Osman Murat Ülke

Osman Murat Ülke

Türkei/Europarat: Stellungnahme zum Fall Osman Murat Ülke

von Ministerausschuss des Europarates

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte am 24. Januar 2006 die Türkei verurteilt, da sie beim Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen habe. „Die zahlreichen strafrechtlichen Verfolgungen in Verbindung mit der Möglichkeit, dass er einer lebenslangen Strafverfolgung unterliegen könnte, stehen im Missverhältnis zu dem Ziel, die Ableistung des Militärdienstes sicherzustellen.“ Die Türkei wurde zur Zahlung von 10.000 Euro Entschädigung an Osman Murat Ülke verpflichtet. Mit dem Urteil hatte das Gericht auch die Empfehlung verbunden, die Kriegsdienstverweigerung in der Türkei zu legalisieren.

Die Türkei zahlte zwar die vom Gericht verlangte Entschädigung. Bis heute hat sich jedoch an der Situation von Osman Murat Ülke nichts geändert. Erneut tagte dazu der Ministerausschuss des Europarates. Wir dokumentieren die Entscheidung vom März 2009.

Resolution des Ministerausschusses des Europarates vom 19. März 2009

Der Ministerausschuss, dem nach Artikel 46, Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention die Kontrolle über die Umsetzung rechtskräftiger Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte obliegt;

Bezug nehmend auf das Urteil im Fall Ülke, das vom Gerichtshof dem Ministerausschuss zur Überwachung der Umsetzung nach dem Inkrafttreten am 24. April 2006 überstellt wurde;

Daran erinnernd, dass der Gerichtshof in seinem Urteil feststellte, dass die wiederholten Verurteilungen und Inhaftierungen des Antragstellers, die aufgrund seiner aus pazifistischer Überzeugung heraus motivierten Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes erfolgten, als eine erniedrigende Behandlung im Sinne des Artikel 3 der Konvention anzusehen sind;

Unterstreichend, dass nach Auffassung des Gerichts die zahlreichen bereits erfolgten Verurteilungen des Antragstellers und die Möglichkeit der weiteren lebenslänglichen Strafverfolgung als „ziviler Tod“ anzusehen sind, was im Sinne des Artikels 3 mit dem Rechtssystem einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar ist;

Daran erinnernd, dass das Gericht des weiteren das bestehende Rechtssystem für unzureichend hält, da es keine Regelungen im türkischen Recht für diejenigen gibt, die den Militärdienst aus religiösen oder Gewissensgründen ablehnen und die einzigen einschlägigen Regelungen die Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuchs sind, welche jede Befehlsverweigerung zu einer Straftat erklären;

Mit großer Besorgnis feststellend, dass der Antragsteller trotz des Urteils des Gerichts am 9. Juli 2007 vorgeladen wurde, um seine noch ausstehende Haftstrafe aufgrund einer vorherigen Verurteilung anzutreten, und seine Beschwerde zur Aussetzung der Anordnung am 27. Juli 2007 vom Militärgericht in Eskisehir abgewiesen wurde;

Erinnernd an die erste vom Ministerausschuss in seiner 1007. Sitzung im Oktober 2007 verabschiedete Resolution, in der er darauf drängt, dass „die türkischen Behörden ohne weiteren Verzug alle notwendigen Maßnahmen treffen, um entsprechend der Konvention die Verletzung der Rechte des Antragstellers zu beenden, und unverzüglich die Gesetzesreform umsetzen, die notwendig ist, um derartige Verletzungen der Konvention zu vermeiden“;

Ernsthaft bedauernd, dass trotz der Resolutionen des Ministerausschusses keine konkreten Schritte seitens der türkischen Regierung unternommen wurden, um die fortwährenden Folgen der Verletzungen zu beenden;

Mit Besorgnis feststellend, dass aufgrund der fehlenden Maßnahmen der türkischen Behörden die Situation des Antragstellers insofern unverändert geblieben ist, als er sich derzeit versteckt und von den Sicherheitskräften zur Verbüßung der Haftstrafe gesucht wird;

ERINNERT ENTSCHIEDEN an die Verpflichtung aller Staaten, sich nach Artikel 46 Absatz 1 der Konvention an die Urteile des Gerichtes zu halten, was die Umsetzung einzelner Maßnahmen einschließt, um die festgestellten Verletzungen zu beenden und so schnell wie möglich die Auswirkungen auf den Antragsteller aufzuheben, sowie das Ergreifen allgemeiner Maßnahmen, um derartige Verletzungen zu vermeiden;

FORDERT MIT NACHDRUCK die türkischen Behörden auf, ohne weiteren Verzug alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um entsprechend der Konvention die Verletzung der Rechte des Antragstellers zu beenden und die Gesetzesänderungen vorzunehmen, welche erforderlich sind, um derartige Verletzungen der Konvention zu vermeiden;

BESCHLIESST, die Umsetzung des Urteils weiterhin auf jeder Menschenrechtssitzung des Ministerausschusses zu überprüfen, bis die dringend erforderlichen Maßnahmen umgesetzt sind.

Ministerausschuss des Europarates. Resolution vom 19. März 2009 (CM/ResDH(2009)45 1), 1051. Sitzung. Übersetzung: Rudi Friedrich und Heike Makowski. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juli 2009.

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