Syrien: Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutz?
(14.02.2018) Bei syrischen Militärdienstflüchtlingen und Deserteuren wird zwar in aller Regel ein Schutz gewährt, aber zunehmend ein Schutz minderer Qualität. Aus der Geschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Januar 2018 ist zu entnehmen, dass nur noch bei 39,6% der Entscheidungen eine Flüchtlingsanerkennung erfolgt, bei 59,0% hingegen subsidiärer Schutz festgestellt wird. 0,4% werden abgelehnt.
Wer subsidiären Schutz erhält, hat zunächst nur eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis. Seit Inkrafttreten des Asylpakets II gibt es auch noch einen weiteren Unterschied zum GFK-Schutz, so Pro Asyl zu diesem Thema: „Im März 2016 wurde entschieden, dass der Familiennachzug für subsidiär Geschützte für die ersten zwei Jahre ausgesetzt wird. Im Jahr 2015 betraf das gerade mal 0,7 Prozent aller Asylantragsteller. Pro Asyl warnte bereits damals, dass dahinter eine politische Absicht steckt: Zunächst den Familiennachzug für subsidiär Geschützte beschränken, um danach sukzessive so vielen Asylsuchenden wie möglich nur noch diesen Status zuzuteilen.“1
Die Entwicklung spiegelt das wider, übrigens auch zu Eritrea, Irak & Afghanistan. Schon seit mehreren Monaten liegen die Verfahren auch den Oberverwaltungsgerichten der Länder vor. Und diese übernehmen zum Teil die willfährige Politik. So hat das OVG in Münster am 7. Februar 2018 erneut entschieden, dass im Fall eines syrischen Kriegsdienstverweigerers ein voller Flüchtlingsschutz abgelehnt wird.2
Andere Oberverwaltungsgerichte kommen bei ähnlicher Sachlage zu einer anderen Einschätzung. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht erklärte zu einer Entscheidung vom 7. Februar 2018:
„Der 5. Senat hat gestern in mehreren Fällen entschieden, dass Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht als Wehrpflichtige oder Reservisten dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus haben. Anders als der subsidiäre Schutz setzt die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus voraus, dass die Betroffenen nicht nur mit staatlichen Verfolgungshandlungen (z.B. Folter) rechnen müssen, sondern dass gerade aufgrund eines bestimmten Verfolgungsgrundes die staatlichen Verfolgungshandlungen drohen. Dies haben die Verwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt.
Wehrpflichtigen Flüchtlingen aus Syrien (droht) im Falle ihrer Rückkehr politische Verfolgung, weil die syrischen Behörden diesen nach den aktuellen Auskünften zur Lage in Syrien eine regimefeindliche Gesinnung unterstellen und sie deshalb nach einem ‚Freund-Feind-Schema‘ als Oppositionelle behandeln.
Die Frage, ob Flüchtlinge aus Syrien, die sich durch ihre Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ haben, ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Bundesländer umstritten. Drei dieser Gerichte vertreten die jetzt vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung, vier die gegenteilige Ansicht.“3
Festzustellen bleibt, dass juristische Entscheidungen sehr wohl politischen Charakter haben und einige der Oberverwaltungsgerichte den politischen Vorgaben der Bundesregierung folgen.
Festzustellen bleibt leider auch: Trotz positiver Entscheidungen wird an dem Grundsatz, dass die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerung und Desertion kein Asylgrund sei, festgehalten. Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht kommt nur aufgrund einer expliziten politischen Verfolgung der Verweigerer zu dem Schluss, Flüchtlingsschutz zu gewähren.
Notwendig wäre es hingegen, Deserteure und Kriegsdienstverweigerer als „soziale Gruppe“ im Sinne der Genfer Konvention anzusehen. Frauen und Männer, die sich dem Kriegsdienst entziehen oder verweigern und daher Verfolgung in welcher Form auch immer zu befürchten haben, werden von den jeweiligen Staaten gerade wegen ihrer Entscheidung zur Verweigerung verfolgt. Entscheidend ist dabei nicht, welche Motive für ihre Tat vorliegen. Allein die Tat selbst wird als den Zielen staatlichen Handelns entgegen gerichtet angesehen. Zudem werden sie nicht nur vom Staat und Militär, sondern auch von der Gesellschaft als eine Gruppe von Personen angesehen, die sich der Kriegspolitik des Staates entgegenstellen.
Daraus folgt, dass sie allein schon vom Grundsatz her als soziale Gruppe im Sinne der Genfer Konvention anzusehen sind. Gestützt wird diese Auffassung auch vom UNHCR, das ausführt, dass auch Militärdienstentzieher oder Deserteure „eine soziale Gruppe sein können, da sie ein unabänderliches gemeinsames Merkmal aufweisen.“4
Und nicht zuletzt: Ihre Anerkennung wäre auch ein entscheidender Schritt, um die Opposition gegen den Krieg zu stärken.
Fußnoten
1 Pro Asyl: Immer weniger Flüchtlingsschutz für Menschen aus Syrien, Eritrea, Irak & Afghanistan. 14.8.2016
2 MiGAZIN: Voller Flüchtlingsschutz für Syrer abgelehnt. 9. Februar 2018
3 Sächsisches Oberverwaltungsgericht: Medieninformation 4/18. 8. Februar 2018
4 12.11.2014 - HCR/GIP/13/10/Corr. 1
Rudi Friedrich: Syrien - Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutz? 14. Februar 2018. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2018.
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