Statement bei den Vereinten Nationen in Genf zu Menschenrechtsverletzungen an Kriegsdienstverweiger*innen

von WRI und Connection e.V.

(05.03.2025) Am 4. und 5. März 2025 stellte die UN-Sonderberichterstatterin für Religions- oder Glaubensfreiheit, Nazila Ghanea, anlässlich der 58. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates im Plenum in Genf ihren Bericht „Religions- oder Glaubensfreiheit und das Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ vor.

Connection e.V. beteiligte sich in Zusammenarbeit mit War Resisters International an dem damit verbundenen interaktiven Dialog und ergriff im Plenum des Rates das Wort, um auf die Menschenrechtsverletzungen an Kriegsdienstverweiger*innen, z.B. in Eritrea, der Türkei, Israel, Russland und der Ukraine, hinzuweisen.

In ihrer abschließenden Bemerkung erkannte die Sonderberichterstatterin die Zivilgesellschaft an, die sich mit der Kriegsdienstverweigerung befasst, bekräftigte die Unveräußerlichkeit von Art. 18 und dass ihr Mandat die Kriegsdienstverweigerung voll umfasst, was in ihrem Bericht zwar nicht ausdrücklich erwähnt wurde, aber, wie sie sagte, „der Rahmen des Berichts ist sehr förderlich und unterstützt die Kriegsdienstverweigerung“.

Den Bericht der Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit können Sie hier lesen.

Sie können sich den interaktiven Dialog ansehen, indem Sie hier klicken.

 


UN-Menschenrechtsrat, 58. Sitzung, Genf, 5. März 2025

 

GD Punkt 3: Interaktiver Dialog mit der Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit

Mündliche Erklärung von War Resisters International, in Zusammenarbeit mit Connection e.V.

Herr Präsident!

War Resisters International (WRI) begrüßt gemeinsam mit der Partnerorganisation Connection e.V. den Bericht der Sonderberichterstatterin und dankt ihr für ihre Arbeit.

[Wie im Beitrag unserer Partnerorganisation berichtet, sind wir zutiefst besorgt darüber, dass Folter und andere grausame Behandlung oder Bestrafung auch einige derjenigen betrifft, die das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ausüben, das in Art. 18 [das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit] enthalten ist.

Eritrea erzwingt de facto einen unbefristeten Nationaldienst, [einen obligatorischen Militärdienst, der Praktiken darstellt, die in vielen Fällen auf Zwangsarbeit oder Sklaverei hinauslaufen].1 Die Inhaftierung von Verweiger*innen [findet Berichten zufolge] unter Bedingungen statt, die auf Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung hinauslaufen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zahlreiche Urteile in Bezug auf türkische Kriegsdienstverweigerer gefällt, in denen er beispielsweise im Fall Ülke2 feststellte, dass die betreffenden Handlungen eine erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 3 der Konvention darstellen.3 [Der Gerichtshof hat außerdem] den Zustand von Kriegsdienstverweigerern [im Land] als „zivilen Tod“ definiert.4

Die WRI wird am Donnerstag um 12 Uhr in Raum XXV eine Nebenveranstaltung zu diesem Thema anbieten.

In Israel wurden Verweiger*innen früher zu wiederholten Disziplinarstrafen im Militärgefängnis verurteilt5. Gegenwärtig ist die Inhaftierung jedoch unbefristet und sie sind gezwungen, einer Entlassung aus medizinischen oder anderen Gründen zuzustimmen.6

Vor dem Hintergrund des andauernden Angriffskrieges der Russischen Föderation in der Ukraine und der Zwangsmobilisierung in den besetzten Gebieten [stellen wir fest, dass die meisten Anträge auf Ersatzdienst unter Androhung von Strafen abgelehnt werden]. Die Verweigerung des Dienstes kann mit einer Geldstrafe oder Inhaftierung geahndet werden; [„ungehorsame“ Wehrpflichtige und Soldaten werden regelmäßig inhaftiert und gefoltert]7.

[Die Medien berichteten über mehrere Fälle von inhaftierten Wehrdienstverweigerern in der Ukraine8, die Berichten zufolge manchmal zu Arbeiten9 gezwungen und psychischem Druck und körperlicher Folter ausgesetzt wurden.10

Forum 18 berichtete, dass Beamte in Rekrutierungsbüros und Militäreinheiten in der Ukraine Männer - einschließlich Kriegsdienstverweigerer  - willkürlich festhalten und unter Druck setzen, um zu versuchen, sie zu zwingen, die Mobilisierung zu akzeptieren.11

Die WRI fordert gemeinsam mit Connection e.V. den Rat auf, Art. 18 und die Menschenrechte von Kriegsdienstverweiger*innen zu schützen.

