Südkorea: Bericht über die Arbeit mit Verweiger*innen aus Russland
Hintergrund
Mit Unterstützung der #ObjectWar-Kampagne hat World Without War im Jahr 2024 mehrere Aktivitäten für russische Kriegsdienstverweigerer-Flüchtlinge umgesetzt.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und insbesondere seit Putins Ankündigung der Zwangsrekrutierung der Reservekräfte im September 2022 sind viele Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland geflohen, um dem Krieg zu entkommen. Einige sind nach Südkorea gekommen.
Im Jahr 2023 beantragten etwa 18.000 Menschen bei der südkoreanischen Regierung einen Flüchtlingsstatus, und etwa 5.700 von ihnen sind russische Staatsangehörige. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Flüchtlinge aus Russland im Vergleich zur Vorkriegszeit erheblich gestiegen ist, handelt es sich bei den meisten von ihnen wahrscheinlich um Kriegsdienstverweiger*innen, die nach Korea gekommen sind, um dem Einberufungsbefehl zu entgehen.
Die südkoreanische Regierung ist jedoch sehr zurückhaltend bei der Gewährung des Flüchtlingsstatus‘. Insbesondere hat sie nicht ein einziges Mal einen Flüchtlingsstatus anerkannt, wenn er wegen Kriegsdienstverweigerung beantragt wurde. Koreanische Rüstungsunternehmen haben viel Geld mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine verdient, aber die koreanische Regierung hat keinerlei Verantwortung für Frieden und Menschenrechte gezeigt.
Zusammen mit einer Gruppe von Anwält*innen, die Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland bei ihren Flüchtlingsanträgen unterstützten, beschloss World Without War, die südkoreanische Regierung zu drängen, Kriegsdienstverweiger*innen als Flüchtlinge anzuerkennen. Darüber hinaus beschlossen wir, die koreanischen Bürger darüber zu informieren, dass russische Kriegsdienstverweigerer vor dem Krieg fliehen und dass sie das Recht haben, den Militärdienst zu verweigern, um sich dem Krieg zu widersetzen.
Petition eingereicht
Wir sammelten und übergaben dem Justizministerium, die für die Prüfung von Flüchtlingsanträgen zuständige Regierungsbehörde, eine Petition von Bürgern, in der die koreanische Regierung aufgefordert wird, russischen Kriegsdienstverweiger*innen einen Flüchtlingsstatus zu gewähren.
Natalia, eine Aktivistin der russischen Friedensbewegungsgruppe Movement for Conscientious Objectors, unterstützte uns, Unterschriften für die Petition zu sammeln. Sie sorgte dafür, dass an koreanische Bürger gerichtete Briefe in der Presse erschienen und organisierte einen Vortrag mit dem Titel „Warum Russland den Krieg nicht stoppen kann - Probleme mit der russischen Industrie, die ohne Krieg nicht überlebensfähig ist, und der koreanischen Militärindustrie, die mit dem Krieg Geld verdient“. Zu diesem Thema sprach Professor Park No-ja von der Universität Oslo, einem in Russland geborenen und eingebürgerten Koreaner. Professor Park No-ja ist ein progressiver Intellektueller, der die koreanischen Kriegsdienstverweiger*innen seit langem unterstützt und sich mit ihnen solidarisiert hat. Er analysierte kritisch den Grund, warum Russland den Krieg fortsetzt - das nationale Wirtschaftssystem, das sich auf die Militärindustrie konzentriert - und sagte, dass nur der friedliche Widerstand der Bürger den Krieg beenden kann. Auch bei Veranstaltungen, die von vielen Pazifist*innen besucht werden, wie dem „War and Women Film Festival“, wurden Unterschriften gesammelt.
Insgesamt unterzeichneten 724 Personen die Petition, die am 14. Mai, dem Tag vor dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer, beim Justizministerium eingereicht wurde. Das Justizministerium gab nur eine allgemeine Antwort auf die Petition der Bürger und sagte: „Wir treffen individuelle Entscheidungen durch Befragungen und Tatsachenermittlungen in Übereinstimmung mit dem Flüchtlingsgesetz und der Flüchtlingskonvention.“ Danach gewann ein russischer Kriegsdienstverweigerer eine Klage gegen einen ablehnenden Bescheid vor dem Verwaltungsgericht und erhielt den Flüchtlingsstatus. Aber dies war bislang ein Ausnahmefall. Andere Kriegsdienstverweiger*innen aus Russland haben noch keinen Flüchtlingsstatus erhalten.
Leitfaden zur Kriegsdienstverweigerung veröffentlicht
World Without War veröffentlichte den Leitfaden zur Kriegsdienstverweigerung für Bürger, die eine Kriegsdienstverweigerung in Betracht ziehen oder sich dafür interessieren. Insbesondere stellten wir Fälle von Kriegsdienstverweiger*innen vor, die sich dafür entschieden haben, Flüchtlinge zu werden, um aus verschiedenen Gründen nicht am Krieg teilnehmen zu müssen. Wir erläuterten, welche Vorbereitungen notwendig sind, um ein Flüchtling auf der Grundlage der Kriegsdienstverweigerung zu werden. Nach der Veröffentlichung des Leitfadens zur Kriegsdienstverweigerung haben wir eine Online-Veranstaltung abgehalten, um die Veröffentlichung des Leitfadens anzukündigen und zu erklären, wie er verwendet werden kann.
Bildungs- und Beratungsprogramm
Wir veranstalteten insgesamt sechs „Workshops zur Kriegsdienstverweigerung“, bei denen wir direkt mit Menschen zusammenkamen, die über Kriegsdienstverweigerung nachdachten oder neugierig darauf waren. Insgesamt nahmen 90 Personen an den sechs Sitzungen teil, und wir sprachen in der ersten, zweiten und sechsten Sitzung über geflüchtete Kriegsdienstverweiger*innen.
In der ersten Sitzung hielten wir einen Workshop zum Thema „Koreanische Waffenexporte und Kriegsdienstverweigerung“ ab. Während wir über den starken Anstieg der koreanischen Waffenexporte seit dem Ukraine-Krieg sprachen, stellten wir geflüchtete russische Kriegsdienstverweigerer vor, die sich dem Ukraine-Krieg widersetzten. In der zweiten Sitzung sprachen wir über Kriegsdienstverweigerung als Anti-Kriegs-Bewegung. Wir diskutierten verschiedene direkte Aktionen zum Widerstand gegen den Krieg. Die aus Russland geflüchteten Kriegsdienstverweiger*innen sind dafür ein konkretes Beispiel. In der letzten Sitzung, der sechsten Sitzung, blickten wir auf alle Programme der „Schule für Kriegsdienstverweigerung“ zurück und kamen natürlich noch einmal auf die Geschichten der geflüchteten russischen Kriegsdienstverweiger*innen.
World Without War: Report on the Russian Conscientious Objector Refugee Support Campaign, 25.3.2025. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Mai 2025
Stichworte: ⇒ Asyl und KDV ⇒ Russland ⇒ Südkorea