Demonstration am 13.2.2021 in Frankfurt/M.

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Eritrea/Äthiopien: „Einige von uns versuchten zu fliehen“

Bericht einer Deserteurin

(29.06.2021) Ich bin seit 1997 in der Armee in Eritrea. Ich war etwa 23 Jahre in der Armee. Im Jahr 2013 war ich mit der Armee an der Grenze zu Äthiopien stationiert.

Ich wurde beschuldigt, an einem Putsch teilgenommen zu haben, obwohl ich nichts davon wusste. Mein Armeechef hatte ihn geplant, ich hatte mich aber geweigert, daran teilzunehmen. Als der Putsch scheiterte, brachten sie mich ins Gefängnis. Ich verbrachte viele Jahre dort. Als sie mich freiließen, wurde ich an die Grenze zu Äthiopien geschickt, in ein Gebiet namens Sheraro in Äthiopien, Tigray. Es ist nicht weit von der eritreischen Grenze entfernt.

In dieser Gegend herrscht Krieg. Wir blieben in Sheraro, die anderen Einheiten zogen weiter an andere Orte. Die großen Schlachten und Kämpfe fanden in anderen Gebieten statt, aber auch ich habe an einigen Kämpfen teilgenommen. Wir haben gegen die Tigrayer gekämpft. Das ist die Armee von Debretsion (Debretsion Gebremichael ist Präsident des Tigray - d.Red.). Ich war dort drei Monate lang.

Wir lebten in den Häusern der Bevölkerung von Tigray, die geflohen war.Nach drei Monaten verletzt, schickten sie mich in ein Krankenhaus. Es war überfüllt, weil es eine große Anzahl von Verletzten aus Eritrea und Äthiopien gab. Also schickten sie mich in ein anderes Krankenhaus. Von dort bin ich geflohen.

Es gab Leute, die sich weigerten, zu kämpfen. Sie sagten: „Warum sollen wir in einem anderen Land sterben?“ Jetzt sind sie alle im Gefängnis. Die meisten von ihnen sind in Mai Serwa. Sie befinden sich in einem sehr schlechten Zustand, wie in jedem Gefängnis. Keiner weiß genau, wie sie leben können, sie erlauben ihren Familien nicht, sie zu besuchen. Drei von ihnen waren meine Kollegen, die ich persönlich kenne. Sogar einige Anführer weigerten sich zu kämpfen, so dass Präsident Isaias sie erst ins Gefängnis schickte und sie dann in einem geschlossenen Bereich unter Hausarrest stellte.

Innerhalb der Städte in Tigray war die äthiopische Armee. Die eritreische Armee war überall um die Städte herum. Wir trugen die gleiche Uniform wie die Äthiopier. Für uns war alles wie bei der äthiopischen Armee, und die eritreische Armee rückte bis Mekelle (Hauptstadt von Tigray - d. Red.) vor - von der eritreischen Grenze bis Mekelle. Wir hatten die ganze Ausrüstung dabei, etwa Armee­fahrzeuge, und sogar die schwere Ausrüstung für die Bombardierung - 120/130.

Ich erreichte die äthiopische Grenze am 2. November 2020. Es war eine große Armee. Davor war ich im Gefängnis gewesen. Direkt vom Gefängnis nach Äthiopien. Ich kam mit 160 anderen Gefangenen. Einige von uns verbrachten 8, 9 oder 10 Jahre im Gefängnis. Alle von uns wurden nach Äthiopien geschickt. Einige verbrachten 13 Jahre in diesem Gefängnis; sie verhafteten sie, als sie versuchten, nach Äthiopien zu fliehen. Sie schickten diejenigen aus dem Gefängnis, die länger als 8 Jahre dort waren. Die anderen blieben dort.

Niemand gab uns irgendwelche Informationen. Wir saßen in den Autos und wussten nicht, wohin wir fahren würden. Als ich aus dem Gefängnis herauskam, gab uns die eritreische Armee keine Zeit, an irgendetwas zu denken. Als wir an der Grenze ankamen, teilte die Armee uns Gefangene in viele verschiedene Gruppen auf. Wir haben nichts verstanden, bis wir das Gebiet von Badme erreichten. In diesem Gebiet wussten wir einfach, was passieren würde.

Es dauerte sechs Stunden, um von Badme nach Sheraro zu Fuß zu gelangen. Ich erinnere mich nicht mehr genau an den Zeitpunkt, aber ich weiß, dass wir am 2. November in Sheraro waren. Als ich im Gefängnis war, gab es 640 Gefangene, es gab keinen Platz zum Schlafen. Aber sie haben uns erlaubt, einen Fernseher mitzubringen. Wir haben ihn von der ganzen Gruppe gekauft. Ich weiß sehr genau die Zeit, weil ich Aljazeera, BBC... gesehen habe, daher kenne ich das Datum gut. Sie entließen uns am 30. Oktober aus dem Gefängnis und am 2. November war ich in Sheraro.

Der erste Punkt, zu dem sie uns brachten, hieß ‚Sambal‘ - die ganze Gegend ist ein Berggebiet. Es nennt sich Sambal und liegt ganz in der Nähe von Badme. Dann gingen wir direkt nach Sheraro. Es gab keine große Schlacht, wir gingen direkt nach Sheraro hinein. Aber als wir in Sheraro waren, gab es Kämpfe, viele Kämpfe, drei Tage lang.

Wir wussten nichts, bis wir Sambal erreichten. In diesem Moment sahen wir eine große Zahl von Soldaten, wir hörten Bomben, also wussten wir, dass wir in einem Kriegsgebiet sind.

Ich denke: Diese Leute, die Regierung, sie hassen uns; die meisten von uns waren Leute, die aus dem Gefängnis kamen, einige von uns haben versucht, aus Eritrea zu fliehen, also hasst uns die Regierung und will uns im Krieg töten. Sie haben uns in den Krieg geschickt, um uns zu töten, es ist eine Bestrafung. Ich denke, dass die meisten der Armee unter Druck in dieses Gebiet gekommen sind. Alle von uns wollen Eritrea verlassen oder hassen das Regime.

Einige von uns versuchten zu fliehen, in den Sudan zu gehen. Wenn sie jemanden von denen fanden, die zu fliehen versuchten, schickten sie sie direkt ins Gefängnis, und niemand weiß, was danach passiert.

Die eritreische Regierung hat alle Telefone und Kontakte aus dem Gebiet von Tigray gesperrt. Sie haben auch alle Telefone der Armeeangehörigen konfisziert, mit Ausnahme der Kommandanten, also gibt es keinen Kontakt mit irgendjemandem.

Testimonies Webinar Voices from Tigray – Eritrean Involvement in the War in Tigray, Report 1, 29. Juni 2021. Audio-Aufnahme im Besitz von EEPA - Name aus Sicherheitsgründen zurückgehalten.

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