Aktionstag der #ObjectWarCampaign zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung

Interview mit Rudi Friedrich, Connection e.V.

Am diesjährigen Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung haben 30 Organisationen aus Europa zum Schutz für alle Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine aufgerufen. Gemeinsam mit den Organisatoren der #ObjectWarCampaign ist Connection e.V. am 15. Mai 2023 nach Berlin gereist, um an einer zentralen Aktion vor der Vertretung der Europäischen Kommission am Brandenburger Tor teilzunehmen. Die Aktion wurde mit Veranstaltungen in anderen Städten abgestimmt. In einem Interview berichtet Rudi Friedrich, Geschäftsführer von Connection e.V., über den diesjährigen Aktionstag und Neuigkeiten zur #ObjectWarCampaign (d. Red.).

Kannst du zunächst etwas zum Hintergrund des Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai erzählen?

Gerne. Vor etwa 40 Jahren, 1985, fanden am Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung weltweit Aktionen und Veranstaltungen statt. Es war die Entscheidung eines internationalen Treffens zur Kriegsdienstverweigerung, diesen Tag dafür auszuwählen. Und über die Jahrzehnte hinweg ist er ein wichtiger Tag für die internationale Bewegung zur Kriegsdienstverweigerung geworden.

Jedes Jahr finden internationale Aktionswochen rund um den 15. Mai statt, der einen der Höhepunkte der Arbeit von Kriegsdienstverweiger*innen darstellt. Welche Aktionen waren für dieses Jahr geplant?

Wir hatten geplant, am 15. Mai eine Aktion zur Übergabe der Unterschriften der #ObjectWarCampaign in Brüssel oder Berlin durchzuführen. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) – schlug uns vor, zugleich Aktionen in anderen Städten anzuregen. das wurde von uns und vielen anderen gerne aufgegriffen, sodass 30 Organisationen gemeinsam zu Veranstaltungen während der Aktionswochen aufriefen.

Am Ende gab es zur Unterstützung der Kampagne in der Tat Aktivitäten in 25 Städten, Berlin, Brüssel, London, Tampere, Rom, Stuttgart, Salzburg und Frankfurt, um nur einige zu nennen. Wir hatten dafür in der Vorbereitungsgruppe Transparente, eine Aktionszeitung, Flyer und Plakate vorbereitet und auch ein paar Aktionsformen vorgeschlagen. Insgesamt war das wirklich ein erfreuliches Zeichen für die breite Unterstützung der Verweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine.

Wie lief der Aktionstag in Berlin ab, den Connection e.V. gemeinsam mit internationalen Aktivist*innen organisiert hat?

Am Vormittag führten wir eine Aktion vor der Europäischen Kommission in Berlin durch. Deren Sitz ist gleich beim Brandenburger Tor im Zentrum der Stadt. Etwa 80 Menschen kamen. Wir konnten Olga Karatch von Nash Dom (Belarus) und Maria Alexandrova (Bewegung zur Kriegsdienstverweigerung Russland) für Redebeiträge gewinnen. Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, der ja nicht aus der Ukraine ausreisen kann, schickte uns eine Grußbotschaft. Beteiligt an der Aktion waren Organisationen wie die DFG-VK, Pax Christi, NaturFreunde, Internationale der Kriegsdienstgegner*innen, Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK), antimilitaristische aktion berlin (amab), IPPNW. Die 50.000 Unterschriften, die wir vor allem über die Plattform WeMove gesammelt hatten, packten wir in 10 Kisten und gingen dann als internationale Delegation zur Europäischen Kommission, um die Petition zu übergeben.

Am Abend hatten die DFG-VK Berlin und amab dann noch eine Veranstaltung mit den drei Sprecher*innen aus Russland, Belarus und Ukraine sowie mit mir organisiert, eine Art Talkrunde. Das war inhaltlich wirklich gut. In aller Kürze konnte die Situation der Verweigerer und Deserteure in den verschiedenen Ländern und die Arbeit der Gruppen vorgestellt werden. Mein Fokus lag auf der Frage, wie es denn mit einem asylrechtlichen Schutz für die Verweigerer aussieht. Leider konnte die Veranstaltung nur in Englisch stattfinden, was so ursprünglich nicht vorgesehen war.

