Rundbrief »KDV im Krieg« - Februar 2018

Rundbrief »KDV im Krieg« - Februar 2018

Kehrt die Wehrpflicht zurück?

von Hannah Brock

Einleitung

Als ich 2010 bei der War Resisters‘ International (WRI) zu arbeiten anfing, begannen wir bei der WRI, unsere Strategie zur Arbeit zur Kriegsdienstverweigerung zu überdenken, einem Schwerpunktthema der Organisation seit der Gründung im Jahr 1921. Nach internationalen Standards sollen nicht nur Wehrpflichtige die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung haben, sondern auch Berufssoldaten, die sich freiwillig zum Militär gemeldet haben. Tatsächlich lag der Schwerpunkt der WRI bis zu diesem Zeitpunkt jedoch auf der Arbeit mit Wehrpflichtigen und über die Wehrpflicht einberufene Soldaten, die keine Wahl hatten. Aber in den 20 Jahren bis 2012 wurde die Wehrpflicht in mindestens 22 Staaten ausgesetzt oder abgeschafft.1 Was bedeutete es für die UnterstützerInnen, wenn es nicht mehr so viele Verweigerer gab?

Das ist zwar immer noch eine Frage, die wir beantworten müssen. In den letzten sechs Jahren hat sich das Bild aber geändert. Norwegen hat die Wehrpflicht auf Frauen ausgeweitet, Schweden hat sie wieder eingeführt, nun für Männer und Frauen; in der Ukraine, Georgien, Litauen und Kuwait wurde nach einer kurzen Unterbrechung die Wehrpflicht für Männer wieder eingeführt. Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zum ersten Mal die Wehrpflicht eingeführt. In Kroatien gibt es Gerüchte über eine Wiedereinführung der 2008 ausgesetzten Wehrpflicht und auch in Frankreich, wo sie 1996 ausgesetzt wurde. Die Wehrpflicht gibt es in mehr als 60 weiteren Staaten und es gibt eine sehr unterschiedliche Art und Weise, mit Kriegsdienstverweigerern umzugehen. Viele von ihnen sind im Gefängnis.

Dieser Artikel untersucht, welche Entwicklungen zur Rückkehr der Wehrpflicht in den letzten Jahren geführt haben und was dies für pazifistische Bewegungen bedeutet.

Geänderte Sicherheitslage in einigen Regionen

In zwei Regionen, in Ost- und Nordeuropa und in den Golfstaaten, wurden die Entwicklungen explizit und implizit gerechtfertigt mit Bedrohungen aus den Nachbarländern und weiteren länderspezifischen Gründen.

 

Golfstaaten

2014 führten die Vereinigten Arabischen Emirate die Wehrpflicht zum ersten Mal ein. Der Militärdienst dauert neun Monate für Abiturienten und zwei Jahre für andere. Auch Frauen werden ermutigt, freiwillig der Armee beizutreten, auch wenn es für sie keine Verpflichtung gibt. Die Armee bietet Frauen die Möglichkeit an, Führungsfähigkeiten zu erwerben, Teamgeist und Selbstvertrauen zu entwickeln.2 Die Vereinigten Arabischen Emirate haben in den letzten Jahren auch in Armee und Marine investiert. Nach Angaben des Stockholmer Internatonalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) waren die Vereinigten Arabischen Emirate zwischen 2008 und 2012 weltweit der neuntgrößte Waffenimporteur.

Im nahegelegenen Kuwait wurde die Wehrpflicht 2017 erneut eingeführt3, nachdem das vom Kabinett im Mai 2015 verabschiedete Wehrpflichtgesetz in Kraft trat. Die Wehrpflicht war in Kuwait 2001 ausgesetzt worden, eine Wiedereinführung wurde in den letzten Jahren regelmäßig diskutiert.

