Abraham Mehreteab

Abraham Mehreteab

Eritreische Antimilitaristische Initiative zu Abraham Mehreteab

"Wir erinnern uns in tiefer Trauer"

(12.12.2015) Heute erinnern wir uns in tiefer Trauer an unseren geliebten Bruder, Freund und Gefährten Abraham Gebreyesus Mehreteab. Abraham verstarb am vergangenen Montag, den 7. Dezember, in Offenbach, nachdem er in ärztlicher Behandlung war.

Abraham wurde am 9. Februar 1971 in Emba Derho, einem kleinen Ort in der Nähe von Asmara, als Sohn des Vaters Gebreyesus Mehreteab und der Mutter Ametemariam Keshi Woldemichael geboren. Er wuchs bis zum Alter von 10 Jahren unter der liebenden Fürsorge seiner Eltern in Emba Derho auf.

Abraham war gerade 10 Jahre alt, als er das erste Mal unter den bitteren Konsequenzen des eritreischen Freiheitskrieges leiden musste. Eines Tages, so wie es das Schicksal vieler eritreischer Kinder dieser Zeit war, spielte er mit seinen Freunden mit einer Granate, die von äthiopischen Soldaten in der Nähe seines Ortes zurückgelassen worden war, weil er dachte, dass es ein Spielzeug sei. Die Granate explodierte, verletzte und verstümmelte seine Freunde, und nahm auch Abrahams rechte Hand sowie sein Augenlicht. Seine ganze Familie war am Boden zerstört, am meisten seine Mutter.

Kurz danach entschieden seine Mutter und Freunde, ihn auf das Abraha Bahta Internat für Blinde in Asmara zu geben, um ihm zu helfen, seine Behinderung zu überwinden. Trotz seiner schweren Behinderung dauerte es im Internat nicht lange, bis Abraham seine neue Herausforderung annahm. Er begann nicht nur mit der Schule, sondern wurde der Beste. Abraham schloss im Internat erfolgreich Grund- und Realschule ab und ging, motiviert durch die guten Ergebnisse, an das Gymnasium.

Da es dem Internat nach dem Abschluss der Realschule nicht länger möglich war, sie unterzubringen, zog Abraham zusammen mit einigen seiner Freunde aus dem Internat aus und mietete sich mit Unterstützung der Familien und einiger Missionare ein Haus. Dann begann er an seinem großen Traum zu arbeiten Rechtsanwalt zu werden. Er schloss das Gymnasium 1990 ab und machte das äthiopische Abitur mit hoher Auszeichnung. Das äthiopische Ministerium für Erziehung gab ihm die Studienerlaubnis für die Universität von Addis Abeba in Äthiopien. Während er an der Universität von Addis noch neu war, wurde Eritrea im Mai 1991 befreit. Daraufhin zog er nach Eritrea um und ging an die Universität von Asmara, um dort an der Rechtsfakultät zu studieren.

Als Student an der Universität von Asmara begann er sich in der Kampagne gegen Landminen in Eritrea und weltweit zu engagieren. Dieses Engagement eröffnete Abraham neue Möglichkeiten, Freunde zu gewinnen und internationale Beziehungen aufzubauen.

Eine seiner internationalen Freunde, Kathrin, nach der er seine erste Tochter benannte, schlug ihn für den Reebok Menschenrechtspreis vor und brachte ihn in Kontakt mit einem südafrikanischen Militärkrankenhaus um dort eine Hornhauttransplantation machen zu können. Es ging alles gut, so dass er 1997 nach einer erfolgreichen Operation sein Augenlicht teilweise wieder erhielt. Nach vielen Jahren war es Abraham wieder möglich zu sehen. Das Gefühl dieser Zeit beschrieb er so: "Es war wie eine Wiedergeburt!" 1998 schloss er den Bachelor für Rechtswissenschaften ab. Bald danach erhielt er als einer der jungen Aktivisten der Landminenkampagne den Reebok Menschenrechtspreis.

Nach seinem Abschluss erhielt er eine Stelle beim eritreischen Justizministerium. Mit Eifer und Hingabe diente er seinem Volk in der Abteilung Forschung und Entwicklung des Ministeriums. Zur gleichen Zeit gründete er in Eritrea offiziell das Netzwerk der Überlebenden von Landminen (LSN).

1999 heiratete er seine geliebte und hingebungsvolle Frau Nebiat Kifle. Zusammen sind sie mit drei Töchtern gesegnet: Katherina, Milen und Rosa.

Nicht lange nach der Gründung und dem Beginn seiner Aktivitäten im Netzwerk für die Überlebenden von Landminen, wie auch aufgrund seiner internationaler Kontakte, bedrängte ihn die PFDJ-Regierung heftig. Um sein Leben fürchtend verließ er Mitte 2000 Eritrea um an einer Konferenz in Deutschland teilzunehmen. Er entschied, nicht mehr nach Eritrea zurückzukehren, sondern an die Universität Groningen in den Niederlanden zu gehen. 2002 schloss er dort den Master in Rechtswissenschaften ab. Nach seiner Graduierung kehrte er nach Deutschland zurück und beantragte Asyl, was ihm unverzüglich gewährt wurde.

Abraham setzte seine Aktivitäten zu Landminen fort, wie auch zum Widerstand gegen Krieg, für Menschen- und Bürgerrechte, Rechtsstaatlichkeit und er unterstützte Flüchtlinge aus Eritrea. In Deutschland war er Mitbegründer der Eritreischen Antimilitaristischen Initiative (EAI) wie auch aktives Mitglied und Mitbegründer der eritreischen Bürgerbewegung Senit-Selam in Frankfurt. Zudem war einer der Mitbegründer und Koordinator des eritreischen Fernsehsenders Mestiyat in Frankfurt und Umgebung.

Abraham setzte sich unablässig ein, um eine Stimme für die Stimmlosen zu sein: "Als Eritreer sehen wir die fürchterliche Realität in unserem Land. Wir sind die einzigen, die sie verändern können. Es besteht immer noch die Chance, die unmenschliche Politik zu verändern und unseren eritreischen Mitmenschen zu helfen."

Die letzten zehn Jahre war er aktiv in der Eritreischen Antimilitaristischen Initiative. Zuletzt übersetzte er das Handbuch für Gewaltfreie Kampagnen wie auch die Broschüre Von der Diktatur zur Demokratie ins Tigrinische und verbreitete es in der eritreischen Community.

In den letzten Jahren setzte er sich auch im Rahmen der War Resisters' International für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, für gewaltfreie Strategien und die Demokratisierung eines Landes ein, das von Diktatur und Militärherrschaft geprägt ist, immer in der Hoffnung "große Veränderungen zu erreichen".

Auch wenn Abraham mit 44 Jahren aufgrund eines Gehirntumors starb, sein beharrlicher Kampf für Frieden und Menschenrechte wird uns als Vermächtnis für immer bleiben. Wir werden uns an ihn immer erinnern für seine Entschlossenheit, Hingabe, harte Arbeit und Tugendhaftigkeit.

 

Sieg den Massen! Die Gerechtigkeit wird in Eritrea siegen!

Eritreische Antimilitaristische Initiative (EAI), 12. Dezember 2015