In Eritrea werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen

von Sheila Keetharuth

(19.10.2017) Guten Morgen und danke für die Einladung, auf dieser wichtigen Konferenz „Fluchtsituation Eritrea – Kein Ende in Sicht?“ zu sprechen und zu Strategien für zukünftige Aktionen beitragen zu können. Es ist großartig, hier so viele zu sehen, die sich mit ihrer Arbeit der Verbesserung der Menschenrechtssituation in Eritrea widmen.

Wie viele von Euch wissen, bin ich seit November 2012 an der Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechtsituation beteiligt. In dieser Funktion wird meine Tätigkeit in wenigen Monaten beendet sein, da ich nächstes Jahr, nach sechs Jahren, das endgültige Ende meiner Amtszeit erreicht haben werde. Ich wurde gebeten, über die Menschenrechtssituation in Eritrea zu sprechen. Für einige Länder, auch in Europa, scheint sich die Situation so weit verbessert zu haben, dass es nun akzeptabel wird, sich in Eritrea zu engagieren und mit dem Land zu kooperieren.

Ich habe regelmäßig den Menschenrechtsrat in Genf und das 3. Komitee der UN-Generalversammlung mit mündlichen und schriftlichen Berichten darüber informiert, dass ich keine solchen Änderungen der Menschenrechtssituation in Eritrea sehe, insbesondere nicht in Bezug auf zentrale Bereiche.

Lassen Sie mich ein wenig deutlicher werden: Es war im Juni diesen Jahres, als ich aufgrund meiner Beobachtungen feststellte – um zumindest diese zu nennen –, dass eritreische Bürger weiterhin unter willkürlichen Verhaftungen, Isolationshaft, Tod im Gewahrsam, zwangsweisem Verschwindenlassen, Unterdrückung der religiösen Freiheit und einem System des Nationaldienstes leiden, der in der Wirkung der Sklaverei gleichkommt. Frauen sind im Nationaldienst ständig Belästigungen und sexuellem Missbrauch ausgesetzt.

Durch die europäischen Länder wurde ich auf einen Punkt aufmerksam gemacht: Eritrea unterstützt die Resolution der UN gegen die Todesstrafe. Das wird später in diesem Jahr in New York erneut Thema sein. Obwohl ich diese Unterstützung Eritreas für die Abschaffung der Todesstrafe begrüße, muss ich meine Bedenken zu zwei Formen der Verletzung des Rechts auf Leben wiederholen:

  • Bezüglich außergerichtlicher Tötungen; ein offensichtliches Beispiel dafür sind die Schießbefehle, auf die ich später noch zurückkommen will;
  • Bezüglich entsetzlicher Haftbedingungen von eritreischen Bürgern, bei denen es zu Todesfällen kommen kann, wie die Untersuchungskommission über Menschenrechte in Eritrea feststellte.

Im Juni sprach ich nicht über die sich verschlechternde Lebenssituation in der Stadt Asmara, die weiterhin bestehenden Schwierigkeiten der Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Gas und Essen, so dass das Leben ein täglicher Kampf um Grundnahrungsmittel ist. Als ich Daten der UN benutzte, um die aktuelle Situation zur Nahrungsversorgung in Eritrea offen zu legen, versuchten Vertreter der Regierung, die Fakten zu verschleiern und griffen mich an, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich verließ mich auf Informationen von UNICEF über die Mangelernährung von Kindern in Eritrea, die nach Angaben des Botschafters Gerahtu „falsch vom New Yorker Büro der Organisation wiedergegeben“ worden seien und „nicht vom Vertreter des Landes stamme, der sie ordnungsgemäß korrigiert“ habe. Zusätzlich wies der Botschafter darauf hin, dass „sich die FAO Asmara (Food Assessment Organisation) ebenfalls von dem Bericht distanziert“ habe, auch „wenn wir im Moment keine Informationen über spezifische Schritte vorliegen haben, um ihn zu korrigieren.“

Warum ist das wichtig? Es zeigt, welch wohl-geschmierte Propaganda-Maschine die eritreische Regierung hat, um ein anderes Bild zu präsentieren und um Informationen zu unterdrücken. Wenn die Wahrheit ans Licht kommt, benutzt sie Methoden, sie „schlecht zu machen, zu zerstückeln und zum Schweigen zu bringen“, um Einzelpersonen, Diplomaten und sogar internationale Organisationen wie die UN unter Druck zu setzen.

