag verloren, schreiben Sie einen neuen." Und schließlich wurde mein Antrag auf einem zweiwöchigen Heimaturlaub abgelehnt, da ich dem Kommandeur angedroht hatte, gegen ihn wegen Diskriminierung aus religiösen Gründen vorzugehen. Der Kommandeur, der 1. Sergeant meiner Kompanie und der Kommandeur des Bataillons hatten meinen Urlaubsantrag zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass ich nicht zurückkommen würde. Nach meiner Auffassung taten sie das, weil ich Buddhist bin und sie meine Meinung nicht teilten. Als ich mich dann entschied, die US-Union für bürgerliche Freiheiten (American Civil Liberties Union/ACLU) und den World Congress of Buddhism einzuschalten, genehmigten sie ihn. Es war ihnen die Kopfschmerzen nicht wert.

Du warst im Irak als Mechaniker eingesetzt, ist das richtig? Musstest du auch auf Patrouille gehen?

Ja, ich war Mechaniker und arbeitete hauptsächlich an Fahrzeugen. Aber da ich als einziger in der Kompanie arabisch sprach, musste ich besonders im Süden die Militärpolizei (MP) bei ihren Einsätzen unterstützen, Kontakte zu örtlichen Leuten aufnehmen, etwas einkaufen, handeln oder Geld wechseln. So kam ich in Kontakt mit vielen lokalen Irakern und sah die andere Seite. Nachdem ich meinen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt hatte, nach Nasiriyah, brauchte ich keine Übersetzungen mehr zu machen.

Das Kommando wusste, dass ich dem Krieg gegenüber sehr kritisch eingestellt war, dass mit mir nicht gut Kirschen essen war, und so hielten sie mich in Abu Ghraib von den Gefangenen möglichst fern.

Lass uns über Abu Ghraib sprechen. Du kamst im November 2003 dort an. Das war doch die Zeit, in der all die Übergriffe stattfanden, über die in der Presse berichtet wurde?

Wir hörten davon erstmals Ende Dezember/Anfang Januar. Irgendjemand hatte einen Film an CNN geschickt, wo sie Gefangene auf verschiedene Weise misshandelten. Wir hatten darüber nichts gewusst und so waren für uns die Übergriffe ein Schock. Dass sie aber Gefangene misshandelten war uns nicht neu - wir wussten es schon lange.

Welche Misshandlungen hast du mitbekommen?

Es gab Gefangene, die schwer geschlagen, fast zu Tode geprügelt wurden, weil sei den Wächtern keinen Respekt gezollt oder deren Anordnungen verweigert haben. Schon wenn sie sich weigerten, in eine bestimmte Richtung zu gehen, gab es schrecklich brutale Prügel.

Ich weiß auch von Gefangenen, die erschossen wurden, weil sie bei einem Tumult Steine geworfen hatten. Tumult ist zu stark, es war lediglich eine Unruhe. Ich weiß das von einem Kameraden, der verschiedene Inhaftierte erschossen hat. Die Gefangenen hatten gegen die Haftbedingungen protestiert - Mangel an Essen, an Zigaretten - und sind deswegen im Hof marschiert. Als einige von ihnen begannen Steine aufzuheben und auf die Wachen zu werfen, wurde Militärpolizei angefordert, um die Unruhe zu ersticken. Zuerst hatten sie Gummigeschosse und Tränengas eingesetzt, aber das ging aus und war auch nicht wirklich effektiv. Ab einem bestimmten Punkt verlangten sie, tödliche Waffen einsetzen zu dürfen. Dann - ich bin mir nicht sicher, wer das anordnete - eröffneten sie das Feuer mit dem Maschinengewehr und töteten Gefangene, weil sie Steine geworfen hatten. Die Wachen gaben an, sie hätten sich bedroht gefühlt und deswegen das Feuer eröffnet. Das Militär akzeptierte das. Es gab keine Untersuchung und niemand warf auch nur einen flüchtigen Blick auf die Toten. Die Weltgemeinschaft hat Israel rundweg verurteilt weil sie auf steinewerfende Palästinenser geschossen haben. Aber das passierte auch in Abu Ghraib.