In Katar wurde die Wehrpflicht erstmals 2014 eingeführt. Nach dem neuen Nationaldienstgesetz müssen Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren entweder zwei oder vier Monate Grundausbildung im Militär ableisten. Verteidigungsminister Hamad bin Ali Al-Attiyah erklärte, dass dies dazu beitragen würde, Katarer zu „idealen Bürgern“ zu machen.4 Wer sich nicht zum Militärdienst meldet und den Einberufungen nicht nachkommt, kann weder eine Arbeit im öffentlichen Dienst oder bei nichtstaatlichen Organisationen annehmen, noch eine Genehmigung zur Eröffnung eines Geschäfts erhalten oder sich arbeitssuchend melden. Wer gefälschte Dokumente vorlegt oder jemand anderen als Ersatz zur Musterung schickt, kann mit einer Haftstrafe zwischen einem Monat und einem Jahr und/oder zu einer Geldstrafe von bis zu QR 20.000 (5.500 US-Dollar) bestraft werden.5 Ein katarischer Beamter erklärte: „Ziel des Militärdienstes ist es, junge Kataris dazu zu bringen, sich auf sich selbst zu verlassen“. Eine ähnliche Rhetorik wird auf der ganzen Welt benutzt, um für die Wehrpflicht zu werben.

Die Einführung der Wehrpflicht folgt einer Zunahme bei den Waffenkäufen. 2014 ging Katar bei der Doha International Maritime Defence Fair (DIMDEX) auf Einkaufstour und kaufte Panzer, Hubschrauber, Kriegsschiffe, Raketen und Artillerie im Wert von 23,89 Milliarden US-Dollar. Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar steigerten ihre Waffenimport zwischen 2007-2011 und 2012-2016 um 175%, 63% und 245%6.

Seit vielen Jahren besteht die Wehrpflicht bereits in Nachbarstaaten der Golfregion, in Syrien, Israel, Zypern, Türkei, Ägypten und Iran. Darüber hinaus wurden syrische Regierungsstreitkräfte der Zwangsrekrutierung bezichtigt,7 einer der vielen Gründe, warum Flüchtlinge das Land verlassen haben.8 Eine Wehrpflicht gibt es auch in der de-facto autonomen kurdischen Region Rojava, in einigen Bezirken wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt.

Alle Staaten, die kürzlich die Wehrpflicht eingeführt haben, haben Spannungen mit ihren direkten Nachbarn (Im Falle von Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es Iran). Sie befinden sich in einer Region mit anhaltenden militärischen Spannungen, darunter ist die Bedrohung durch den IS und die weiterhin bestehenden Konflikte in Irak und im Jemen, die nicht immer an den Staatsgrenzen halt machen.

 

Russlands Nachbarländer

Die russische Militäraggression, insbesondere im Konflikt zwischen Ukraine und Russland 2014, wurde als Motiv zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in Litauen, Schweden und Georgien angeführt (wo sie gerade mal acht Monate nach der Abschaffung zurückkam). In letzter Zeit erhöhte Estland die Zahl der Wehrpflichtigen, kurz nachdem die Entscheidung getroffen wurde, Frauen einen leichteren Zugang als Freiwillige zum Militär zu ermöglichen und ihnen den Zugang zu allen Militäreinheiten zu eröffnen.9

In der Ukraine endete die Wehrpflicht 2013, wurde aber bereits 2014 wieder eingeführt. Als Teil der Wortgefechte zwischen der ukrainischen und der russischen Regierung dienten Zahlen über Desertionen. Kurz nach der Wiedereinführung sollen inoffiziellen Quellen zufolge Hotels und Motels in der Grenzregion der Ukraine zu Rumänien zum Teil „komplett gefüllt mit ukrainischen Militärdienstentziehern“ gewesen sein, was in den staatlichen russischen Medien ausgiebig verbreitet wurde, zusammen mit einer Erklärung von Wladimir Putin, der seine Unterstützung für die ukrainischen Militärdienstentzieher erklärte. Die ukrainische Regierung bestritt, dass es größere Probleme bei der Mobilisierung gebe und beschuldigte die russische Regierung, die Desertionszahlen zu übertreiben und die Menschen mit einer konzertierten Propagandakampagne zum Widerstand gegen die Einberufung aufzuhetzen.10