Danke.

Fußnoten

1 Human Rights Council Resolution 32/24, 15 July 2016, para. 4. https://undocs.org/A/HRC/RES/32/24

WRI and Connection e.V.: “Oral statement given at Interactive dialogue with the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea”, UN Human Rights Council, 56th Session, 20 June 2024. https://en.connection-ev.org/article-4174

Amnesty International, Report 2023/2024, Eritrea. https://www.amnesty.org/en/location/africa/east-africa-the-horn-and-great-lakes/eritrea/report-eritrea/

2 ECtHR, Case of Ülke v Turkey (Application No. 39437/98), 24 January 2006. https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-72146

3 Ibid para. 63.

4 Ibid. para. 62.

Ein Teufelskreis aus sich wiederholenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, Strafen und Einschränkungen der Bürgerrechte.  Der Begriff „ziviler Tod“ bezieht sich auch auf die Einschränkungen der sozialen und wirtschaftlichen Rechte.

5 Die Haftzeit summiert sich auf einen Umfang von 90 bis 120 Hafttagen.

6 Seit Oktober 2023 haben die Militärjustizbeamten den Verweiger*innen mitgeteilt, dass sich die Umstände geändert haben. Die meisten Verweiger*innen haben festgestellt, dass sie nicht mehr zum Musterungsausschuss eingeladen werden, und haben ihre Entlassung aus medizinischen oder anderen Gründen beantragt. Zwei von ihnen haben darauf bestanden, im Gefängnis zu bleiben und darauf zu warten, vor dem Musterungsausschuss zu erscheinen.

Tal Mitnick war der erste Kriegsdienstverweigerer in diesem Krieg. Nachdem er sechs Monate in einem Militärgefängnis verbracht hatte, verlangten wir, ihn vor einen Musterungsausschuss zu schicken. Während der Ausschusssitzung erklärte die Offizierin, sie sehe keinen Grund, ihn freizustellen, und schlug vor, dass er sich mit einer Freistellung aus psychischen Gründen zufrieden geben solle. Tal stimmte widerstrebend zu und wurde nach einem Treffen mit dem Leiter der Abteilung für psychische Gesundheit entlassen.

Itamar Greenberg wurde bisher zu 195 Tagen Militärgefängnis verurteilt. Über die Organisation Mesarvot beantragte er, vor dem Musterungsausschuss erscheinen zu dürfen, was am 7. Januar geschah. Am 26. Januar erhielt er die Entscheidung des Ausschusses im Gefängnis, in der festgestellt wurde, dass es keine Grundlage für seine Freilassung gibt.

7 Schriftliche Erklärung der War Resisters International, einer Nichtregierungsorganisation mit besonderem Beraterstatus, an den Menschenrechtsrat [gemeinsam mit der internationalen Partnerorganisation Connection e.V. und dem lokalen Partner Ukrainian Pacifist Movement], (A/HRC/57/NGO/308), 27 September 2024. https://undocs.org/A/HRC/57/NGO/308

8 https://www.currenttime.tv/a/ukraine-russia-war-russian-soldiers-/31946543.html

https://verstka.media/v-plenu-u-sobstvennoy-armii/

https://www.newsweek.com/multiple-russian-soldiers-detained-refusing-fight-putins-war-1722915

https://www.theguardian.com/world/2022/aug/02/russian-soldiers-accuse-superiors-of-jailing-them-for-refusing-to-fight

https://www.dw.com/en/russian-contract-soldiers-increasingly-jailed-in-occupied-donbas/a-62701166

https://www.newsweek.com/russian-soldiers-refuse-fight-ukraine-war-detained-1764556

https://bbcrussian.substack.com/p/russian-soldiers-denied-the-right-to-refuse?utm_source=profile&utm_medium=reader2

9 https://www.severreal.org/a/chto-proishodit-s-otkazavshimisya-voevat-v-ukraine/31954279.html

10 https://theins.ru/news/253555

https://zona.media/article/2022/07/21/yama

https://verstka.media/otkaznili-krasniy-luch/

11 https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2937


 

Sie können den offiziellen Text herunterladen, indem Sie hier klicken.

WRI und Connection e.V.: Oral statement delivered at the UN in Geneva on the violations of human rights of conscientious objectors to military service, March 5, 2025

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