Ägypten: Militärgericht vertagt zum 5. Mal Verfahren gegen Militärkritiker

Maikel Nabil Sanad seit über 105 Tagen im Hungerstreik

von Connection e.V. und DFG-VK Hessen

(08.12.2011) Im Fall des ägyptischen Militärkritikers Maikel Nabil Sanad hat das Militärgericht gestern nicht wie angekündigt ein Urteil im Wiederholungsprozess gesprochen. Stattdessen wurde nach fünf Minuten das Verfahren auf den 14. Dezember vertagt. Das Berufungsgericht hatte bereits am 11. Oktober das bisherige Urteil von drei Jahren gegen Maikel Nabil Sanad für „null und nichtig“ erklärt. Es hatte ihn aber nicht aus der Haft entlassen, sondern das Verfahren an das untergeordnete Gericht zur erneuten Urteilsfindung zurück verwiesen. Unterdessen ist Maikel Nabil Sanad immer noch in Haft und befindet sich aus Protest gegen das Verfahren seit dem 23. August 2011 in Hungerstreik. Er nimmt Fruchtsäfte und Milch zu sich.

„Das Militär zeigt hier ganz offensichtlich seine Macht in einem Verfahren, in dem es sich selbst als Richter aufspielt“, erklärte heute Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V. „Das Militär bestätigt so die von Maikel Nabil Sanad im März auf seinem Blog veröffentlichte Kritik, die dokumentierte, wie das Militär Menschenrechte verletzt und politischen Einfluss nimmt.“

Unterdessen hat die Internationale Föderation der Liberalen Jugend (IFLRY) Maikel Nabil Sanad am 2. Dezember 2011 den IFLRY Freedom Award „für sein großes Engagement für die Freiheit verliehen“. Der Präsident der Organisation, Thomas Leys, erklärte: „Kein Zivilist sollte vor einem Militärgericht stehen, wie auch niemand inhaftiert werden sollte, der friedlich seine Meinung ausdrückt.“

Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen sehen die erneute Vertagung des Verfahrens als zusätzliche Strafmaßnahme gegen Maikel Nabil Sanad an. Die Organisationen fordern die Einstellung aller Militärgerichtsverfahren und die unverzügliche Freilassung von Maikel Nabil Sanad.

Zum Hintergrund

Maikel Nabil Sanad hat 2010 als erster in Ägypten und in der arabischen Welt öffentlich seine pazifistisch motivierte Kriegsdienstverweigerung erklärt. Er wurde für untauglich erklärt, von der Militärpolizei allerdings gewarnt, dass er mit gesteigerter Repression rechnen müsse, wenn er seine politische und publizistische Tätigkeit fortsetzt.

Am 8. März 2011 veröffentlichte er auf seinem Blog www.maikelnabil.com einen Beitrag, in dem er über die Rolle des Militärs während und nach der Revolution berichtete. Er schilderte darin ausführlich die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs in dieser Zeit (...mehr).

Ein Militärgericht verurteilte ihn daraufhin am 10. April 2011 wegen Beleidigung des Militärs, Verbreitung falscher Informationen und Störung der öffentlichen Ordnung zu drei Jahren Haft.

Seine Verurteilung verletzt das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit. Am 21. Juli 2011 hatte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung 34 zum Menschenrecht auf Rede- und Meinungsfreiheit Stellung bezogen: „Staatliche Behörden dürfen Kritik an Institutionen wie dem Militär oder Verwaltung nicht untersagen.“ Damit stellt die Verurteilung und Inhaftierung von Maikel Nabil Sanad eine klare Verletzung des Artikels 19 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte dar. Auch die im Juni 2011 in Kraft getretene Übergangsverfassung Ägyptens garantiert das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Das Urteil wurde zudem von einem Militärgericht gegenüber einer Zivilperson ausgesprochen und erging in Abwesenheit der Familie, Freunde und des Anwalts von Maikel Nabil Sanad. Damit verletzt das Verfahren gegen Maikel Nabil Sanad auch das Recht auf ein gerechtes Verfahren nach Artikel 14 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte.

Maikel Nabil Sanad hatte am 23. August 2011 einen Hungerstreik begonnen. Mehrmals hatte er seine Forderung auf sofortige Freilassung mit einem Durststreik bekräftigt. Durch den Durststreik versagten seine Nieren und er fiel wiederholt ins Koma.

Ein von Maikel Nabil Sanad angestrengtes Berufungsverfahren begann am 4. Oktober 2011. In der ersten Sitzung entschied das Gericht, das Verfahren um eine Woche zu vertagen, weil die Akten nicht vollständig vorlägen. Am 11. Oktober hob das Berufungsgericht das Urteil als „null und nichtig“ auf, ließ Maikel Nabil Sanad aber nicht frei, sondern verwies das Verfahren zur erneuten Urteilsfindung an das untergeordnete Militärgericht zurück.

Zum erneuten Verfahren vor dem Militärgericht wies Maikel Nabil Sanad seine Anwälte und seine Familie an, das Verfahren zu boykottieren, da dies Verfahren einer „Seifenoper“ gleich käme. Am ersten Verhandlungstag des Wiederholungsverfahrens, dem 18. Oktober 2011, wies das Militärgericht daraufhin Maikel Nabil Sanad einen Verteidiger zu und entschied, Maikel Nabil Sanad zur Untersuchung in eine psychiatrische Klinik zu überstellen. Das Krankenhaus lehnte aber den Versuch ab, einen politischen Dissidenten zu pathologisieren und sandte ihn als „gesund“ zurück.

Das Verfahren vor dem Militärgericht wurde am 1. November fortgesetzt. Maikel Nabil Sanad wurde zwangsweise vorgeführt, verweigerte aber die Zusammenarbeit mit dem Gericht, wie auch seine Rechtsanwälte. Der vom Militärgericht zugewiesene Rechtsanwalt, der von Maikel Nabil Sanad abgelehnt wird, beantragte die Vernehmung von Zeugen. Daraufhin wurde das Verfahren wiederholt vertagt. Weitere Verhandlungstage gab es am 13. und 27. November, am 4. und 7. Dezember. Statt wie angekündigt am 7. Dezember ein Urteil zu sprechen, vertagte das Gericht die Verhandlung nach fünf Minuten erneut und legte den 14. Dezember als neuen Verhandlungstag fest. Maikel Nabil Sanad ist unterdessen immer noch in Haft und in Hungerstreik. Er überlebt den am 23. August begonnenen Hungerstreik, da er Fruchtsäfte und Milch zu sich nimmt.

Unterstützungsmöglichkeiten für Maikel Nabil Sanad gibt es weiter unter

www.Connection-eV.org/aktion-egypt.php

www.frieden-mitmachen.de

http://wri-irg.org/node/13819

Connection e.V. und DFG-VK Hessen: Pressemitteilung vom 8.12.2011

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