Georgien: Neue Verteidigungsrichtlinie

von Jürgen Menzel

(31.10.2023) Nach langer parlamentarischer Diskussion hat Georgien im September eine neue Verteidigungsrichtlinie verabschiedet, die die Dauer und Ausgestaltung des Militärdienstes neu regelt. Das neue Gesetz wendet sich vor allem gegen die Praxis der Girchi Partei, die es in den letzten Jahren jungen Männern ermöglicht hat, den Militärdienst zu umgehen, indem sie ihnen den Status einen Priesters verliehen haben. Dies empfanden die konservativen Parteien und die orthodoxe Kirche als einen Skandal, den sie beseitigen wollten.

Die Militärdienstpflicht besteht für junge Männer in Georgien im Alter von 18 – 27 Jahren. Rund 30.000 Soldaten dienen in der georgischen Armee und es gibt 120.000 Reservisten, die regelmäßig zu Militärübungen eingezogen werden. Jedes Jahr werden rund 4.000 junge Menschen eingezogen. Das neue Gesetz gilt ab dem 1.1.2025.

Die Dauer des obligatorischen Militärdienstes wird verkürzt. Anstatt 12 Monate zu dienen, werden die Rekruten in einem der drei folgenden kürzeren Programme dienen: 6 Monate Dienst in einer Kampfeinheit; 8 Monate Dienst in der Sicherheitsunterabteilung; 11 Monate Dienst in Junior-Kommandopositionen und vorgegebenen Spezialgebieten. Ab dem 1.1.2024 wird die Verantwortung für die Erfassung und Musterung der jungen Männer auf die Militärbehörden übertragen. Zuvor war dies in ziviler Hand bei den Regionalverwaltungen angesiedelt. Das Verfahren soll digitalisiert werden, so dass sich niemand mehr der Erfassung entziehen kann.

Es wird keine Befreiung vom Militärdienst für Studenten mehr geben. Sie sind verpflichtet an einer einmonatigen Grundausbildung in den Sommerferien teilzunehmen. Dann können sie sich über vier Jahre vom Militärdienst zurück stellen lassen, sofern sie 23 Jahre oder jünger sind. Die Gebühr für eine Zurückstellung wird von 2.000 GEL auf 10.000 GEL (rund 3.500 €) erhöht. Es ist nur noch eine einmalige Zurückstellung um ein Jahr möglich. Bisher konnte man seinen Dienst zweimal um 18 Monate zurückstellen. Dass sich die meisten jungen Männer diese Gebühr nicht mehr leisten können ist bei einem Durchschnittslohn in Georgien von rund 500 € klar. Nur noch reiche Familien können sich eine Zurückstellung erkaufen.

Eine wichtige Änderung ist auch die Abschaffung der Freistellung für Priester. Insbesondere die Girchi Partei hatte in der Vergangenheit jungen Männern die Möglichkeit hierfür gegeben. Sie gründeten kurzerhand eine religiöse Vereinigung und bildeten kleine "Gemeinden", wofür sie den jungen Männern eine Bescheinigung als Priester ausstellten. In den vergangenen Jahren konnten sich hierüber rund 3.500 Männer von der Militärdienstpflicht befreien lassen, manche Zahlen sprechen von 30.000. Girchi ist eine georgische libertäre politische Partei, die sich für individuelle Rechte und Freiheiten einsetzt und gegen die Militärdienstpflicht ausspricht. Am 11. März 2023 organisierte Girchi einen groß angelegten öffentlichen Protest gegen die Versuche der Regierung, die Militärdienstpflicht auszuweiten. Die Möglichkeit der Freistellung für Geistliche soll nun zukünftig verhindert werden. Zuerst hieß es, alle jungen Männer, die Priester seien, müssten nun zum Militärdienst. Am Runden Tisch der Religionen wurde bis zum Schluss versichert, dass dies auch für die orthodoxen Priester gelten wird und sie keine Privilegien erhalten werden. Am Ende kam dann doch die Ausnahme heraus: die georgisch-orthodoxen Priester sind weiter von der Militärdienstpflicht befreit und müssen nicht dienen. Die Geist­lichen der anderen Glaubensgemeinschaften müssen einen zivilen Ersatzdienst sofort nach Verabschiedung des Gesetzes leisten. Insbesondere Mitglieder der Zeugen Jehovas haben in der Vergangenheit aus religiösen Gründen den Militärdienst verweigert und einen Ersatzdienst geleistet. Die Dauer des Zivildienstes wird länger sein als die des Militärdienstes, 18 Monate vor dem 1. Januar 2025 und 12 Monate nach diesem Datum.

Die Ableistung eines zivilen Ersatzdienstes ersetzt die Erfüllung der Militärdienstpflicht, heißt es in dem neuen Gesetz. Personen, die den Militärdienst als Ausdruck des Rechts auf Gewissens-, Gedanken- und Religionsfreiheit verweigern, können in Friedenszeiten zum zivilen Ersatzdienst herangezogen werden. Die staatliche Kommission legt die Art und den Ort eines solchen Dienstes in Abstimmung mit den zivilen Organisationen fest. Hier soll der Wohnort berücksichtigt werden. Der Zivildienst soll dem Gemeinwohl dienen. Stellen sind im Rettungsdienst und der Feuerwehr, im Umweltbereich oder bei Bau- und Instandsetzungsfirmen, sowie in landwirtschaftlichen Betrieben. Im Sozialbereich kann dies zur Pflege von älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, Obdachlosen und anderen sozial schwachen Menschen beitragen.

Allerdings ist die Umsetzung eines zivilen Ersatzdienstes in der Praxis noch nicht erfolgt. Eine genaue Zahl der Einsatzstellen und Zivildienstleistenden ist nicht herauszufinden. Zuständig hierfür ist eigentlich das Umweltministerium, wohl im Hinblick auf Einsatzstellen im Umweltschutz. Aber es gibt weder eine Registrierung von Einsatzstellen noch eine bekannte Statistik über Zivildienstleistende. Auch über Strafverfahren gibt es keine offen bekannten Fälle. Bekannt geworden sind in erster Linie Strafen gegen Soldaten, die dem Dienst unerlaubt ferngeblieben sind. Verweigerer die einen Antrag auf einen Zivildienst gestellt haben, wurden bis jetzt nicht inhaftiert.

Jürgen Menzel: Neue Verteidigungsrichtlinie in Georgien verabschiedet. 31.10.2023. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2023

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