Turkmenistan

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Turkmenistan: Zweite Verurteilung eines Kriegsdienstverweigerers im Jahr 2019

von Felix Corley

(03.06.2019) Ein weiterer Kriegsdienstverweigerer wurde in Turkmenistan inhaftiert. Ein Gericht in der im Südosten gelegenen Stadt Bayramaly verurteilte den 23-jährigen Muhammetali Saparmyradov im März zu einer einjährigen Haftstrafe. Er ist der zweite bekannte Verweigerer, der 2019 verurteilt wurde und befindet sich nun wie elf weitere im Arbeitslager Seydi. Alle Kriegsdienstverweigerer wurden zu ein oder zwei Jahren Haft verurteilt. Sie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt und gehören den Zeugen Jehovahs an.

Turkmenistan bietet für Kriegsdienstverweigerer keinen alternativen Dienst an. Die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hatten die Regierung wiederholt dazu aufgefordert, solch eine Alternative einzuführen.

Turkmenistan hat auch elf Entscheidungen des UN-Menschenrechtskomitees ignoriert, die letzte erging im April dieses Jahres. Alle sehen die Verurteilung von Kriegsdienstverweigerern als Verletzung ihrer Rechte an.

Forum 18 erreichte am 3. Juni den Diensthabenden des Arbeitslagers Seydi. Er war aber nicht bereit, über die Haftbedingungen der Gewissensgefangenen zu reden.

Kriegsdienstverweigerer in Bayramaly verurteilt

Muhammetali Charygeldiyevich Saparmyradov wurde am 11. November 1995 geboren. Er gehört den Zeugen Jehovahs in Bayramaly in der Region Mary an, im Osten der Hauptstadt Ashgabad gelegen. Er verweigerte die Einberufung zum Militärdienst.

Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin ein Verfahren nach Artikel 219 Absatz 1 des Strafgesetzbuches (Verweigerung der Einberufung). Sie übergab den Fall dem Stadtgericht in Bayramaly. Am 19. März 2019 verurteilte ihn dort der Richter zu einem Jahr Arbeitslager, so die Zeugen Jehovahs. Da er sich nicht in Untersuchungshaft befand, wurde er noch im Gerichtssaal festgenommen. Saparmyradov und seine Mutter entschieden, nicht in Berufung zu gehen.

Die Behörden überstellten daraufhin Saparmyradov in das Arbeitslager Seydi in der Region Lebap, um die Haft anzutreten. Viele andere Gewissensgefangene werden dort festgehalten. Es wird berichtet, dass dort regelmäßig gefoltert und Gefangenen die Religionsfreiheit und andere Rechte entzogen werden.

Keine Amnestie für Gewissensgefangene

Am 29. Mai 2019 hatte Präsident Gurbanguly Berdymukhamedov mit einem Erlass 764 Gefangene amnestiert, wie die Website der Regierung am selben Tag verkündete. Eine Bedingung war, dass die Gefangenen ihre Tat bereuen. Keiner der Kriegsdienstverweigerer wurde amnestiert, berichteten die Zeugen Jehovahs.

Kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung

Trotz wiederholter Aufforderungen der Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bietet Turkmenistan keine Möglichkeit an einen alternativen Dienst abzuleisten. Männer sind wehrpflichtig und haben einen in der Regel zweijährigen Dienst im Alter zwischen 18 und 27 Jahren abzuleisten. Im Frühjahr und Herbst werden jeweils Einberufungen durchgeführt.

Junge Männer, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern, sehen sich der Strafverfolgung nach Artikel 219 Absatz 1 des Strafgesetzbuches ausgesetzt. Damit wird die Verweigerung des Militärdienstes in Friedenszeiten mit bis zu zwei Jahren Haft oder zwei Jahren Arbeitslager bewehrt.

Seit 2014 verurteilen die Gerichte Kriegsdienstverweigerer zu Strafarbeiten oder Bewährungsstrafen, statt sie ins Gefängnis zu schicken. Mit zwei Verurteilungen im Januar 2018 wurde jedoch die Praxis der Verurteilung zu Haftstrafen wieder aufgenommen.

Regierung weist Forderung der Vereinten Nationen auf Alternativdienst zurück

In einer am 4. April 2019 veröffentlichten Entscheidung stellte das Menschenrechtskomitees der Vereinten Nationen fest, dass die turkmenische Regierung das Recht des Zeugen Jehovah und Kriegsdienstverweigerers Arslan Dawletov verletzt habe durch eine Verurteilung zu einer 18-monatigen Haftstrafe im Dezember 2012. Das Komitee bemängelte zudem, dass Turkmenistan entgegen seiner Verpflichtung nicht auf die Fragen zum Fall eingegangen sei.

