News der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland, Juli 2023

Die Frühjahr-Sommer-Einberufung zum Militärdienst in Russland ist beendet

Es war die dritte Einberufung in Folge seit Beginn der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine. Das russische Verteidigungsministerium meldete, dass 147.000 Menschen zu den Truppen und anderen militärischen Institutionen geschickt wurden. Die Rechte von Militärdienstpflichtigen wurden weiterhin grob verletzt: Die Militärämter führten Zwangsrekrutierungen und Razzien in Studierendenwohnheimen durch und beschlagnahmten Tastentelefone auf dem Gelände des Sammelplatzes. Dieser ist der letzte Ort vor der Einberufung zur Armee. Nach russischer Gesetzgebung haben die Militärbüros keinen Rechtsanspruch darauf, Militärdienstpflichtige an das Militärbüro auszuliefern. In der Praxis wird jedoch die Polizei regelmäßig für solche Zwecke eingesetzt. Es ist schwierig, gegen solche Aktionen wirksam vorzugehen. Wenn eine Person keine*n Anwält*in oder Bevollmächtigte*n hat, ist sie gegenüber dem Staatsapparat auf sich allein gestellt.

Russisches Parlament verabschiedet neue Gesetze zur Einschränkung der Rechte von Kriegsdienstverweiger*innen

Das russische Parlament, die Duma, hat weitere Änderungen an der Militärgesetzgebung vorgenommen, welche die Situation von Kriegsdienstverweiger*innen unmittelbar verschlechtern.

Erstens wurden die Geldstrafen für Verstöße gegen das Militärgesetz geändert. Für das Nichterscheinen bei der Militärbehörde [Entziehung] wurden Geldstrafen zwischen 300 und 400 Euro eingeführt. Für das Versäumnis, dem Militärbüro aktuelle Informationen über die eigene Person wie den Arbeitsplatz, Wohnort u.Ä. mitzuteilen, werden Militärdienstpflichtige mit einer Geldstrafe in Höhe von 100 bis 200 Euro belangt. Bisher lagen die Bußgelder lediglich zwischen 5 und 30 Euro und wurden in der Praxis selten verhängt. Auch für juristische Personen sind nun Bußgelder vorgesehen: Organisationen müssen unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 4.000 Euro Informationen über alle ihre Angestellten melden. Während der Mobilisierung – die in Russland nach wie vor nicht beendet wurde – müssen Organisationen die Militärbehörden bei der Benachrichtigung von Militärdienstpflichtigen unterstützen, wobei eine Geldstrafe von bis zu 5.000 Euro droht. Zuvor sahen die Rechtsvorschriften keine Geldstrafen für juristische Personen vor.

Zweitens wurde ein Änderungsantrag angenommen, mit dem die Altersspanne beim Militärdienst geändert wird. Diese wurde von bisher 18 bis 27 Jahren auf 18 bis 30 Jahre erhöht. Dadurch können nun mehr Soldat*innen zum Militärdienst einzuberufen werden. Zuvor wollten die Abgeordneten die Untergrenze des Alter für Militärdienstpflichtige von 18 auf 21 Jahre erhöhen, ließen diese Idee aber im letzten Moment fallen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des russischen Parlaments, Andrej Kartapolow, äußerte sich dazu: „Es wurde beschlossen, die untere Grenze des Einberufungsalters bei 18 Jahren zu belassen, weil viele Jungen mit 18 Jahren zum Dienst gehen wollen. Die Änderungen werden im Jahr 2024 in Kraft treten.“

Drittens wurde die Altersgrenze für die Zugehörigkeit zur Reserve der russischen Streitkräfte geändert. Konnten bisher die meisten Männer [nach Geschlechtseintrag im Pass, Anm. Redaktion] in Russland nur bis zu einem Alter von 50 Jahren zum Kriegsdienst einberufen werden, wurde diese Grenze ab 2024 auf 55 Jahre angehoben. Es gibt keine weiteren Kriterien in der russischen Gesetzgebung, welche die Einberufung von Reservist*innen unter 55 Jahren zum Militärdienst verhindern.

