Emanuel Matondo - Bewegungsarbeiter

Emanuel Matondo - Bewegungsarbeiter

Wie Korruption und Betrug der ewigen Regierenden das reiche Land in den Ruin getrieben haben

von Emanuel Matondo

Wenn Angola ein Unternehmen wäre, dann hätte seine Führung längst Insolvenz anmelden und es einem Verwalter übergeben müssen, der dann entscheidet: Sanierung oder Liquidierung. Aber weil es sich eben nicht um ein Unternehmen handelt, sondern um einen Staat mit gigantischen natürlichen Ressourcen und etwa 35 Millionen Menschen, käme nur eine Sanierung in Frage.

Nach fast 48 Jahren Alleinherrschaft hat sich die Regierungspartei MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola, Volksbewegung zur Befreiung Angolas), einst marxistisch-leninistisch orientiert und jahrelang von manchen Linken im Westen als „progressive Bewegung“ gefeiert, jedoch längst als korrupt und demokratiefeindlich erwiesen.

Ob die Familie von Agostinho Neto, dem ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit, die Familie seines Nachfolgers José Eduardo dos Santos oder die des jetzigen Präsidenten João Lourenço, alle haben über Jahre hinweg Milliarden aus Ressourcenverkäufen geplündert und auf eigenen Konten oder denen ihrer Freunde im Ausland deponiert. So haben sich sowohl die Mitglieder dieser drei Präsidentenfamilien als auch andere einflussreiche Persönlichkeiten der MPLA auf Kosten von Millionen Angolaner*innen bereichert, in Komplizenschaft mit den alten Kolonialmächten. Heute kann Angola weder seine Kinder ernähren noch die Beamtengehälter oder seine Schulden bezahlen. Gehen Menschen auf die Straße, um gegen den Hunger zu protestieren oder die Auszahlung ihrer Gehälter zu fordern, setzt die Regierung auf massive polizeiliche Repression.

Trotz allem sieht sich die MPLA immer noch als die einzige Partei, die das Land führen kann; darum organisiert sie einen Wahlbetrug nach dem anderen. Dabei hätte die MPLA mit freien, fairen und transparenten Wahlen die Möglichkeit, sich ehrenhaft aus der Regierung zurückzuziehen. Stattdessen verkamen die letzten drei Urnengänge von 2012, 2017 und 2022 wie in vielen Ländern des Kontinents zu Veranstaltungen für die Legitimierung der Diktatur. Man sollte sich daher nicht wundern, dass es so zu vielen Staatsstreichen kommt. Die Menschen in Angola und vielerorts auf dem Kontinent haben die korrupten Regierungen satt, die sich mit allen Mitteln an der Macht halten wollen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch die unzufriedenen Angehörigen des Repressionsapparats gegen ihre Befehlshaber rebellieren.

Denn auch Polizist*innen, Soldaten und die Angestellten des öffentlichen Dienstes in Angola haben Hunger, weil ihre Gehälter über Monate hinweg nicht ausgezahlt werden. Bisher protestierten die Angehörigen des Repressionsapparates Angolas noch friedlich, aber wie lange noch? Von außen betrachtet scheint die Lage zwar ruhig zu sein, aber immer wieder kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Symbole der MPLA. Gebäude der Regierungspartei werden regelmäßig attackiert oder geplündert und in Brand gesetzt. Das weit verbreitete Motto in Angola lautet: „48 Jahre sind genug!“.

Mitte November 2020 schrieb ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen dem angolanischen Generalstaatsanwalt General Hélder Pitta Grós. Darin forderten sie „die Einleitung von Verfahren zur Ermittlung der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die illegale Bereicherung führenden Beamter“. Die Petitionäre forderten weiterhin, „die Verbrechen zu untersuchen, die von der MPLA-Führung unter José Eduardo dos Santos praktiziert wurden“, der die Politik der primitiven Kapitalakkumulation institutionalisierte. Nach ihren Bewertungen kamen sie zu der Erkenntnis, dass „die angolanische Regierungspartei MPLA eine kriminelle Vereinigung ist“. Außerdem veröffentlichten die Initiator*innen der Petition einen Aufruf zu Massenprotesten in Angola am 21. November 2020, dem viele Menschen folgten.

Die zunehmende Gewalt seitens der Regierung tut den Protesten keinen Abbruch. 2022 verzeichnete Angola die größte Anzahl von Protestdemonstrationen landesweit. Am 1. März 2023 veranstalteten fast hundert angolanische Richter*innen und Staatsanwält*innen einen etwa dreißigminütigen stillen Protest, um Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen von Justizbeamten zu fordern. Der Präsident der Richter-Vereinigung AJA (Associação dos Juízes de Angola) erklärte, Angola brauche eine unabhängige Justiz und starke Institutionen. Gerechtigkeit sei Handeln, nicht reden. In einem vertraulichen Bericht an Präsident João Lourenço, bekannt geworden im Juni 2023, kam der Generalstaatsanwalt zu der Schlussfolgerung: „Die angolanische Justiz ist korrupt“.

Ende Mai 2023 protestierten Straßenhändlerinnen, bekannt als „Zungueiras“, gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die Repression, der sie täglich überall im Land seitens der Polizei, der staatlichen Sicherheitsorgane und der Verwaltung ausgesetzt sind. Dabei wollten die Straßenhändler*innen bis zum Verwaltungspalast des Präsidenten marschieren. Der Protest wurde jedoch von der Polizei gestoppt und aufgelöst.

Am 17. Juni 2023 kam es zu großen landesweiten Protestdemonstrationen in Angola. Obwohl diese dem Gesetz nach ordnungsgemäß waren, mobilisierte die Regierung eine massive Polizeipräsenz. Im Laufe der Demonstrationen griffen Sicherheitskräfte die friedlich Protestierenden an und setzten scharfe Munition sowie Tränengas ein, auch gegen unbeteiligte Minderjährige. Über die Zahl der Toten wird bis heute ebenso gestritten wie über die Menge derer, die spurlos verschwanden.

Auch über die ausländischen Lieferanten von Rüstungsgütern an Angola wird jetzt in vielen Kreisen diskutiert, ob über die brasilianischen Tränengas- und Waffenhersteller Condor bzw. Taurus oder spanische Firmen, deren Produkte gut dokumentiert oft gegen friedlich Protestierende in Angola zum Einsatz kommen, über Südafrika als Lieferant von gepanzerten Truppentransportern für Anti-Demo-Sondereinheiten oder über deutsche Überwachungssysteme für die Geheimdienste. Dabei verstoßen Deutschland, Spanien, Frankreich und andere Waffenlieferanten der EU gegen ihre eigene Gesetze über den Export von Rüstungsgütern. Aber seit wann hält sich der Westen an seine Prinzipien? Wenn es um große Geschäfte geht, auf jeden Fall nicht. Das wird auch im Fall Angola wieder einmal klar.

Emanuel Matondo: Angola - Wie Korruption und Betrug der ewigen Regierenden das reiche Land in den Ruin getrieben haben. Veröffentlicht im Afrika-Magazin LoNam, Oktober-November 2023. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2023

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