Türkei/Europarat: Stellungnahme zum Fall Osman Murat Ülke
(06.06.2007) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte am 24. Januar 2006 die Türkei verurteilt, da sie beim Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen habe. "Die zahlreichen strafrechtlichen Verfolgungen in Verbindung mit der Möglichkeit, dass er einer lebenslangen Strafverfolgung unterliegen könnte, stehen im Unverhältnis zu dem Ziel, die Ableistung des Militärdienstes sicherzustellen." (im Wortlaut) Die Türkei wurde zur Zahlung von 10.000 Euro Entschädigung an Osman Murat Ülke verpflichtet. Mit dem Urteil hatte das Gericht auch die Empfehlung verbunden, die Kriegsdienstverweigerung in der Türkei zu legalisieren.
Die Türkei zahlte zwar die vom Gericht verlangte Entschädigung. Bis heute hat sich jedoch an der Situation von Osman Murat Ülke nichts geändert. Er beantragte daher eine Überprüfung durch das Ministeraussschuss des Europarates. Eine vorläufige Entscheidung dazu erging im Juni 2007. Osman Murat Ülke schreibt dazu: "Soweit ich sehe spielen die türkischen Behörden auf Zeit - und das Ministerkomitee lässt sie gewähren. Statt eine Resolution zu verabschieden, sagen sie: ’Nun, wenn die türkischen Behörden sagen, dass es einen Gesetzentwurf gibt, werden wir einfach abwarten.’ Aber in all dieser Zeit muss ich weiter mit Inhaftierung rechnen. Ich bin sehr enttäuscht darüber. Das Ministerkomitee hätte aufgrund der Tatsache, dass noch kein Gesetzentwurf zugesandt worden war, eine Resolution verabschieden sollen, um diese unzumutbare Verspätung der Urteilsumsetzung offiziell zu kritisieren und den Spielraum für weitere Verzögerungen einzuengen."
Wir dokumentieren die Entscheidung des Ministerausschusses:
Entscheidung des Ministerausschusses des Europarates vom 6. Juni 2007
Die Beauftragten haben die letzten Informationen geprüft, die die türkischen Behörden zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes im vorliegenden Fall unterbreitet haben und
nehmen Kenntnis davon, dass ein Gesetzentwurf von den zuständigen türkischen Behörden vorbereitet wird, mit dem Ziel, weitere Verletzungen des Artikel 3, wie sie im vorliegenden Fall festgestellt worden sind, zu verhindern und dass dieser Entwurf dem Büro des Premierministers zur Vorlage im Parlament übermittelt wird;
nehmen insbesondere Kenntnis von der Erklärung türkischer Behörden, dass dieses Gesetz, wenn es angenommen wird, verhindern wird, dass Personen, die die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen oder religiösen Gründen verweigern, wegen "Beharren auf Ungehorsam" gegenüber Befehlen des Militärs wiederholt angeklagt oder verurteilt werden;
nehmen Kenntnis von der Information der Behörden, dass dieser Gesetzentwurf beabsichtigt, allen negativen Konsequenzen für den Antragsteller durch die Verletzung des Artikel 3 abzuhelfen;
laden die türkischen Behörden ein, dem Ministerkomitee eine Kopie des Gesetzentwurfes zukommen zu lassen und ermutigen sie die notwendigen Schritte einzuleiten, um eine rasche Verabschiedung durch das Parlament sicher zu stellen;
entschieden, die Behandlung dieses Themas auf der 1007ten Sitzung (15.-17. Oktober 2007) mit den zur Verfügung stehenden Informationen über eine Verabschiedung des Gesetzentwurfes erneut aufzunehmen.
Ministerausschuss des Europarates. Entscheidung vom 6. Juni 2007, 997. Treffen. Übersetzung: Rudi Friedrich. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Juli 2007.
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