Hast du diesen Vorfall persönlich erlebt?

Ich war nicht dort. Ich war in der Werkstatt, als es geschah, aber ich gehe davon aus, dass es stimmt. Ich habe die Fotos gesehen. Ich habe sie von den Leuten bekommen, die auf die Gefangenen geschossen haben, sie wurden wie Trophäen behandelt und in unserer Kompanie herumgereicht. Es war kein Geheimnis, jeder wusste davon. Die Angehörigen der Einheit gaben die Fotos rum und hängten sie im Kommandozentrum auf, damit jeder sie sehen konnte; dieses war etwas, worauf sie stolz waren. Das war ein sehr machistisches Ding, unbewaffnete Gefangene zu erschießen. Ein Kamerad war "Held der Woche", weil er eine unbekannte Zahl von Gefangenen erschossen hatte; einen hatte er in die Leistengegend getroffen, dieser brauchte drei Tage, bis er starb. Das war etwas, worüber die Leute lachten und Witze machten. Dieser Kamerad stolzierte herum, nachdem er die Gefangenen getötet hatte, und ich erinnere mich, dass mir daraufhin regelrecht schlecht geworden ist. Wir waren Soldaten. Einen unbewaffneten Gefangenen zu erschießen war nichts, worauf jemand stolz sein sollte. Abu Ghraib und all die Misshandlungen der Gefangenen kommen aus dieser Atmosphäre der Brutalität.

Kannst du noch mehr von der alltäglichen Brutalität in Abu Ghraib berichten?

Es wird viel über die Genfer Konvention gesprochen, aber die meisten haben sie nicht gelesen und wissen nicht, was sie besagt. Demnach dürfen Gefangene nicht einem extremen Klima ausgesetzt werden. In Abu Ghraib war es extrem kalt, bis zu 0° C. Um die Gefangenen zu beherrschen, wurden ihnen z.B. ihre Kleidung und ihre Zelte weggenommen. Das ist eine Verletzung der Genfer Konvention. Eine andere Bestimmung der Konvention ist, dass die Gefangenen keiner Gefährdung ausgesetzt sein dürfen. Abu Ghraib war aber konstanter Granat- und Artilleriebombardierung von den sich außerhalb befindlichen Aufrührern ausgesetzt. Und natürlich waren die Gefangenen nicht geschützt, da sie sich in offenen Zelten aufhalten mussten; über 50 von ihnen sind getötet worden, weil sie draußen im Freien waren. Sie konnten nicht fliehen und sie hatten nichts, um sich zu schützen. Ich selbst fürchtete oft um mein Leben - dabei hatte ich eine Flakweste, einen Helm und einen Unterstand. Ich kann mir nicht vorstellen, ein Gefangener zu sein, eingeschlossen in eine Stacheldrahtparzelle, mit keinem Schutz auf dem Kopf, keiner schützenden Kleidung und keinem Luftschutz-Unterstand. Wenn Bomben fielen, hatten sie zu sitzen und zu hoffen, dass sie nicht getötet werden.

Es ist nicht unbedingt mein Anliegen, Namen zu nennen oder dafür zu sorgen, dass Schuldige festgenommen werden; ich bin aber sehr daran interessiert, die Leute wissen zu lassen, dass die Ereignisse in Abu Ghraib nicht abnormal waren. Es entsprach buchstäblich den Einsatzrichtlinien.