Viertens stellten die Abgeordneten klar, dass Ausreisebeschränkungen sowie andere wirtschaftliche Beschränkungen wie beispielsweise das Verbot von Immobiliengeschäften oder Fahrverbote auch ohne die Einführung einer Plattform zur elektronischen Registrierung funktionieren werden. Es wird demnach möglich sein, Reisebeschränkungen auf schriftlichen Antrag des Militärbüros zu erlassen. Das Innenministerium hat seinerseits ein Verfahren entwickelt, nach dem Militärdienstpflichtigen das Führen eines Kraftfahrzeugs untersagt wird.

MCO hilft Militärdienstverweiger*innen zu einem zivilen Ersatzdienst

MCO hilft weiterhin Militärdienstpflichtigen, ihr Recht zu verteidigen und den Militärdienst durch einen zivilen Ersatzdienst zu ersetzen. Wir erzählen Euch hier die Geschichte von Kirill, der das Militäramt wegen der Verhinderung, den Militärdienst durch einen alternativen Dienst zu ersetzen, verklagte und schließlich sein Ziel erreichte. Zunächst versuchte man, Kirill wegen Verletzung der Antragsfristen abzulehnen: In Russland muss der Antrag mindestens sechs Monate vor Beginn des Militärdienstes eingereicht werden. Kirill reichte Klage ein, doch die Justizbehörden gaben dem Amt für Militärregistrierung und Rekrutierung Recht. Während der nächsten Einberufungskampagne reichte Kirill seinen Antrag rechtzeitig ein und bereitete auch andere Dokumente vor, aber das Militärbüro versuchte, ihn mit der Begründung abzulehnen, dass bereits in der vorangegangenen Periode eine negative Entscheidung über ihn getroffen worden war. Kirill legte gegen diese Ablehnung Berufung bei der Staatsanwaltschaft ein, die seiner Beschwerde stattgab. Am 5. Juli beschloss die Militärkommission schließlich, den Militärdienst durch einen zivilen Ersatzdienst zu ersetzen. Dank seines Selbstbewusstseins und seines konsequenten Eintretens für seine Position als Kriegsdienstverweigerer konnte Kirill die Einberufung in die Armee vermeiden.

MCO unterzeichnete eine Petition zur Unterstützung russischer Kriegsdienstverweiger*innen an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament

MCO unterzeichnete die Petition zur Unterstützung russischer Kriegsdienstverweiger*innen, welche an die Europäische Kommission, an das Europäische Parlament und an den Rat der Europäischen Union gerichtet ist. Mit der Petition wurden Folgendes gefordert:

  • Klärung des humanitären Status und des internationalen Schutzes von Kriegsdienstverweiger*innen;
  • Unterstützung von Organisationen, die an der Unterstützung von Kriegsdienstverweiger*innen sowie deren Evakuierung aus Russland beteiligt sind;
  • Unterstützung für außereuropäische Länder, welche die Mehrheit russischer Kriegsdienstverweiger*innen aufnehmen;
  • Vereinfachung des Verfahrens zur Erlangung von Visa und Reisedokumenten für Kriegsdienstverweiger*innen.

Im selben Monat lehnte der Nationale Asylgerichtshof Frankreich den Antrag eines russischen Soldaten mit der Begründung ab, dass das Recht auf Asyl erst nach einer erzwungenen oder freiwilligen Mobilisierung in ein Kampfgebiet bestehe. Diese Praxis führt dazu, dass eine Person zunächst zum Militärdienst eingezogen werden muss und aus eigener Kraft das Kampfgebiet verlassen muss, um einen Anspruch auf Asyl oder ein humanitäres Visum zu erhalten. Das MCO stellt gesondert fest, dass ein solches Verfahren vereinfacht werden sollte.

Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland: News Juli 2023. Versendet per E-Mail am 18. Oktober 2023. Aus dem Englischen übersetzt von Marah Frech. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2023

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