Auf der Anklagebank: Ruslan Kotsaba

Auf der Anklagebank: Ruslan Kotsaba

Appell für die Freilassung von Ruslan Kotsaba

Ukrainischer Kriegsdienstverweigerer und Journalist in Haft

von Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO)

(26.05.2016) Ruslan Kotsaba, ukrainischer Journalist und Kriegsdienstverweigerer, ist am 12. Mai 2016 vom Stadtgericht Iwano-Frankiwsk (Westukraine) zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht sprach ihn der „Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte“ für schuldig. Der Staatsanwalt hatte Ruslan Kotsaba zusätzlich des „Staatsverrats“ beschuldigt und 13 Jahre Gefängnis gefordert. Die fünfzehnmonatige Untersuchungshaft wird doppelt auf die Strafe angerechnet, so dass die verbleibende Haftdauer etwa ein Jahr beträgt.

Ruslan Kotsaba ist 49 Jahre alt und Vater zweier Töchter. 2004 hatte er aktiv die „Orange Revolution“ sowie 2014 die Proteste am Maidan unterstützt und 2015 für Präsident Poroschenko gestimmt. Als Journalist war er mehrfach in den Donbass gereist und hatte von beiden Seiten der Front berichtet. Er sprach sich gegen die ukrainische Kriegführung im Osten des Landes und für eine Verhandlungslösung aus. In einer Videobotschaft an Präsident Poroschenko sagte er im Januar 2015: „Ich gehe lieber für 2 bis 5 Jahre ins Gefängnis, als dass ich mich bewusst zum Töten meiner Landsleute im Osten entscheide. Allen, die mich hören, sage ich: Ich verweigere mich der Mobilisierung und ich rufe alle vernünftigen Menschen auf: Verweigert Euch dieser Mobilisierung. Sie ist die Hölle, der Schrecken. Es kann doch nicht sein, dass man im 21. Jahrhundert Menschen tötet, nur weil sie getrennt leben wollen.“

Kotsaba wurde am 8. Februar 2015 verhaftet und war seitdem in Untersuchungshaft. Er leidet u.a. an den Folgen eines Herzinfarkts und muss täglich Medikamente einnehmen. Im Winter lag die Temperatur in seiner Gefängniszelle – die meiste Zeit saß er in Einzelhaft – oft nur um den Gefrierpunkt.

In einer Anhörung vor dem Stadtgericht erklärte Ruslan Kotsaba Anfang Februar 2016 u.a.: “Ich bin an der Front zum Pazifisten geworden... Das im Osten ist ein Bürgerkrieg mit internationaler Einflussnahme auf beiden Seiten, das ist Brudermord.“ Als Journalist sei er verpflichtet, auch mit den Separatisten zu sprechen. „Meinungsfreiheit, Gedankenfreiheit, Freiheit der Weltanschauung – das ist Zivilisation. Die soll uns heute genommen werden.“

In der Ukraine ist die Wehrpflicht 2014 wieder eingeführt worden. Eine große Zahl von Wehrpflichtigen hat sich der Einberufung durch Untertauchen im Inland oder Flucht ins Ausland entzogen. Die offene Verweigerung von Ruslan Kotsaba ist eine Ausnahme. Im ukrainischen Recht gibt es zwar ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, es ist aber auf wenige religiöse Minderheiten beschränkt. Soldaten und Reservisten dürfen nicht verweigern. Die Strafe für Kriegsdienstverweigerung beträgt 3-5 Jahre Gefängnis.

Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) appelliert an die Regierung der Ukraine, ihren Verpflichtungen als Europaratsmitglied nachzukommen und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen nichtdiskriminierend zu gewährleisten - so wie es auch den Menschenrechtsstandards der OSZE und der Vereinten Nationen entspricht.

Wir fordern demgemäß die unverzügliche Freilassung von Ruslan Kotsaba, der wegen seiner Kriegsdienstverweigerung menschenrechtswidrig inhaftiert ist.

Mit diesem Appell richten wir uns an die Verantwortlichen in der Ukraine ebenso wie an ihre internationalen Gesprächsund Verhandlungspartner. Die Achtung der Menschenrechte in der Ukraine, nicht zuletzt für Kriegsdienstverweigerer, muss ein zentraler Gesichtspunkt bei der Lösung der anstehenden Probleme sein.

Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO): Appell für die Freilassung von Ruslan Kotsaba. 26.5.2016

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