Bei einem anderen Vorfall schoss ein Gefangener mit einer eingeschmuggelten Pistole auf eine Wache. Die Wache war nicht tot, und so rächte sie sich, indem sie dem Gefangenen mit einer Schrotflinte ins Bein und in die Seite schoss. Dessen Bein brach durch den Schuss und hing in einem sonderbaren Winkel ab. Um ihn ins Krankenhaus zu bringen, schleiften sie ihn am gebrochenen Bein zu einem Lastwagen und warfen ihn mit dem Rücken auf die Ladefläche. Zugegeben, dieser Mann hatte versucht eine Wache zu töten. Keine Frage, er war gefährlich - aber er war es nicht in diesem Moment, in Handschellen, mit einem Sack über dem Kopf und einem gebrochenen Bein. Ihn so zu ziehen und auf den Lastwagen zu werfen war eine zusätzliche Brutalität - das war weder professionell noch menschlich.

Was hast du in Abu Ghraib noch erlebt?

Nachdem ich in Abu Ghraib für eine Weile in der Radio-Zentrale gearbeitet hatte, versuchten sie mich wieder zu bestrafen, indem sie mir einen unangenehmen Job zuwiesen. Ich hatte nun die Akten der Gefangenen zu archivieren. Dabei achtete ich auf die Gründe, warum die Leute in Abu Ghraib waren. Ich fand heraus, dass die meisten von ihnen gerade nicht wegen Vergehen gegen die Koalition (der Besatzungsmächte - fn) dort waren - sie waren keine Aufständischen - sondern zumeist wegen kleiner Diebstähle, Trunkenheit, Dokumentenfälschung... - es waren tatsächlich zumeist kleine Straftaten.

Wer ist für ihre Inhaftierung verantwortlich?

Das irakische Justizsystem hat keine eigenen Gefängnisse, dafür sind wir zuständig. Wenn ein irakischer Richter jemand verurteilt, kommt diese Person zu uns ins Gefängnis, also z.B. nach Abu Ghraib. Das Militär führt auch Razzien durch, besonders in Gegenden, aus denen gefeuert bzw. angegriffen wurde - dabei nehmen sie jeden ab einem bestimmten Alter mit und bringen ihn zur Vernehmung nach Abu Ghraib. Den meisten von ihnen ist nichts nachzuweisen, aber das Verfahren dauert lange. So befinden sie sich für sechs Monate bis zu einem Jahr in Abu Ghraib, bevor sie wieder freigelassen werden.

Ich fühlte mich letzte Woche sehr bestätigt, als das Pentagon einen Bericht veröffentlichte, in dem Gründe aufgeführt werden, warum die Iraker so bestürzt sind. Einer benennt die Razzien und zufälligen Festnahmen. Familienangehörige oder Freunde kommen für ein Jahr ins Militärgefängnis, wegen nichts. Das ist in höchstem Maße unmoralisch, wenn nicht illoyal - und zudem kontraproduktiv, weil es verbittert.

Wie viele Gefangene befinden sich in Abu Ghraib?

Ich kann es nicht genau sagen, da ich sonst möglicherweise Ärger mit der Armee bekomme, es sind aber mehrere Tausend. Die Anzahl fluktuiert zudem täglich, denn es gibt permanent geheimgehaltene Verlegungen zwischen Abu Ghraib, Basra, Um Qasr und weniger bekannten Gefängnislagern. Das ist etwas, was die Irakis wirklich aufregt: Wenn Angehörige zwischen den verschiedenen Gefängnissen hin- und hergeschickt werden. Wenn jemand, der in Bagdad festgenommen wurde, nach Basra, weit in den Süden und vielleicht sogar noch weiter verlegt wird, können die Angehörigen mit ihm keinen Kontakt mehr halten.

Da viele Akten nicht richtig bzw. nicht vollständig ausgefüllt sind und andere zudem nicht auffindbar sind, können die Leute auch nicht herausfinden, wo sich ihre Angehörigen befinden. Das musste ich in der Einsatzzentrale immer wieder erleben.

Hast du solche Vorfälle jemals vorgebracht?

