Beratungsstelle für US-Verweigerer hat steigende Zahl von Anfragen

Bericht des Military Counseling Network (MCN)

von Dave Stutzman

Gab es in den ersten Monaten nach Gründung des Military Counseling Network (MCN) nur wenige Anfragen von aussteigewilligen SoldatInnen, so steigt deren Zahl inzwischen kontinuierlich an. Mehr als 70 SoldatInnen haben sich in den letzten sechs Monaten gemeldet.

Neu gegründet wurde das MCN Anfang des Jahres 2003. Es hatte schon einmal in den 80-er und 90-er Jahren gearbeitet. Als der Krieg gegen den Irak am Horizont erschien und wir eine praktische Antwort darauf geben wollten, wurde die Entscheidung getroffen, wieder eine Beratungsstelle zu eröffnen. Ich selbst habe im Rahmen des Freiwilligendienstes beim Mennonitischen Friedenskomitee die Beratungs- und Koordinationsarbeit in Bammental übernommen.

Es dauerte einige Monate, um das Netzwerk arbeitsfähig zu machen. Ende Februar 2003 kamen Marc Liggin und Teresa Panepinto vom Central Committee for Conscientious Objection (CCCO / Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerung) nach Deutschland, um ein Wochenendseminar für BeraterInnen und andere Aktive des MCN durchzuführen. Sie informierten über Grundlagen zu den Rechten der GIs, Regelungen des US-Militärs, Entlassungen und der Beratungsarbeit.

Danach konnte MCN Anfragen und Emails von GIs beantworten, die in Deutschland stationiert waren. In erster Linie bestand die Arbeit in einer Art Hotline für Soldaten. In den ersten drei Monaten des Krieges gab es nur eine Handvoll SoldatInnen, die MCN per Telefon oder E-Mail kontaktierten. In den nachfolgenden Monaten stieg ihre Zahl kontinuierlich an. Nachdem der Krieg offiziell für beendet erklärt worden war und sich die SoldatInnen immer mehr in der Rolle von BesatzerInnen sahen, wurde MCN stärker gebraucht. Mehr als 70 SoldatInnen haben sich in den letzten sechs Monaten bei uns gemeldet. Während des Krieges gab es kaum welche, mit dem Wunsch, die Armee zu verlassen. Nun, wo das US-Militär für eine lange Zeit dort ist, breitet sich unter ihnen zunehmend Unzufriedenheit aus. Mehr und mehr suchen sie Informationen und Hilfe, um aus der Armee herauszukommen.

MCN hat sich zu einem Netzwerk von Organisationen und Menschen entwickelt, die Beratung, Unterstützung und Rechtsinformationen anbieten für Angehörige des US-Militärs, die ihre Kriegsbeteiligung in Frage stellen oder mehr über ihre Rechte wissen wollen. Derzeit arbeitet das MCN mit 16 Kriegsdienstverweigerern und einigen weiteren SoldatInnen, die einen Verweigerungsantrag stellen wollen. MCN hat in der bisherigen Zeit zu sehr unterschiedlichen Fällen gearbeitet: Untauglichkeit, Entlassung wegen besonderer Härte, Unerlaubte Abwesenheit (AWOL) und Vergewaltigung. Einige SoldatInnen sind nun bereit, (anonym) an die Öffentlichkeit zu gehen.

Meine Zeit als Freiwilliger des Deutschen Mennonitischen Friedenkomitees (DMFK) läuft aus - und damit auch die bisherige finanzielle Basis für meine Tätigkeit. Ich will diese Arbeit aber weiterführen. Aufgrund des zunehmenden Bedarfs versuchen wir, Finanzmittel zu erhalten, damit ich zumindest ein weiteres Jahr die Arbeit leisten kann. Zu meiner Unterstützung ist nun auch Reuben Miller hinzugekommen, der gerade seine Zeit als Freiwilliger beim DMFK begonnen hat.

Das US-Militär ist immer noch in großer Zahl in Deutschland präsent, mit über 70.000 Militärangehörigen, die im Südwesten Deutschlands stationiert sind. Die Standorte spielen eine wichtige Rolle bei der Fortsetzung der Einsätze des US-Militärs in Afghanistan und dem Irak. Die meisten SoldatInnen aus diesen Regionen kommen zum Fronturlaub nach Deutschland. Verwundete und verletzte SoldatInnen werden in Lazarette nach Deutschland gebracht, weit weg von der Front. Flughäfen und Militäreinrichtungen stellen die wichtigste logistische Unterstützung für die Kampfgebiete im Nahen Osten dar.

Die Arbeit für das MCN ist für mich ein sehr bedeutungsvolles Tätigkeitsfeld. In diesem sehr kleinen, aber wichtigen Bereich fühle ich, dass ich etwas Positives tue, indem ich US-SoldatInnen dabei unterstütze, die Armee zu verlassen - und Europäern eine andere US-amerikanische Perspektive zu zeigen. Ich bin sehr dankbar, Teil von etwas wie dem MCN sein zu können, Zeugnis für Frieden in dieser turbulenten Zeit ablegen zu können.

MCN hilft Soldaten, die auf ihren Einsatz im Irak warten, SoldatInnen, die degradiert wurden oder auch von ihrem Einsatz zurückkehren. Wir lernen, das Gesicht hinter der Uniform wahrzunehmen. Wir erleben die Angst und Besorgnis der Familien, die ihre Lieben an die Front verabschieden müssen. Wir erhalten einen flüchtigen Eindruck, was Krieg wirklich bedeutet, eine kleine Vorstellung, was es heißt, ein US-Soldat zu sein, der zwischen den Stühlen sitzt. Wir versuchen, denen zu helfen, die die Armee verlassen wollen.

Um die Arbeit weiter zu finanzieren, bitten wir um Spenden an: DMFK, Stichwort "MCN", Konto 416 66 757 bei Postbank Karlsruhe, BLZ 66010075

David Stutzman, MCN Work Report, Februar 2004. Übersetzung aus dem Englischen: Rudi Friedrich. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe März 2004.

Stichworte:    ⇒ Deutschland   ⇒ Kriegsdienstverweigerung   ⇒ Projektberichte   ⇒ Soldaten   ⇒ USA