Oberster Gerichtshof der Ukraine: Zeuge Jehovah wird in Kriegszeiten nicht vom Militärdienst befreit

(01.05.2025) Der Oberste Gerichtshof der Ukraine hat entschieden, dass Bürger den Militärdienst in Kriegszeiten nicht aufgrund religiöser Überzeugungen verweigern können. Er betonte, dass die Pflicht zur Verteidigung der Nation für alle Ukrainer*innen während der russischen Invasion gilt, so die Pressestelle des Gerichts am 1. Mai.

Das Urteil geht auf einen Fall eines Angehörigen der Zeugen Jehovas zurück, einer religiösen Gruppe, deren Lehre jegliche Form des Militärdienstes verbietet. Ein untergeordnetes Gericht hatte ihn verurteilt, weil er sich nach Erhalt einer Vorladung nicht bei einem Rekrutierungsbüro gemeldet hatte. Er wurde gemäß Artikel 336 des ukrainischen Strafgesetzbuchs wegen Militärdienstentziehung während der Mobilmachung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Verteidigung des Mannes argumentierte, dass seine Weigerung auf tief verwurzelten religiösen Überzeugungen beruhe und in einem solchen Fall keine strafrechtliche Verfolgung erfolgen dürfe. Der Oberste Gerichtshof bestätigte jedoch die Verurteilung und begründete dies mit dem Kriegsrecht und der dringenden Notwendigkeit der Landesverteidigung.

„Die Ukraine hat Alternativen zum (obligatorischen) Militärdienst in Friedenszeiten eingeführt, und die ukrainischen Bürger können diese frei nutzen“, erklärte das Gericht in einer Erklärung. „In Kriegszeiten, während der Mobilisierung und des Verteidigungskriegs, ist jedoch die Pflicht zur Verteidigung der Ukraine, die von der Russischen Föderation aggressiv angegriffen wird, allen Bürgern der Ukraine auferlegt, unabhängig von ihrer Religion.“

Das Gericht fügte hinzu, dass der derzeitige Verteidigungskrieg der Ukraine gegen ein weitaus größeres und mit mehr Ressourcen ausgestattetes Russland ein „außergewöhnliches öffentliches Erfordernis“ darstellt, das Einschränkungen bestimmter Freiheiten, einschließlich religiöser Befreiungen vom Militärdienst, rechtfertigt.

Unter Verweis auf frühere Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erkannte der Oberste Gerichtshof an, wie wichtig es ist, ein Gleichgewicht zwischen der Religionsfreiheit und den staatlichen Verpflichtungen herzustellen. Es stellte fest, dass es bisher noch keine Entscheidung des EGMR zu einem vergleichbaren Fall gegeben habe, bei dem es um einen Krieg von solchem Ausmaß und nationaler Bedrohung ging.

Das Urteil ergeht vor dem Hintergrund der allgemeinen Bemühungen der Ukraine, den Personalmangel an der Front zu beheben. Am 11. Februar führte die Regierung einen einjährigen Freiwilligendienst für Bürger zwischen 18 und 24 Jahren ein, der eine einmalige Beihilfe von 1 Million Hr (24.000 $) und monatliche Zahlungen von bis zu 120.000 Hr (3.000 $) vorsieht. Die Freiwilligen erhalten nach Beendigung des Dienstes auch Wohnungs- und Reisebeihilfen.

Die Initiative zielt darauf ab, jüngere Rekruten zu gewinnen, ohne das Wehrpflichtalter von 25 auf 18 Jahre herabzusetzen, ein Schritt, der von den USA gefordert, vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij aber abgelehnt wurde, da er der langfristigen Zukunft der Ukraine schaden könnte.

Der Plan stößt jedoch auf Kritik bei den derzeitigen Soldat*innen, die sagen, dass sie weniger Leistungen erhalten als neue Freiwillige. „Warum sind diejenigen, die sich früher gemeldet haben, schlechter gestellt?“, fragte Alina Mykhailova, eine ukrainische Sanitäterin und Soldatin, in einem Facebook-Post im Februar.

Kyiv Independent: Ukraine’s Supreme Court rules religious belief does not exempt citizens from military service during wartime, 1. Mai 2025. https://kyivindependent.com/ukrainian-supreme-court-rules-religious-belief-does-not-exempt-citizens-from-military-service-during-wartime/

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