In der Ukraine können Wehrpflichtige nur dann legal mobilisiert werden, wenn sie Einberufungsaufforderungen unterschreiben. So entziehen sich viele der Einberufung, in dem sie sich nicht an den Orten aufhalten, an denen sie registriert sind, um zu verhindern, dass die Papiere sie erreichen. Am 6. November 2017 berichtete die ukrainische Tageszeitung Segodnya über zwei Polizeirazzien in Nachtklubs in Kiew und Lwiw, bei denen Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros die Papiere junger Männer überprüften und eine Reihe von Einberufungen verteilten. Die Polizei berichtete in Kiew anschließend, 32 Männer seien direkt dem Rekrutierungsbüro überstellt worden.11

In Schweden war die Wehrpflicht 2010 abgeschafft worden, nach 109 Jahren. Aber sie wurde bereits 2017 „im Gefolge der Annexion der Krim durch Russland wieder eingeführt“.12 Dies entsprach einer allgemeinen Änderungen der schwedischen Außenpolitik. Obwohl das Land nicht Mitglied der NATO ist, wurde 2017 das Manöver Aurora in Schweden durchgeführt13 – Schwedens größtes Manöver seit 23 Jahren – an der Truppen aus vielen NATO-Ländern teilnahmen. 2018 werden durch die Mitte-Links-Regierung auch die Militärausgaben erhöht werden, um 8,1 Milliarden Kronen (1 Milliarde US-Dollar) für die nächsten drei Jahre. Verteidigungsminister Peter Hultqvist sagte: „Dieses (zusätzliche Geld) … ist ein wichtiges Signal an die Welt um uns herum und es ist gut für Schweden.“14 Dem stimmen wir nicht zu. In den Jahren zwischen der Abschaffung und der Wiedereinführung der Wehrpflicht hatte die Armee ihre Rekrutierungsziele nicht erreicht. Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht wurden die Frauen in das System einbezogen.

Wer kann Soldat werden?

Viele Jahre lang wurden Frauen nur in Israel, Eritrea und Mozambique dazu gezwungen, zum Militär zu gehen. Die Wehrpflicht wurde aber 2017 in Schweden, und 2013 in Norwegen, auf Frauen ausgeweitet. Diese Änderung wurde von Politikerinnen und anderen Frauen als „geschlechtsneutrale Wehrpflicht“ eingefordert. Sie argumentierten, dass „eine moderne und vielfältige Organisation verschiedene Menschen, Fähigkeiten und Perspektiven benötigte“. In Norwegen wird wegen der Größe des Militärs und der großen Zahl von Freiwilligen nur eine kleine Zahl Männer einberufen. Die Einbeziehung von Frauen wurde von einigen Feministinnen abgelehnt.15 Sie erklärten, die Vermutung, dass sich der Charakter des Militärs durch die Einbeziehung von Frauen verändern werde, sei falsch. Vielmehr würde der Militärdienst nur dazu führen, dass Frauen militarisiert und in die vorherrschende männlich dominierte Kultur integriert würden. Die Stellung von Frauen wurde in den letzten Jahrzehnten in vielen Militärs ausgebaut, sowohl was den Anteil von Frauen im Militär betrifft, als auch was die Tätigkeiten betrifft, die sie ausüben können.16

Ähnliche Diskussionen, wie über die Rolle von Frauen im Militär, gab es in anderen Ländern, die sich mit Fragen der Chancengleichheit für marginalisierte Gruppen bei den Streitkräften beschäftigten. Kürzlich wurde in den USA die Rolle der trans*-Menschen im Militär heftig diskutiert. Während einige den vorgeschlagenen Ausschluss von trans*-Menschen vor allem als eine andere Form von Diskriminierung und Anderssein interpretierten, haben andere argumentiert, dass Trumps Position zwar ein Angriff darstelle, die Gemeinschaft der trans*-Menschen sich aber nicht zu einem Hebel machen lassen sollte, „den US-Militarismus und Imperialismus zu unterstützen“. Es sei vielmehr notwendig, eine „Politik zu kritisieren, die einzelne trans*-Menschen herausgreift und angreift, weil sie sich weigern, das US-Militär zu unterstützen oder abzufeiern“17.

