Rudi Friedrich ist tot – ein Nachruf

von Franz Nadler und Thomas Stiefel

(22.07.2025) [Aktualisiert am 31. Juli 2025]

Rudi Friedrich war der jüngste von sechs Söhnen einer evangelischen Pastorenfamilie, die von Brasilien zurück nach Norddeutschland zog. Nach dem Abitur machte er zuerst eine Maurerlehre in Celle, verweigerte den Kriegsdienst, machte Zivildienst und studierte anschließend Soziologie in Frankfurt. Als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (damals noch ohne *innen) kritisierte er die damals dort vorherrschende Einschätzung der DDR als „Friedensmacht“. So kam er 1982 von Frankfurt zur Gruppe nach Offenbach.

Hier entwickelten wir zusammen ein breit aufgestelltes Verständnis der Kriegsdienstverweigerung als aktives Handeln gegen Krieg, gegen Kriegsvorbereitung, Militärdienstpflicht und auch den Zivildienst, der ja nichts anderes als eine staatlich verordnete Zwangsarbeit darstellt. Es entstanden die in mehreren Auflagen erschienene Beratungsbroschüre „Drückeberger“ und 1989, zusammen mit der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden, das Buch „Was gibt es Schöneres als anderen Menschen zu helfen? – Zivildienst, Zwangsarbeit und sozialer Bereich“.

Obwohl er selbst immer wieder Kontakte zur Kriegsdienstverweigerungsbewegung in der DDR pflegte, war er anfangs der völligen Internationalisierung der Arbeit gegenüber noch skeptisch. Dies änderte sich, als er Ende der 80er Jahre Geschäftsführer der DFG-VK Hessen wurde. Dutzende von US-Soldaten wollten nicht in den Golfkrieg verlegt werden und suchten Hilfe bei der von ihm dort aufgebauten Beratung. Mit dieser Erfahrung ging es dann in Offenbach voran. Die bislang von anderen der Gruppe geführte Arbeitsgruppe Südliches Afrika und dann „Kriegsdienstverweigerung im Krieg“ wurden ab dem Jahr 2000 in die 1993 gegründete Organisation Connection e.V. integriert und Rudi zu ihrem hauptamtlichen Geschäftsführer.

Immer neue Kriege, an denen sich auch immer mehr Deutschland beteiligte, und die prekäre Situation von vielen Kriegsdienstverweigerern (und zunehmend auch -innen) führten seitdem zu einem enormen Anwachsen unserer Aktivitäten. Es seien hier nur einige erwähnt. Da ist der nun schon seit Jahrzehnten andauernde Kampf um das Menschenrecht in der Türkei. Die circa hundert Tausend, die vor dem Kriegsdienst im ehemaligen Jugoslawien flohen, die Hilfe für US-Soldat*innen, in den immer wieder inszenierten Kriegen im Nahen und Mittleren Osten. Da ist die Unterstützung für die Verweigernden in Israel, Angola, Eritrea, Lateinamerika, Südkorea und Thailand. Die umfassende Arbeit zum Ukrainekrieg sei hier nur erwähnt, da sie weitgehend bekannt sein dürfte.

Es war immer wieder Rudi, der die Kontakte aufbaute und pflegte, Besuche und Rundreisen organisierte. Er scheute nicht den Kontakt zu den Medien, zu Prominenten und Entscheidungsträgern. Er war ein Genie im Netzwerken. Er erstellte auch die Expertisen für zahlreiche Asylverfahren, auch für solche in anderen Ländern, für Anwält*innen und Institutionen. Er entwickelte sich darin zu einem geschätzten Experten. Hervorzuheben ist auch Rudis musisches Talent, das er mit seinem Freund Talib Richard Vogl in zwei Szenischen Lesungen, u.a. „Run Soldier Run“, unter Beweis stellte.

Mit unermüdlicher Werbetätigkeit gelang es, Spenden einzuwerben, damit wir nicht nur die Gruppen in anderen Ländern unterstützen, sondern auch die eigene Infrastruktur ausbauen konnten. Es war nicht zuletzt auf Rudis Engagement zurückzuführen, dass Connection e.V. zu einer weltweit als wichtig anerkannten Organisation wurde, was sich auch in verschiedensten Friedenspreisen ausdrückte.

Schon bald wurde klar, dass diese Arbeit von ihm allein nicht mehr getragen werden konnte. Rudi wollte in etwa zwei Jahren seine Tätigkeit als Geschäftsführer übergeben. Deshalb wurde die Arbeit auf verschiedene Schultern verteilt. Inzwischen gibt es eine Verantwortliche für Social Media, ein zweites Mitglied des Management-Teams, eine (vom Joseph Rowntree Charitable Trust finanzierten) Connection-Vertreterin, die bei der UN als auch bei den europäischen Institutionen Lobbyarbeit betreibt und seit kurzem ein russischer Jurist, der insbesondere für die internationale Vernetzung zuständig ist. Das Büro befindet sich nicht mehr in der Privatwohnung von Rudi und Karin, sondern in einem modernen Bürogebäude auf dem „Ostpol Gründercampus“ in Offenbach.

Wenn auch Rudi ein Motor der Ideen war, so war er doch nicht allein. Auch wenn es Zeiten gab, wo wir uns nur mit ihm oder mit wenigen trafen, so ist die Anzahl der Aktiven doch kontinuierlich gestiegen und beläuft sich derzeit auf etwa 15. Auch sie bringen wichtige Impulse in die Arbeit ein und tragen sie mit.

Wir sind über den Verlust Rudis unendlich traurig. Er war ein unersetzbarer Freund, dem es gelang, bei den auch bei uns immer wieder auftretenden Differenzen zu vermitteln.

Sein Tod stellt eine Zäsur dar. Aber die Arbeit wird weitergehen. Wie sie geleistet werden kann, ist derzeit in manchen Bereichen noch unklar. Die Haupt- und Ehrenamtlichen sind sich aber einig: Die Arbeit für die Verweigernden weltweit, für ein uneingeschränktes Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf Asyl sind uns allen wichtig. Deshalb bitten wir um Unterstützung, damit Connection e.V. weiterhin dieses Ziel verfolgen kann. Danke auch dafür.

Franz Nadler und Thomas Stiefel sind Mitbegründer von Connection e.V. und im Vorstand des Vereins

Stichworte:    ⇒ UN—Lobbyarbeit