Israel: Tausenden droht die Abschiebung

von Mirjam van Reisen und Gilad Liberman

(04.04.2018) Die letzten beiden Tage waren bezüglich der israelischen Flüchtlingspolitik extrem turbulent. Noch am Montag, dem 2. April 2018, hatte der israelische Premierminister Netanyahu den Stopp der Abschiebung nach Ruanda verkündet. Er hatte dabei zum ersten Mal ausdrücklich den Namen des „Drittlandes“ genannt und gab eine neue Vereinbarung mit dem UNHCR bekannt, wonach die Hälfte der Flüchtlinge in westeuropäischen Ländern angesiedelt werden, die andere Hälfte im Land bleiben solle. Nach nicht einmal 24 Stunden kündigte er die Vereinbarung auf.

Der israelische Premierminister gab eine vage gehaltene Erklärung ab und schlug eine neue Politik vor, darunter Flüchtlinge durch eine extreme Besteuerung zum Verlassen Israels zu bewegen, die Wiedereröffnung von Haftzentren, dieses Mal unter einer nicht den Gerichten unterstehenden Rechtsordnung.

Die Betroffenen sind zumeist EritreerInnen. Die Ereignisse sind nur der letzte Schritt einer Kette von gegen sie ausgeübten Grausamkeiten. Seit 2012 hat Israel eine Politik umgesetzt, Flüchtlinge zu inhaftieren und abzuschieben. Mit einem Gesetz wurde die Haft für drei Jahre legalisiert. Flüchtlinge wurden in ein Haftzentrum in der Negev-Wüste überstellt, eine Gegend, die die Flüchtlinge als israelisches Sinai bezeichnen.

Israel hat an der Südgrenze zu Ägypten einen Zaun erstellt. Die ägyptischen Grenzstreitkräfte haben einen Schießbefehl gegenüber Flüchtlingen angeordnet, die nach Israel zu kommen suchen. Dadurch konnten seit 2017 keine Flüchtlinge mehr die Grenze überschreiten.

Gegenüber den in Israel ansässigen Flüchtlingen hat Israel die Abschiebehaft eingeführt. Darüber hinaus hat sie Druck auf die Inhaftierten und von Haft Bedrohten ausgeübt, sich nach Ruanda oder Uganda abschieben zu lassen.

Nach fünf Jahren und bei etwa 4.500 Abgeschobenen wurde inzwischen eine große Zahl von Zeugenaussagen durch UNHCR, nichtstaatlichen Organisationen, Medien und AktivistInnen zusammengetragen, um die Mechanismen dieses System zu dokumentieren. Sie zeigen, dass den Abgeschobenen in Ruanda Geld und Dokumente bei der Einreise genommen werden. Sie werden in einem Haus festgehalten, müssen für den Schmuggel nach Uganda zahlen und das Land innerhalb weniger Tage verlassen. In Uganda wiederum sind sie ohne Dokumente illegal und ohne jede Sicherheit. Nach Angaben von Amnesty International wurde keinem der Flüchtlinge Asyl gewährt.

Somit sind die Flüchtlinge dazu gezwungen, sich über Südsudan, Sudan, Tschad, Sahara und Libyen auf die Reise nach Europa zu begeben, der einzige Ort, wo sie Sicherheit finden können. Es wird geschätzt, dass die Hälfte der 4.500 Abgeschobenen diesen Weg gewählt haben.

Die Proteste gegen diese Politik wachsen an, innerhalb von Israel und unterstützt durch die weltweite jüdische Community. Ruanda ist aufgrunddessen nicht länger bereit zu kooperieren. Das war der Grund, warum Netanyahu ursprünglich dem Plan mit dem UNHCR zugestimmt hatte, die Hälfte der Flüchtlinge nach Westeuropa zu übergeben und die andere Hälfte in Israel aufzunehmen. Die Aufkündigung dieser Vereinbarung ist eine schlechte Nachricht für die eritreischen Flüchtlinge.

Mirjam van Reisen und Gilad Lieberman: Embattled Netanyahu supports trafficking route of thousand of refugees to Libya over EU‘s resettlement plan. 4. April 2018. Auszüge aus http://eritreahub.org. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in der Broschüre „Eritrea: Ein Land im Griff einer Diktatur – Desertion, Flucht & Asyl“, 3. Mai 2018. Herausgegeben von Förderverein PRO ASYL e.V. und Connection e.V.

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