Diese Kontroverse entstand nur wenige Jahre nach der Abschaffung der berüchtigten Politik des „Frage nicht, sage nichts“, mit der LGBTQ*-Menschen in den US-Streitkräften zum Schweigen gebracht wurden. Ihre Abschaffung wurde als Wendepunkt in der Geschichte der Rechte der Homosexuellen propagiert. Andere hatten dieses Kampagnenziel in Frage gestellt und gesagt, dass Queers stattdessen die Abschaffung einer Institution fordern sollten, die „militaristisch, männerbestimmt und homophob“ ist, statt die Einbeziehung neuer Gruppen zu fordern.

Auch Religion ist ein Grund, von der Ableistung der Wehrpflicht ausgenommen zu werden. Gegenwärtig kämpft die ultra-orthodoxe Gemeinschaft in Israel darum, ihr Recht zu behalten, als Gruppe von der Wehrpflicht ausgenommen zu sein. Ihre Opposition gegen den Militärdienst beruht nicht auf einer Haltung gegen Krieg. Aber als WRI sehen wir das als „ein weiteres Beispiel des israelischen Militärs, zu versuchen, eine weitere Gruppe der Gesellschaft zu militarisieren und deren Einbeziehung in das Militär zu einem Zeichen der Gleichheit und Staatsbürgerschaft zu machen“18. Deshalb unterstützen wir im Grundsatz ihren Kampf, sich der Wehrpflicht zu entziehen.

Unterdessen hat Russland die Zeugen Jehovas verboten, mit der Begründung, sie seien „Extremisten“. Damit sind junge Zeugen Jehovas gefährdet. Zuvor bedeutete ihre Mitgliedschaft in dieser Religionsgemeinschaft, dass sie ohne weiteres die Erlaubnis erhielten, einen alternativen Dienst abzuleisten. Nun haben Einberufungsbüros mehreren Wehrpflichtigen die Möglichkeit der Ableistung eines alternativen Dienstes verwehrt.19

Da die Wehrpflicht in einigen Staaten zum ersten Mal eingeführt wird, wird die Einbeziehung oder der Ausschluss von marginalisierten Gruppen  zu einem umstrittenen Thema werden. Die Ableistung des Dienstes könnte nach und nach angesehen werden als eine Voraussetzung für die Respektierung einer Person oder sogar die Staatsbürgerschaft. Es ist eine Hürde, die überwunden werden muss. Für ungleiche Gesellschaften ist es eine Möglichkeit zu behaupten, dass sie alle Gruppen gleich behandeln würden – einer falschen „Gleichheit im Militär“ – die bezüglich der Anwerbung von Queer-Menschen auch als „Pinkwashing“ bezeichnet wird, ein Verfahren, das insbesondere in Israel entwickelt wurde.

Kehrtwendung nach rechts

Die Drohung mit der Wehrpflicht wird immer noch von Rechten im Kontext einer erweiterten politischen Agenda benutzt. In vielen Zusammenhängen wird die Wehrpflicht als Mittel zur Disziplinierung gesehen. Junge Menschen sollen durch das Gehorchen von Befehlen und harter Arbeit zu „guten Staatsbürgern“ geformt werden. Oft wird nach moralischer Panikmache angeführt, dass sie eine Lösung gegen Arbeitslosigkeit, Hedonismus und Apathie der jungen Generation sei. So wie es ein Aktivist aus Thailand letztes Jahr mir gegenüber sagte: „Die Wehrpflicht ist ein Mittel Gehorsam herzustellen.“

Kürzlich wurden in Kroatien Gerüchte über eine politische Änderung verbreitet, als die Koalitionsregierung durch die Finanzlage unter Druck geriet. Neben der Erhöhung der Mannstärke wurde die Wehrpflicht als eine Methode präsentiert, das Land zusammenzubringen: „Ich setze mich für die Wehrpflicht ein, damit es keine Trennung mehr zwischen Nord- und Südkroatien gibt“20, sagte ein Mitglied der konservativen Demokratischen Union Kroatiens. Die Entwicklung zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ist bislang stecken geblieben. (Siehe Informationen des Centre for Peace Studies).

Was bedeutet das für uns?

