15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

15. Mai: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

Veranstaltungsreihe zur Türkei – Ein Bericht

von Rudi Friedrich

(15.12.2013) Im November 2013 reiste Coşkun Üsterci auf Einladung von Connection e.V., dem DFG-VK Bildungswerk Hessen und amnesty international durch Deutschland und führte Veranstaltungen in elf Städten durch. Der in Izmir lebende türkische Kriegsdienstgegner und Menschenrechtsaktivist ist seit zwei Jahrzehnten in antimilitaristischen Gruppen aktiv. Er begleitet die Kampagne für die Kriegsdienstverweigerung und hat insbesondere die Lobbyarbeit der letzten Jahre koordiniert, um die längst überfällige Anerkennung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei zu erreichen. Zudem ist er Mitarbeiter der Menschenrechtsstiftung in Izmir und aktiv in der Menschenrechts- und Demokratiearbeit der Türkei.

In seinem Vortrag beschäftigte sich Coşkun Üsterci mit einigen aktuellen Entwicklungen in der Türkei: Gezi-Park-Bewegung, Menschenrechtssituation, Kriegsdienstverweigerung, Beteiligung der türkischen Regierung am Krieg in Syrien, Konflikt mit der PKK. Ihm gelang es, so die Veranstalter in Freiburg, „einen wichtigen Bogen zu schlagen, ausgehend von der Revolte auf dem Gezi-Park im Frühjahr 2013, die nicht als singuläres Ereignis zu sehen ist und an der sich ein breites Spektrum beteiligte: Frauen, Studenten, Kemalisten, Laizisten, Arbeiter, Beamte, Gewerkschaften.“

Die Menschenrechtslage ist nach wie vor dramatisch. Allein bei der Niederschlagung der Proteste um den Gezi-Park gab es, so die Menschenrechtsstiftung, sechs Tote, 8.500 Verletzte, 5.768 Personen wurden festgenommen, 195 Personen verhaftet, 126 Journalisten wurden verprügelt.

Erfreulich sei, so Coşkun Üsterci in seinem Vortrag, dass es „nach dem Aufruf des PKK-Führers Abdullah Öcalan am 21. März 2013 zu einem Waffenstillstand“ kam. „Seit ungefähr zehn Monaten stirbt in der Türkei niemand mehr aufgrund des Krieges.“ Der seit Anfang der 1980er Jahre geführte Krieg in Kurdistan forderte mehr als 40.000 Opfer, Tausende von Dörfern wurden von türkischen Sicherheitskräften zerstört, Tausende Oppositionelle kamen in Haft. Nach fast 30 Jahren begann die türkische Regierung, mit dem ehemaligen Führer der PKK und seit 1998 inhaftierten Abdullah Öcalan über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Aber von vielen Beobachtern, so Coşkun Üsterci, wird angezweifelt, ob die türkische Regierung wirklich ein ernsthaftes Interesse an einem Friedensschluss mit der PKK hat.

Die Zweifel werden auch durch das Verhalten der Türkei zum Krieg in Syrien genährt. „Eigentlich“, so der Referent, „war die Türkei von Anfang an Teil dieses Krieges. Die Oppositionellen in Syrien wurden bewaffnet, bekamen logistische Unterstützung und wurden in der Türkei versorgt. Die von den Kurden in Syrien verfolgte Politik, weder die Opposition noch die syrische Regierung zu unterstützen und die eigene Autonomie zu erklären, habe die türkische Regierung stark beunruhigt. „Der türkische Geheimdienst MİT veranlasste“, so Coskun Üsterci, „international zusammengestellte und al-Qaida nahestehenden Gruppen die syrischen Kurden anzugreifen.“

In einigen Orten legte Coşkun Üsterci den Schwerpunkt auf die Situation der Kriegsdienstverweigerer in der Türkei. „Obwohl der verfassungsgebenden Versammlung seit 2011 der Entwurf für ein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung vorliege“, so zitierte der Ev. Pressedienst (epd) im Anschluss an die Veranstaltung in Bremen Coşkun Üsterci, „sei der Vorschlag im Parlament noch nicht diskutiert worden.“ Hunderte hätten in den letzten Jahren verweigert, 750.000 gelten als Dienstflüchtige.

Ein Ziel der Veranstaltungsreihe war es, die in Deutschland lebende türkischsprachige Community zu erreichen. Hier gehen die Einschätzungen der Veranstalter und des Referenten verblüffenderweise völlig auseinander. Während Coşkun Üsterci nach der Tour berichtete: „Da ein Großteil der TeilnehmerInnen Deutsche waren, gehe ich davon aus, dass wir die türkische Community nicht erreicht haben, selbst da, wo die Veranstaltungen in Räumen türkischsprachiger Organisationen stattfanden.“ Aus Augsburg hingegen erreichte uns die Rückmeldung: „Es ist uns zum ersten Mal gelungen, die türkisch/kurdischen Freundinnen und Freunde in die immerhin schon 34. Augsburger Friedenswochen hereinzunehmen. Von den 50 Gästen waren zwei Drittel TürkInnen und Kurdinnen.“ In Mainz kam etwa die Hälfte der 48 Anwesenden aus der Türkei, darunter einige, die aus eigener Erfahrung mit der Gezi-Park-Bewegung mitdiskutierten. Möglicherweise hängt die Einschätzung mit den doch sehr unterschiedlichen Erwartungen zusammen.

In seinem Bericht zur Gezi-Park-Bewegung zeigte Coşkun Üsterci auch die Breite des Protestes auf. Ein Bild, auf dem sowohl linke Aktivisten, wie auch ein Anhänger der Grauen Wölfe, einer rechtsextremen türkischen Partei, zu sehen ist, wertete er als positives Zeichen, wie groß der Protest gegen die herrschende Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) ist. Das sahen manche Gäste der Veranstaltung anders. Sie konnten nicht erkennen, dass dies positiv sein könnte.

Dennoch bleibt als Resümee, dass Coşkun Üsterci nicht nur „die Verbindung zwischen vielen komplexen Menschenrechtsthemen in der Türkei aufzeigen konnte“, wie aus Berlin berichtet wurde. Er konnte auch sein Engagement und die in der Türkei liegenden Chancen vermitteln, wie aus Freiburg berichtet wurde: „Nach dem Abend gehe ich mit der Hoffnung nach Hause, dass zwar angeblich ‚jeder Türke als Soldat auf die Welt kommt‘, aber wir einen großartigen türkischen Menschenrechtler kennen lernen durften.“

Rudi Friedrich: Veranstaltungsreihe zur Türkei – Ein Bericht. 15. Dezember 2013. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2014.

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