Şebnem Korur Fincancı und Erol Önderoğlu

Şebnem Korur Fincancı und Erol Önderoğlu

Türkei: Prozess gegen Menschenrechtsaktivistin und Journalisten vertagt

Große internationale Präsenz beim Prozessauftakt

von Connection e.V. und IPPNW

(09.11.2016) Gestern Nachmittag begann der Prozess gegen die Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung (TIHV), Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, den Journalisten Erol Önderoğlu und den Schriftsteller Ahmet Nesin. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen wegen ihrer Teilnahme an einer Solidaritätsaktion mit der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem "Propaganda für eine terroristische Organisation" vor. Mehr als ein Dutzend internationale BeobachterInnen aus über sechs Ländern Europas und den USA waren zur Prozessbeobachtung nach Istanbul gekommen.

Bereits vor dem Prozess versammelten sich die internationalen und türkischen Prozessbeobachter auf Einladung der Ärtzekammer von Istanbul in deren Räumen. Auf dem Internationalem Forum für Gerechtigkeit und Freiheit sprachen sie ihre Solidarität gegenüber den Angeklagten aus. “Wir brauchen Euch und Eure Arbeit,” erklärte Rudi Friedrich für die War Resisters’ International und Connection e.V., ”besonders in solch einer Situation. Die Türkei ist an einem kritischen Wendepunkt. Wir brauchen Euch, um die Menschen zu stärken, die sich für Demokratie und den Friedensprozess mit der kurdischen Bevölkerung einsetzen.” Gisela Penteker sprach für die IPPNW und betonte: “Unsere Zusammenarbeit mit der türkischen Menschenrechtsstiftung hat unsere Arbeit in Deutschland sehr befruchtet. Şebnem und andere Mitglieder der Menschenrechtsstiftung waren maßgeblich an der Erarbeitung des Istanbul-Protokolls beteiligt, einem offiziellen UN-Dokument zum gerichtsfähigen Nachweis von Folter. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Arbeit für Frieden und Versöhnung zum Schweigen gebracht wird.”

Kurz vor dem Prozess fand vor dem imposanten modernen Gerichtsgebäude unter den Augen der Sicherheitskräfte eine Mahnwache für die Meinungsfreiheit und gegen die derzeit zahllos stattfindenden Menschenrechtsverletzungen statt. 142 JournalistInnen sind derzeit inhaftiert. Damit steht die Türkei nach einer von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Liste zur Situation der Pressefreiheit an 151. Stelle. Die Verfolgung richtet sich aber auch gegen MenschenrechtsaktivistInnen, ÄrztInnen, LehrerInnen und andere. Gefordert wurde die unverzügliche Einstellung der Verfahren gegen die drei Angeklagten.

Durch den großen Andrang zum Prozess war der Gerichtssaal schließlich überfüllt. Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı und Erol Önderoğlu hielten sehr engagierte Verteidigungreden. Ahmet Nesin hatte schon zuvor entschieden, dem Prozess nicht beizuwohnen. Im Anschluss stellten ihre RechtsanwältInnen die Bedeutung der Meinungsfreiheit heraus und verwiesen explizit auf den notwendigen Friedensprozess mit der kurdischen Bevölkerung in der Türkei.

Das Gericht vertagte am Ende das Verfahren auf den 11. Januar 2017.

“Egal was passiert und wie es ausgeht,”erklärte abschließend Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, “es berührt mich, dass so viele gekommen sind. Es macht mich froh und zuversichtlich. So lange wir kämpfen, werden wir auch gewinnen.”

Connection e.V. und IPPNW: Pressemitteilung vom 9. November 2016

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