Wie Hans Lammerant in seinem hervorragenden Artikel „Das Ende der Wehrpflicht und die Transformation zum Krieg“ aus dem Jahr 2013 argumentierte, reduzierte ein ferngesteuerter Krieg und das Ende des Kalten Krieges die Notwendigkeit, Armeen mit großen Bodentruppen in Europa bereitzuhalten. Die Militärs wurden jetzt eher bei Stellvertreterkriegen und „humanitären Interventionen“ eingesetzt, die von „schlanken und mobilen Armeen mit gut-ausgebildeten Soldaten“ durchgeführt werden. Einige europäische Nationen – vor allem solche wie Schweden, die ihre Ränge der neuen professionellen Armeen nicht mit Freiwilligen füllen konnten – widersetzen sich diesem Trend. Anderswo in Europa, in Finnland, wird an der Wehrpflicht festgehalten und es werden Totalverweigerer inhaftiert. In Österreich ergab ein 2013 durchgeführtes Referendum, dass die Wehrpflicht fortgeführt wird.21

In anderen Regionen, wo sich die Länder historisch auf kleine, professionelle Armeen stützten, diktieren die Ambitionen einiger Staaten die Wehrpflicht, so im Golf, wo wir eigentlich dachten, dass sie davon frei wären.

Während die Regierungen verschiedene Motivationen haben, die Armeen mit Wehrpflichtigen zu füllen, ist es klar, dass sich weltweit gesehen das Bild sehr viel differenzierter darstellt, als wir das für das erste Jahrzehnt in diesem Jahrhundert feststellen konnten: Dass die Wehrpflicht nach und nach abgeschafft wird. Es ist wichtig, dass Regierungen bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht auch Regelungen für Kriegsdienstverweigerer vorsehen. Diese Regelungen sollten mindestens so stabil sein, wie sie es ursprünglich vor der Abschaffung der Wehrpflicht waren, oder noch weitreichender. Jede Form eines von den Regierungen angebotenen Ersatzdienstes für den Militärdienst sollte mit den Gründen für die Verweigerung in Einklang stehen, uneingeschränkt ziviler Natur sein und im öffentlichen Interesse stehen. Er darf keinen Strafcharakter aufweisen, weder bezüglich der Dauer noch der Art des Dienstes. Mehr noch: Das internationale Recht sieht den alternativen Dienst nicht als zwingend an.22 Folglich können sich Regierungen mit einer Wehrpflichtigenarmee einfach dazu entscheiden, Kriegsdienstverweigerer gehen zu lassen, wie es in Norwegen seit 2011 der Fall ist.23

Diejenigen von uns, die die Existenz von bewaffneten Streitkräften generell ablehnen – nicht nur ein Militär, das Menschen zwangsweise einberuft – werden nicht mit einem Recht für Kriegsdienstverweigerer zufrieden sein, das einen Ersatzdienst vorsieht. Wir wollen nicht nur einfach selbst nicht im Militär sein – wir wollen, dass niemand dort ist. Wir müssen uns an die Lektionen erinnern, die andere in ihren Auseinandersetzungen mit den Regierungen und Armee in der Vergangenheit lernten, als sie sich die Macht zurückeroberten. Das sind z.B. die Insumísio, eine Bewegung der 1980er und 90er Jahre, die Tausende von jungen Menschen in Spanien befähigte, sich vom Militärdienst freizumachen. Das half die Wehrpflicht nach 230 Jahren zu beenden. Ihr Ziel war es, die Wehrpflicht unausführbar zu machen und sie darüber abzuschaffen, aber auch, die „Verteidigungs“-politik nach der Wehrpflicht zu beeinflussen und schließlich auch das spanische Militär abzuschaffen.24 Die Gegenwart sollte angesichts der Rückschritte nicht zur Depression verleiten, sondern sollte dazu dienen, enger zusammenzuarbeiten und von den Erfahrungen der anderen zu lernen.

Darüber hinaus bedeutet mehr Wehrpflicht auch mehr Kriegsdienstverweigerer. Das Netzwerk von War Resisters‘ International besteht, um Pazifismus und Kriegsdienstverweigerer weltweit zu unterstützen. Seit fast 100 Jahren sind Gruppen unserem Netzwerk beigetreten und haben internationale Solidarität erhalten. Wir hoffen, weitere Gruppen von Kriegsdienstverweigerern unterstützen zu können, die in Staaten mit neu eingeführter Wehrpflicht entstehen. Wir sind bestrebt, Verbindungen in die Länder herzustellen, in denen zum ersten Mal eine Wehrpflicht eingeführt wird. Militarismus ist vielleicht am greifbarsten in Staaten, wo von jungen Menschen selbstverständlich erwartet wird zur Armee zu gehen. Die Vorbereitung auf den Krieg wird in jedem Haus und jeder Schule deutlich sichtbar. Und solche Milieus erzeugen oft oppositionelle Bewegungen.

