Der Zwangsdienst in Kolumbien muss abgeschafft werden!
Redebeitrag zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung in Frankfurt
(15.05.2020) 2016 wurde ein Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerrillaorganisation FARC-EP unterzeichnet. Die FARC wurde zu einer politischen Partei und ihre Mitglieder haben sich demobilisiert.
Aber leider gibt es in Kolumbien noch keinen Frieden. Illegale bewaffnete Gruppen kontrollieren noch mehrere Regionen im Land.
Laut dem Präsidenten sollte das kein Problem sein. Wir haben unsere herrliche Nationalarmee, die uns von solchen Verbrechern befreien würde. Das passiert aber nicht. Die Militärkräfte sind nicht da, wenn man sie eigentlich braucht. Seit 2016 sind mehr als 500 soziale und politische AktivistInnen und knapp 200 Ex-Guerrilla-KämpferInnen von diesen illegalen Gruppen sowie von geheimnisvollen unbekannten Menschen ermordet worden.
Man könnte denken, die Armee ist niemals da. Man könnte meinen, sie agieren einfach nicht. Aber sie sind manchmal da. Wann sind sie da gewesen? Sie sind in den letzten 18 Jahren da gewesen, um mindestens 5.000 unbewaffnete unschuldige Zivilisten zu ermorden. So konnten sie ihre Leichen verkleiden und sie als im Kampf gefallenen Guerrilla-KämpferInnen zählen. So eine perverse Strategie, nur um zu berichten, dass die sogenannte Sicherheitspolitik funktioniert. Sie lügen.
Man kann nicht verstehen, wie die Regierung mehr als 10.000 Millionen Dollars in diese Mordorganisation jährlich investiert. Aber wenn die Bevölkerung demonstriert, um mehr Geld für Bildung und Gesundheit zu erfordern, sagt der Präsident, dass es kein Geld mehr gibt.
Außerdem gibt es in Kolumbien noch einen Militärzwangsdienst, auch wenn wir laut der Regierungspartei, dem rechtextremistischen Centro Democrático, keinen bewaffneten Konflikt haben. Jeder erwachsene Mann in Kolumbien muss sowieso an der Armee teilnehmen. In der Wirklichkeit gilt der Zwangsdienst nur für die Armen, denn wer bezahlen kann, darf den Militärdienst vermeiden. 80 Prozent der Menschen, die den Zwangsdienst leisten, gehören zu den unteren Schichten.
Ich bin privilegiert. Ich bin ein Einzelkind, und das ist eine der wenigen Ausnahmen für den Zwangsdienst. Trotzdem mussten meine Eltern ungefähr 1.600 Euro bezahlen, damit ich meinen Militärausweis bekommen konnte. Wer weiß, wofür sie trotz des riesigen Militäretats das Geld von Millionen kolumbianischen Familien brauchen.
Dies ist mein Militärausweis. Er beweist, dass ich zu den Reserven der kolumbianischen Armee gehöre. Ohne diesen Ausweis dürfte ich weder eine Ausbildung noch ein Studium anfangen, noch einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Im Fall eines Krieges gehöre ich zur „ersten Reihe“ bis 2024, zur „zweiten Reihe“ bis 2034 und zur „dritten Reihe“ bis 2044.
In meinem Land, wenn man von der Polizei oder sogar von Soldaten auf der Straße kontrolliert wird, muss man diesen Ausweis zeigen. Ansonsten bekommt man einen Termin in einem Bataillon. Manchmal bekommt man keinen Termin, sondern man wird quasi-entführt. Man wird sofort gezwungen in einen Lkw zu steigen, und wird direkt in das Bataillon geschickt. Dies geschieht leider immer noch, auch wenn das Verfassungsgericht behauptete, dass dies eine illegale Praxis ist.
Nach dem Gesetz hat jeder kolumbianische Bürger das Recht der Militärdienstverweigerung aus Gewissengründen. Das heißt, dass man den Zwangsdienst aus ethischen Gründen verweigern darf. Tatsächlich werden fast nur religiöse Gründe akzeptiert. Wir fordern aber kein Recht der Kriegsverweigerung, sondern die sofortige Abschaffung des Zwangsdienstes in Kolumbien. Denn es ist nicht gerecht, dass die Söhne der Bauern und der Arbeiterinnen als Kanonenfutter verwendet werden, während die Generäle Kaviar fressen und zahlreiche Ehrungen und Medaillen bekommen. Wir, die Kolumbianer und Kolumbianerinnen, wollen keinen Krieg mehr.
Es reicht.
Vielen Dank.
Redebeitrag von Adrián Villa am 15. Mai 2020 in Frankfurt/Main. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2020.
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