Nein, das habe ich nie getan - ich war in meiner Einheit nicht sehr angesehen, da ich als liberal bekannt war. Ich war Pazifist, gegen Gewalt und stand dem Krieg sehr kritisch gegenüber - so hat mich niemand ernst genommen. Nach meiner Auffassung waren die Vorfälle unmoralisch. Falls das Kommando sie hätte abstellen wollen, hätte es das jederzeit gekonnt; die rechtliche Basis dafür war vorhanden. So schätzte ich es so ein, dass sich durch eine Intervention meinerseits nichts geändert hätte, denn das Kommando stand hinter dem, was geschah. Es gab keine Empörung, keine Verurteilung und so gab es auch keine Bestrafung. Das einzige, was ich tun kann, ist an die Öffentlichkeit zu gehen, was ich jetzt auch mache.

Du hast die Jahre, die dich geprägt haben, in Ägypten verbracht. Hier in den USA gibt es schon seit langer Zeit großen Rassismus gegen Araber, besonders aber seit dem 11.9. Wie war das in der Armee?

Ich denke, Rassismus ist ein zentrales Motiv in diesem Krieg. Ich habe einen Matrosen gesehen, wie er ein sechs Jahre altes Kind in den Hintern trat, weil es ihn um Essen und Wasser angebettelt hatte. In meiner Einheit war es üblich, aus den Fahrzeugen heraus im Vorbeifahren Flaschen auf den Köpfen von Irakern zerschellen zu lassen. Ein dienstvorgesetzter Zeitsoldat meiner Einheit peitschte irakische Kinder mit einer Metall-Antenne aus, weil sie ihn angebettelt hatten. So etwas würde in den USA nie akzeptiert werden. Es wird mit den Leuten im Irak gemacht, weil man sie in Beziehung setzt zu den Terroristen und zum 11.9. Sie werden von uns völlig entmenschlicht. Ich bin auch in Konflikt gekommen mit Angehörigen meiner Einheit, die sich so verhielten, und denen ich sagte, dass das falsch sei. Ich machte mich unbeliebt allein mit der radikalen Bemerkung, dass man Araber und Iraker als menschliche Wesen behandeln solle.

Warum hast du dich entschieden, über deine Erfahrungen im Irak zu sprechen?

Zuerst wollte ich ruhig bleiben und die ganze Erfahrung hinter mir lassen. Dann aber begannen Leute mich nach meinen Kriegserlebnissen zu fragen. So war meine erste Stellungnahme eine Reaktion darauf. Ich dachte noch, wenn ich das einmal gegenüber der Öffentlichkeit sage, hätte sich das erledigt. Ich müsste nie wieder davon erzählen. Aber es gab immer mehr Anfragen. So kam es zur ersten öffentlichen Veranstaltung in meiner Gemeinde, zu der 400 Leute kamen. Nachdem ich gesprochen hatte, waren die Leute wirklich bewegt. Ich erhielt anschließend verschiedene Angebote von Universitäten aus Florida, um dort zu sprechen.

Ich denke nicht, dass die US-AmerikanerInnen schlecht sind oder bewusst falsche Entscheidungen treffen; sie werden vor allem von falschen Informationen irregeleitet. Falls sie besser informiert wären, würden sie ihre Ansichten ändern und den Krieg nicht unterstützen. Ich sehe es als mein Ziel an, kritisches Denken, Zweifel zu entwickeln, einen Sinn für Verantwortlichkeit über die negativen Konsequenzen des Krieges zu wecken.

 

Scott Fleming ist Strafverteidiger und gelegentlich als Journalist tätig. Er lebt in Oakland, Kalifornien.

Scott Fleming: In good conscience. Sound off/MCN - Jan. 05. Übersetzung aus dem US-Englischen: fn. Auszüge. Das Original erschien am 19. Januar 2005 im LiP Magazine, www.lipmagazine.org. Veröffentlicht in Connection e.V. und AG "KDV im Krieg", Rundbrief »KDV im Krieg«, Mai 2005

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