Fußnoten

1 Darunter Argentinien, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Lettland, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Siehe ‘Conscientious Objection in History’, in Conscientious Objection: A Practical Companion for  Movements.

2 Siehe War Resisters’ International, 28. August 2014, Conscription begins in UAE

3 Siehe War Resisters’ International, 7. Oktober 2017, Kuwait: Compulsory military service reintroduced

4 Siehe Doha News, 2. August 2015, Qatar’s national service program puts new emphasis on military training

5 Siehe Gulf State News, 25. März 2014, Qatar: Stiff penalties for dodging conscription 

6 From the Stockholm International Peace Research Institute, 22. Februar 2017, The state of major arms transfers in 8 graphics

7 War Resisters’ International, 22. Februar 2016, Syria: citizens conscripted after arrest, children recruited

8 Estonian World, 3. Oktober 2017, More women to be allowed to serve in the Estonian military

9 Deutsche Welle, 8. Juni 2017, Syrian refugees escaping military conscription face uncertain fate upon return

10 The Guardian, 1. Mai 2014, Ukraine reintroduces conscription to counter threat of pro-Russia separatists .

11 Connection e.V. 18.11.2017, Criminal proceedings against Ukrainian conscientious objector and journalist may be resumed

12 The Independent, 2. März 2017, Sweden brings back military conscription in face of growing Russia threat

13 Oppositionskampagnen wurden gestartet, darunter Stop Aurora http://stoppaaurora.se/om-oss/

14 Reuters, 16. August 2017, Sweden to raise military budget by SEK 8 billion through 2020

15 Darunter Norwegian Association for Women’s Rights (Norsk Kvinnesaksforening, NKF, the Norwegian Section of the International Alliance of Women, IAW) and the Norwegian Section of Women’s International League for Peace and Freedom, WILPF. Hier ihre Erklärungen.

16 Z.B. kürzlich in Südkorea: South Korea Herald, Korea to expand women's role in military

17 Siehe No Justice, No Pride, 26. Juli 2017, Trans Liberation, Not US Militarism: Selective Outrage Over Trans Military Ban Obscures Larger Failures to Support Trans Communities

18 Ein Zitat von Sergeiy Sandler, WRI Vorstandsmitglied und Aktivist bei New Profile in Israel. Siehe War Resisters’ International, 29. August 2014, Palestinian Druze, reservists, conscripts and ultra-Orthodox refuse; Israel attempts to draw in more groups to the military

19 War Resisters’ International, 20. Dezember 2017, Problems with alternative service for Jehovah's Witnesses after ban

20 Siehe Total Croatia News, 24. Februar 2016, Croatian Ruling Coalition Wants to Reintroduce Military Conscription

21 Es wurde behauptet, dass viele für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht stimmten, weil sie befürchteten, dass Organisationen wie das Rote Kreuz, die von der Arbeit der Ersatzdienstleistenden profitieren, bei einer Abschaffung der Wehrpflicht in Leidenschaft gezogen würden. Siehe War Resisters’ International, 20. Februar 2013, Austria votes to keep conscription

22 Quaker United Nations Office, Januar 2015, International Standards on Conscientious Objection to Military Service

23 War Resisters’ International, 10. August 2011, Norway: end of substitute service for conscientious objectors

24 Siehe Rafael Ajangiz, 1. Januar 2001, Empowerment for demilitarisation

 

Hannah Brock ist bei War Resisters‘ International für das Programm Right to Refuse to Kill verantwortlich. Sie arbeitet weltweit mit Bewegungen gegen Wehrpflicht und für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zusammen.

Hannah Brock: The return to conscription? 23. Januar 2018. Übersetzung: rf. Quelle: https://www.wri-irg.org/en/story/2018/return-conscription. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2018

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