Das klingt nach einem internationalen und vielseitigen Aktionstag.

Ja. Das große Interesse, auch von den Medien, war bemerkenswert. Mehrere Fernsehsender kamen zur Aktion und berichteten darüber. Viele Zeitungsberichte und Interviews erschienen.

Eine andere Besonderheit: Es war eine der seltenen Gelegenheiten, in denen Menschen aus diesen drei Ländern gemeinsam eine Veranstaltung durchführten. Allein dies ist ein wichtiges Zeichen gegen Feindschaft, Hass und Krieg.

Mit der #ObjectWarCampaign konnten knapp 50.000 Unterschriften gesammelt und an Vertreter*innen der Europäischen Kommission in Berlin übergeben werden. Ist das ein Erfolg?

Viele Organisationen beteiligten sich an dieser Kampagne, europaweit waren es etwa 100. Initiiert war die Unterschriftensammlung von Connection e.V., dem Internationalen Versöhnungsbund, der War Resisters‘ International und dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung. Einige der Gruppen sammelten wirklich eifrig auf Unterschriftenlisten und wiesen in SocialMedia-Posts immer wieder darauf hin, insbesondere in Deutschland, Spanien und Italien. Wichtig ist aber auch, dass die Plattform WeMove, auf der wir die Petition in acht Sprachen veröffentlicht hatten, in ihrem eigenen Kreis für die Unterzeichnung geworben hat. Das war wirklich eine gute Zusammenarbeit.

Wir hatten übrigens kurz vor dem 15. Mai noch alle Unterzeich­ner*innen gebeten, direkt eMails an die drei Verantwortlichen in der EU zu senden – oder auch Tweets über Twitter. Das haben fast 2.000 gemacht. So kamen die Forderungen auch noch einmal auf anderen Wegen bei der EU an.

Ich finde die Unterstützung sehr beachtlich, auch wenn es natürlich immer den Wunsch gibt, dass es doch mehr Unterschriften sein könnten. Aber das ist auch nicht alles. Es ging mit der Unterschriftensammlung auch darum, die Situation der Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in die Organisationen als Möglichkeit der Antikriegsarbeit zu tragen und darüber hinaus auch in die Öffentlichkeit zu bringen. Das ist wirklich gelungen.

Gab es bereits politische Reaktionen auf die Übergabe der Petition?

Leider nein. Wir sind – und waren auch am Rande der Aktionen in Berlin – im Gespräch mit Abgeordneten des Bundestages und des Europäischen Parlaments. Wir müssen da dran bleiben – und das heißt auch – wir müssen selbstverständlich die #ObjectWarCampaign weiterführen, auch wenn der Fokus aktuell nicht mehr auf der Unterschriftensammlung liegt.

Wie geht es nun mit der #ObjectWarCampaign weiter?

Wir werden gemeinsam mit den anderen Gruppen auf der Konferenz der War Resisters‘ International Mitte Juni 2023 in London die Gelegenheit haben, die bisherige Kampagne auszuwerten und die nächsten weiteren Schritte zu überleben.

Klar ist: Die Kampagne wird fortgeführt. Klar ist auch, dass wir die inzwischen aufgebauten Netzwerke und Strukturen zur Beratung und Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer und Deserteure weiter stärken müssen, die Anlaufstellen von Nash Dom, der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland, der russischen Organisation Vesna, der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, dem Caucasian Conscientious Objector Network. Und das alles im Verbund mit dem internationalen Netzwerk, das die Kampagne unterstützt. Wir sind viele. Wir haben klare Ziele. Wir können da noch viel erreichen. Aber wir brauchen auch weiter Unterstützung, mit Aktionen, Veranstaltungen und auch mit Spenden.

Interview mit Rudi Friedrich zur #ObjectWarCampaign. 1. Juni 2023. Die Fragen stellte Marah Frech. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2023

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