Ruslan Kotsaba

Ruslan Kotsaba

Doch kein Friedenspreis für Ruslan Kotsaba?

Stellungnahme von Connection e.V.

(14.05.2019) Letzte Woche hatte der Aachener Friedenspreis auf Vorschlag von MdB Andrej Hunko und Darius Dunker (Die Linke) bekanntgegeben, 2019 unter anderem den Journalisten und Kriegsdienstverweigerer Ruslan Kotsaba mit dem Aachener Friedenspreis auszuzeichnen. Wenig später wurde bekannt, dass Ruslan Kotsaba 2011 ein Video veröffentlicht hatte, in dem er unter anderem erklärt hatte, „die Juden haben Stalin und Hitler herangezüchtet“. Das Video wurde später von ihm um einige Passagen, auch dieser, gekürzt, war jedoch 2018 erneut von anderer Seite in voller Länge ins Netz gestellt worden. Der Vorstand des Aachener Friedenspreis zog aufgrund dessen die Preisverleihung zurück. Er sah es nicht als ausreichend an, dass sich Ruslan Kotsaba nun für die damaligen Äußerungen öffentlich in aller Form entschuldigte. Ein Vereinssprecher sagte, so der WDR am 10.5.2019, „auch wenn sich Kotsaba inzwischen von seinen alten Aussagen distanziert habe, wolle man nur ‚eindeutig preiswürdige‘ Menschen auszeichnen.“ Endgültig darüber befinden soll eine Mitgliederversammlung des Aachener Friedenspreises am 14. Juni 2019.

Connection e.V. hatte Ruslan Kotsaba 2015 bis Anfang 2018 unterstützt. Er war nach öffentlichen Äußerungen gegen den Krieg im Osten der Ukraine im Februar 2015 verhaftet und wegen „Landesverrat“ und „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine“ angeklagt worden. In einer Videobotschaft an den damaligen Präsident Petro Poroschenko erklärte Ruslan Kotsaba, er werde sich der Einberufung verweigern. Er rief seine Landsleute auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern und sich der Einberufung zur Armee zu widersetzen. Im Mai 2016 wurde er zu 42 Monaten Haft verurteilt. Seine Berufung gegen das Urteil hatte Erfolg, so dass er nach 16 Monaten Haft entlassen wurde. Dazu beigetragen hatte sicherlich auch eine internationale Kampagne, die sich für seine Freilassung einsetzt. Das Verfahren wurde Anfang 2018 neu aufgerollt. Verschiedene Gerichte erklärten sich jedoch für nicht zuständig. Noch immer ist das Verfahren nicht endgültig abgeschlossen. (https://de.connection-ev.org/article-2546) Die nächste Verhandlung soll im Juli 2019 stattfinden.

Ruslan Kotsaba ist uns als streitbarer Geist bekannt. Er unterstützte die Proteste am Maidan. Nach dem Kriegsbeginn im Osten der Ukraine im April 2014 war er als Journalist im Kriegsgebiet unterwegs. Vielen passten seine Berichte nicht, weil er einer der wenigen war, der von beiden Seiten berichtete und offen gegen die Rekrutierungsaktionen der Regierung in Kiew protestierte.

Das Video aus dem Jahr 2011 war uns in all dieser Zeit nicht bekannt und seine darin enthaltenen Aussagen erschrecken und verstören zutiefst. Heute sagt er, so die Frankfurter Rundschau am 11.5.2019, „Ich schäme mich, ich weiß nicht, mit welchen Worten ich ausdrücken kann, wie leid es mir tut, ich würde so etwas nie wieder sagen.“ Und er ergänzt: „Sie müssen sich zwei Ruslans vorstellen, der eine war vor dem Krieg: Ich habe in dem Video nichts gesagt, was nicht weit verbreitet bei uns ist. Aber im Krieg habe ich gesehen, wozu Mythen und Verschwörungen führen. Ich schäme mich dafür, ich teile Menschen heute nicht mehr nach Nationalitäten oder was auch immer ein.“

Sicherlich hat sich Ruslan Kotsaba verändert, wie auch seine Werte. „Es sei ein weiter Weg zum Pazifisten gewesen“, berichtete die taz am 14. Mai 2019. „Er habe, so Kotsaba, als Nationalist angefangen, sei dann Aktivist geworden.“ Ein Schlüsselerlebnis sei für ihn als Reporter sein Besuch in Luhansk im Osten der Ukraine im Sommer 2014 gewesen. „Gemeinsam mit Menschen aus Luhansk habe ich im Keller vor den Luftangriffen gezittert. Und da habe ich mich entschieden, dass ich niemals auf die Menschen, mit denen ich jetzt in einem Keller sitze, schießen werde.“

In der Arbeit von Connection e.V. arbeiten und unterstützen wir immer wieder Menschen, die einen Bewusstseinswandel erleben. Immer wieder sprechen wir mit ehemaligen Soldaten und Soldatinnen, die sich aufgrund ihrer Erfahrungen dazu entscheiden, fortan den Dienst zu verweigern oder zu desertieren. Sie sind wichtige Zeugen und Zeuginnen für die Verheerungen einer Kriegspolitik. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Ländern, haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Es eint sie die Ablehnung der kriegerischen Gewalt. Das ist für uns letztlich entscheidend, ob wir eine Person unterstützen oder nicht.

Aktuell geht es im Fall Kotsaba aber nicht nur um die Unterstützung in einem ungerechten Verfahren, das sofort zu beenden ist. Es geht hier um eine besondere Auszeichnung in Form eines Friedenspreises. Und auch wenn es gerade wichtig ist, kritische Geister mit einem Preis auszuzeichnen, so ist es umso wichtiger, dass sie wirklich glaubwürdig für ihre (auch neue) Position einstehen. Bei Ruslan Kotsaba bleibt ein Zweifel bezüglich seiner antisemitischen Äußerungen, da er darauf erst reagierte, als ihm bekannt wurde, dass das Originalvideo weiterhin existiert. Insofern können wir die Entscheidung des Aachener Friedenspreises sehr gut nachvollziehen.

Connection e.V., 14. Mai 2019

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