Israel/Palästina

Israel/Palästina

Leid rechtfertigt kein Leid, eine Ungerechtigkeit rechtfertigt nicht die andere

Ein Verbrechen bevollmächtigt nicht zu einem anderen

von B‘Tselem

(15.10.2023) Israel plant, jeden Moment Zehntausende von Soldat*innen in den Gazastreifen zu senden und eine Bodeninvasion zu starten, deren Ausmaß unbekannt ist. Seit einer Woche rufen hochrangige Regierungs- und Militärvertreter*innen zur Rache auf und versprechen, den Gazastreifen zu verwüsten und Hunderttausenden von Zivilist*innen unvorstellbares Leid zuzufügen. Das müssen wir verhindern.

Vor einer Woche haben Mitglieder der Hamas im Süden Israels entsetzliche Verbrechen begangen: Sie töteten mehr als 1.300 Menschen, entführten mehr als 100 Menschen und verletzten Tausende; Dutzende werden noch vermisst. Jeden Tag kommen neue grausame Details ans Licht. Immer mehr Familien beerdigen ihre Angehörigen – und die Geschichten vom Überleben und der Angst der Entführten sind zu herzzerreißend und schmerzhaft, um sie in Worte zu fassen. Nichts kann diese Verbrechen rechtfertigen.

Ein weiterer grausamer Rachefeldzug gegen die zwei Millionen Einwohner*innen des Gazastreifens, der nun schon den achten Tag andauert und von Minister*innen und Befehlshaber*innen fortgesetzt werden soll, darf trotzdem nicht sein. Die Verbrechen der Hamas machen Israels gegenwärtige und künftige Verbrechen weder rechtmäßig noch sind sie zu rechtfertigen.

Seit einer Woche bombardiert Israel den Gazastreifen wahllos. Die Luftangriffe haben mehr als 2.000 Palästinenser*innen getötet, darunter mehr als 700 Kinder und Dutzende von Familien. Ganze Stadtviertel wurden ausgelöscht, Menschen müssen ohne Wasser und Strom leben. Hunderttausende [Anm. mf: Die UN spricht von 1 Millionen, Stand 16.10] sind bereits Binnenvertriebene. All dies ist absolut gesetzeswidrig. Eine Bodeninvasion wird das Grauen in unvorstellbarem Ausmaß verstärken. Dies darf nicht zugelassen werden.

Wir müssen das Offensichtliche feststellen: Die Aufforderung an Israel, sich mit Racheakten zurückzuhalten, mildert in keiner Weise den Schrecken der Hamas-Aktionen. Wenn wir sowohl die Hamas als auch Israel kritisieren, bilden wir weder eine Symmetrie noch stellen wir einen Vergleich an. Es handelt sich nicht um ein Nullsummenspiel: Das Ausmaß von Schmerz und Trauma in der Welt ist nicht endlich.

Leid rechtfertigt kein Leid, eine Ungerechtigkeit rechtfertigt keine andere, ein Verbrechen bevollmächtigt nicht zu einem anderen. Rache kann kein Aktionsplan für einen Staat sein. Wir können – und müssen – andere Lösungen fordern: Lösungen, die nicht auf noch mehr Tod, Zerstörung und Verlust beruhen, sondern auf der grundlegenden Erkenntnis, dass alle Menschen gleich sind und es verdienen zu leben. Jede und jeder Einzelne.

B’Tselem (hebr. בְּצֶלֶם, „Ebenbild“) ist eine israelische Nichtregierungsorganisation. Die Organisation sieht ihre Aufgabe darin, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten nachzuweisen, die israelische Öffentlichkeit und Gesetzgeber darüber zu informieren und zu einer humaneren Gesellschaft beizutragen. Dabei will die Organisation eigenen Angaben zufolge keinen Unterschied machen, ob diese von israelischer oder palästinensischer Seite begangen werden.

B’Tselem: Suffering does not justify suffering and, one injustice does not justify another and one crime does not warrant another. 15. Oktober 2023. https://tinyurl.com/3bcyhkr2

Stichworte:    ⇒ Friedensbewegung   ⇒ Israel   ⇒ Krieg