Der Prozess gegen einen Militärdienstentzieher: Der "Präzedenzfall Lida"

von Our House / Nash Dom

Am 6. Juli 2023 wurde in Lida (Gebiet Grodno) ein 28-jähriger Mann wegen Militärdienstentziehung zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Das mag unsinnig erscheinen, denn in Belarus kann man nur bis zum Alter von 27 Jahren zum obligatorischen Militärdienst einberufen werden.

Wie sich jedoch herausstellte, ist der Staat nicht einfach so bereit, Menschen gehen zu lassen, wenn er glaubt, dass sie ihm etwas schuldig sind. In diesem Fall wurde eindeutig beschlossen, einen Schauprozess zu veranstalten. Im Kern geht es darum, dass ein Einwohner von Lida (sein Name wird nicht genannt) im August 2021 vom Militärkommissariat eine Vorladung zu einer ärztlichen Untersuchung für die weitere Bearbeitung durch den Militärdienstausschuss erhielt.

Zu diesem Zeitpunkt war er 26 Jahre alt, was bedeutete, dass er nach dem Gesetz noch dem obligatorischen Militärdienst unterlag. Wie die Staatsanwaltschaft des Bezirks Lida gegenüber Journalist*innen erklärte, ging der junge Mann jedoch nach Russland, um dort zu arbeiten, anstatt in der belarussischen Armee seinen Zwangsdienst als Kanonenfutter zu verrichten.

Der Staat erwies sich jedoch als rachsüchtig, und Russland erwies sich als unzuverlässige Zuflucht. Der Militärdienstentzieher wurde auf eine internationale Fahndungsliste gesetzt, und schließlich im Januar 2023 in Russland festgenommen und an sein Heimatland ausgeliefert. Am Ende befand das Gericht des Bezirks Lida den Mann der Militärdienstentziehung (Artikel 435, Teil 1 des Strafgesetzbuchs) schuldig und verurteilte ihn zu eineinhalb Jahren Haft in einer Strafkolonie des allgemeinen Regimes.

Our House: Trial of a Draft Dodger: The “Lida Precedent”, published on July, 17, 2023, URL: https://news.house/60187. Übersetzt aus dem Englischen von Marah Frech.

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