Die Versuche der Regierung, sich in den letzten drei Jahren bestimmten Journalisten „zu öffnen“ wie auch bestimmten ParlamentarierInnen aus ausgewählten Ländern und externen „Partnern“ wie Think-Tanks und Wirtschaftslobbyisten, auch dies bedarf der Überprüfung, insbesondere die nach solchen Missionen gegebene Einschätzung, dass die „Dinge schlecht sein mögen, aber nicht so schlecht...“. Viele scheinen auf den Plätzen von Asmara einen Macchiato genossen zu haben, in einer schönen Stadt, die von der UNESCO den Status als Weltkulturerbe erhalten hat. Nach einigen Tagen einer geführten Tour kehren sie zurück mit der Auffassung, dass „in Eritrea alles in Ordnung ist“.

Ich war bisher noch nicht in Eritrea, aber ich habe die Satellitenbilder zu Eritrea studiert, die als Teil der Arbeit der Untersuchungskommission erstellt wurden, um Gefängnisorte und im Land verteilte Haftzentren zu finden.

Nach ihrer Rückkehr kommen die Ergebnisse dieser Reisen ausländischer Delegationen gerade recht, wenn die politische Absicht besteht, die Länderinformationen und die Asylpolitik unabhängig von den wirklichen Veränderungen vor Ort zu revidieren, um dadurch den Weg dafür zu ebnen, abgelehnte Asylsuchende zurückzuschicken.

Ich wiederhole: Ich konnte keine einzige Veränderung dokumentieren, die eine wirkliche Verschiebung bei der Respektierung der Menschenrechte darstellt. Lassen Sie mich betonen, dass in diesem Land nach wie vor Institutionen fehlen, die Rechtsstaatlichkeit unterstützen: keine Verfassung, keine unabhängige Justiz, keine gesetzgebende Versammlung und bezüglich unseres heutigen Themas vor allem keinen Mechanismus, um zu prüfen, was mit den Menschen geschieht, die zurückgeschickt werden.

Im letzten Juni, als die Diskussion über die Verlängerung des Mandats der Sonderberichterstatterin zur Menschenrechtssituation in Eritrea stattfand, übernahmen einige europäische Länder die Rolle des Sprachrohrs der eritreischen Regierung und suchten die Substanz des Mandats zu verwässern.

Sie wollten den Verweis auf die „Politik des Schießbefehls“ an der Grenze entfernen und argumentierten, dass solche Schüsse nicht mehr stattfänden. Aber nur ein paar Wochen später gab es Medienberichte über einige Personen, die an der Grenze erschossen worden sind; der Leichnam zumindest einer Person wurde der Familie für die Beerdigung übergeben. Es ist schwierig über solche Vorfälle Informationen zu sammeln, da sie in entfernten Gegenden stattfinden, wo eine Beobachtung wenn nicht unmöglich, so doch zumindest schwierig ist. Kein Diplomat, in Asmara lebender Ausländer oder Beschäftigter von internationalen Organisationen kann an solche Orte reisen, um Beobachtungen durchzuführen. Ich kann nur schwer verstehen, auf welcher Basis sie dann argumentieren, dass der Schießbefehl nicht existiert, wo sie doch keine Möglichkeit haben, das zu überprüfen.