Die Entscheidung zum Fall Dawletow war die 11. Entscheidung des Menschenrechtskomitee, die Turkmenistan wegen Inhaftierung von den Kriegsdienst verweigernden Zeugen Jehovahs verurteilte. Weitere vier Verfahren von Kriegsdienstverweigerern sind noch anhängig.

In einer weiteren Entscheidung im April 2019 erinnerte das Menschenrechtskomitee Turkmenistan daran, dass es verpflichtet ist, benannte Gewissensgefangene zu entschädigen und die Vorstrafen zu löschen. „Der Staat ist auch dazu verpflichtet“, ähnliche Verurteilungen zu vermeiden, so der Wortlaut in beiden Entscheidungen. Beide Entscheidungen des Menschenrechtskomitees wurden von Turkmenistan ignoriert, wie es auch schon in der Vergangenheit geschehen ist.

Gegenüber Forum 18 bestand im Mai ein Vertreter der Abteilung für Internationale Organisationen des Außenministeriums darauf, dass das Außenministerium mit dem UN-Menschenrechtskomitee arbeite. Auf die Frage, welche Antwort auf die Entscheidungen gegeben werde, verweigerte er sich einer Antwort und legte auf.

Liste der bekannten Kriegsdienstverweigerer

Es sind derzeit zwölf Kriegsdienstverweigerer bekannt, die nach Artikel 219 Absatz 1 Gefängnisstrafen verbüßen. Alle gehören den Zeugen Jehovas an und befinden sich im Arbeitslager in Seydi:

Die Adresse des Arbeitslagers Seydi:
746222 Lebap velayat
Seydi
uchr. LB-K/12
Turkmenistan

1) Mekan Orazdurdiyevich Annayev, geboren am 22. Juni 1999, wurde am 26. Juni 2018 vom Stadtgericht Turkmenbashi zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

2) Ikhlosbek Valijon oglu Rozmetov, geboren am 26. November 1997, wurde am 11. Juli 2018 vom Bezirksgericht Gurbansoltan Eje zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Seine Berufung wurde am 23. Juli 2018 vom Regionalgericht Dashoguz abgelehnt.

3) Veniamin Muslimovich Genjiyev, geboren am 12. Mai 2000, wurde am 17. Juli 2018 vom Bezirksgericht Danew zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

4) Maksat Jumadurdiyevich Jumadurdiyev, geboren am 15. Mai 2000, wurde am 17. Juli 2018 vom Bezirksgericht Danew zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

5) Isa Muslimovich Sayayev, geboren am 9. August 1994, wurde am 9. August 2018 vom Stadtgericht Koneurgench zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Die Berufung wurde am 11. September 2018 vom Regionalgericht Lebap abgewiesen.

6) Ruslan Khadynyaz oglu Artykmuradov, geboren am 24. Mai 2000, wurde am 13. August 2018 vom Bezirksgericht Sayat zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Die Berufung wurde am 11. September 2018 vom Regionalgericht in Lebap abgewiesen.

7) Sokhbet Rejepmyradovich Agamyradov, geboren am 4. Januar 2000, wurde am 27. August 2018 vom Stadtgericht Mary zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte beim Regionalgericht Mary Berufung ein, das diese jedoch abwies.

8) Serdar Annamyradovich Atayev, geboren am 9. Juni 2000, wurde am 28. August 2018 vom Stadtgericht Mary zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte beim Regionalgericht Mary Berufung ein, das diese jedoch abwies.

9) Gurbangylych Dovletovich Muhammetgulyyev, geboren am 15. März 2000, wurde am 28. November 2018 vom Stadtgericht Mary zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

10) Eziz Atabayev, geboren am 15. März 1998, wurde am 19. Dezember 2018 vom Stadtgericht Dashoguz zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt. Die Berufung wurde vom Bezirksgericht Dashoguz abgewiesen.

11) Azamatjan Narkulyev, geboren am 9. November 2000, wurde am 7. Januar 2019 vom Bezirksgericht Danew zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

12) Muhammetali Charygeldiyevich Saparmyradov, geboren am 11. November 1995, wurde am 19. März 2019 vom Stadtgericht Bayramaly zu einem Jahr Arbeitslager verurteilt. Er legte keine Berufung ein.

Felix Corley: Turkmenistan – Second 2019 conscientious objector jailing. 3. Juni 2019. Auszüge. Übersetzung: rf

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