Sie wollten auch einige der Verweise auf die Untersuchungskommission entfernen und das Mandat für die Zukunft nur auf die Empfehlungen ihrer eigenen Berichte eingrenzen, die sie als ausreichend ansehen. Ich möchte daran erinnern, dass die Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrates mich als eine von drei Mitgliedern der Untersuchungskommission nominiert hatten. Das waren also gemeinsame Empfehlungen, die auch meine eigene Arbeit repräsentieren! Aber unabhängig davon: Während die Kommission festgestellt hatte, dass es ausreichende Gründe dafür gebe, anzunehmen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit stattfinden und weiterhin vom eritreischen Staat verübt werden, gab es diejenigen, die diese Ergebnisse zu nichts anderem machen wollten, als zu einer entfernten Erinnerung. Aber am Ende ist festzustellen, dass mein Mandat im Juni zur Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen durch eine starke im Konsens verabschiedete Resolution verlängert worden ist in Fortschreibung der Empfehlungen der UN-Untersuchungskommission.

Ich stelle dies hier vor, weil die Untersuchungskommission ihre Arbeit abgeschlossen hat und daher die Notwendigkeit besteht, die Beobachtung und Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen fortzuführen, um aktuelle Informationen darüber zu erhalten, was im Land geschieht, um es in einer Art und Weise darzustellen, die unwiderlegbar ist und um sicherzustellen, dass die Quellen, Opfer und Familien, keinen Schaden erleiden. . Das ist die schwierigste Aufgabe, sie muss aber durch die zivilgesellschaftlichen Organisationen unbedingt unternommen werden, um eine fortwährende Veröffentlichung von glaubwürdigen Informationen und neuen Fällen sicherzustellen, die in das von der Kommission innerhalb meiner Arbeit als Sonderberichterstatterin festgestellte Muster von Gewalt fallen.

Lassen Sie mich kurz zu den Themen Migration, Flüchtlinge und Asylsuchende kommen. Das ist seit Anfang 2012 Teil meiner Arbeit. Während der Rahmen meiner Arbeit in 2012 in verschiedenen Konsultationen abgesteckt wurde, versuchten einige zu argumentieren, dass sich das Mandat nur auf die Menschenrechtsverletzungen in Eritrea beziehe, während sich die Flüchtlinge hingegen außerhalb des Landes befänden. Meine Antwort war, dass die Menschen gerade wegen der Verletzung ihrer Rechte das Land verlassen und es beständig Verletzungen gebe, womit es für mich angebracht sei, zu beobachten, warum Menschen sich dazu entscheiden, internationale Grenzen zu überschreiten. Die Zahlen waren und sind selbsterklärend. In nahezu allen meinen Berichten habe ich die Zahl der Menschen, die aus dem Land flüchten, und ihre Not, insbesondere die der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, hervorgehoben.

Ich wurde gefragt, was ich über die angeblich schwindende Zahl der eritreischen Flüchtlinge denke, die Europa erreichen. Während es wohl weniger sind, die nach Europa kommen, gab es in den ersten Monaten 2017 eine Welle von 4.500 Menschen, die nach Äthiopien gingen, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) feststellte. Daneben blieb die Zahl der EritreerInnen, die in den ersten Monaten 2017 nach Italien kamen, gering. Ein Trend, den das Regional Mixed Migration Secretariat bereits für 2016 feststellte, während die insgesamt in Italien eintreffenden Flüchtlinge nur 29% im Vergleich zum selben Zeitraum in 2016 entsprachen. Vergleichende Zahlen für das erste Vierteljahr in 2016 und 2017 vom UNHCR zeigen, dass die Zahl der EritreerInnen, die Italien über das Meer erreichten, in beiden Zeiträumen etwa gleich blieb, während die Zahl der Ankommenden aus Äthiopien, Somalia und Sudan auf 61%, 50% bzw. 40% zurückging.

Nach Angaben des Regional Mixed Migration Secretariat kann dieser Rückgang teilweise auf die vermehrten Bemühungen der Behörden in Sudan zurückgeführt werden, die Migration nach Europa zu drosseln. Aufgrund der Bemühungen Sudans gab es verschiedene Berichte, dass EritreerInnen und andere MigrantInnen und Flüchtlinge vom Horn von Afrika abgefangen worden sind, wobei eine große Zahl inhaftiert wurde, bevor sie in ihre Herkunftsländer zurückgebracht wurden, darunter auch nach Eritrea. Und es ist bekannt, dass Italien die Dienste der libyschen Küstenwache nutzt, um die Überfahrt über das Mittelmeer zu verhindern.

Ich habe einige Ideen für Empfehlungen, die ich später einbringen will. Jetzt, zum Ende meines Redebeitrags, möchte ich Sie vor allem darüber informieren, was ich in der mir noch verbleibenden Zeit meines Mandates bis zum nächsten Jahr machen will:

  • Weiterführung der Beobachtung der Menschenrechtsverletzungen in Eritrea. Dafür brauche ich Ihre Unterstützung, da ich im Gegensatz zu meiner Zeit in der Untersuchungskommission alleine bin, unterstützt nur durch eine Büroassistentin, die auch nicht Vollzeit für das Mandat arbeitet;
  • Eintreten für eine universelle Rechtsprechung und die Unterstützung von Opfern und anderer, sich zu organisieren und die Justiz in den verschiedenen Ländern zu nutzen, um so Gerechtigkeit bei Menschenrechtsverletzungen einzufordern;
  • Sicherstellen, dass Staaten sich darüber bewusst sind, was derzeit passiert und sie dazu anregen, eine Reihe von Prüfsteinen zu beschließen, um von der eritreischen Regierung Ergebnisse bezüglich bestimmter Menschenrechte einzufordern.

Ich möchte mit einer klaren Botschaft in „diesem Meer von Dunkelheit“ abschließen, in dem sich viele wiederfinden, die zu Eritrea arbeiten oder über ihre Arbeit nachdenken. Es sind nicht meine Worte, sondern Worte von jemandem, der als Junge die Überfahrt über das Mittelmeer überlebte und den ich vor einigen Jahren in Schweden traf. Er war über Monate in Libyen inhaftiert.

Über die letzten fünfeinhalb Jahre ist viel erreicht worden, was ein Licht auf die Menschenrechtsverletzungen in Eritrea geworfen hat, die zur Annahme führte, dass es gute Gründe dafür gibt, dass in Eritrea Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden und weiterhin begangen werden. Sie müssen ihre Arbeit fortsetzen. Sie müssen individuell und gemeinsam Rechenschaft für die Menschenrechtsverletzungen und Gerechtigkeit für EritreerInnen und für alle Bürger der Welt einfordern, wie groß oder klein diese Aktionen auch immer sein mögen. Ich für meinen Teil werde meine Arbeit fortsetzen, bis ich das Mandat beendet habe. Ich schließe mit einer Botschaft der Hoffnung und Licht, gerade heute anlässlich des Deepavali, des Lichterfestes der Hindu, das im Hinduismus den Sieg über das Böse feiert.

Sheila B. Keetharuth, Redebeitrag auf der Konferenz „Eritrea and the Ongoing Refugee Crisis“, 19. Oktober 2017 in Brüssel, Übersetzung: rf. Sheila B. Keetharuth ist Sonderberichterstatterin zur Menschenrechts-situation in Eritrea. Sie war Mitglied der von 2014-2016 eingesetzten UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Eritrea. Der Beitrag wurde veröffentlicht in der Broschüre „Eritrea: Ein Land im Griff einer Diktatur – Desertion, Flucht & Asyl“, 3. Mai 2018. Herausgegeben von Förderverein PRO ASYL e.V. und Connection e.V.

Stichworte:    ⇒ Asyl   ⇒ Eritrea   ⇒ Europa   ⇒ Menschenrechte