"Wir können unserem Gewissen nicht entkommen"
US-Verweigerer Aguayo nach dem Erhalt des Stuttgarter Friedenspreises
Ich möchte mich bei den Anstiftern für diesen wundervollen Moment bedanken. Ich fühle mich nicht ganz wohl damit, weil ich der Meinung bin, dass niemand so viel Aufmerksamkeit verdient hat. Von ganzem Herzen: Vielen Dank.
Ich möchte mich bei verschiedenen Menschen bedanken. Sie haben nicht zugelassen, dass meine Geschichte verschwindet. Sie haben mich in den schwierigsten Momenten meines Lebens unterstützt. Als ich zum Militär ging, habe ich eine Familie gesucht. Ich habe diese Familie, eine Familie der Unterstützung, in Deutschland gefunden. Ich danke Rudi Friedrich von Connection e.V., Michael Sharp, David Stutzman und Tim Huber vom Military Counseling Network, den Aktiven vom Munique American Peace Committee, der American Voices Abroad, der Tübingen Progressive Americans, Meredith Wheeler, Elsa Rassbach, Jim Miller, Billy Manigault. Danke.
In den letzten fünf Jahren habe ich die schwierigsten und schönsten Momente meines Lebens erlebt. Ich habe sehr viel über mich und über die Welt erfahren. Das wichtigste für mich ist: Wir können unserem Gewissen nicht entkommen.
Ich habe auch gelernt: Wir werden als Kriegsdienstverweigerer geboren. Es ist uns von der Natur gegeben, gegen den Krieg zu sein. Wenn wir als Kriegsdienstverweigerer geboren werden, dann können wir auch den Weg zurück zu unserer Natur finden.
Ein Freund von mir fragte mich: "Warum hast Du dieses Bewusstsein bekommen und nicht die anderen?" Ich bin nichts Besonderes. Wir alle haben die Möglichkeit, mit unserer inneren Stimme zu kommunizieren. Der Ausdruck conscientious objection (Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen) beschreibt im Englischen eine Person, die aus moralischen oder religiösen Gründen gegen den Krieg ist. Ein Freund wies mich kürzlich darauf hin, dass dieser Ausdruck in einer falschen Weise benutzt wird. Er sollte nicht nur für den Krieg gebraucht werden, sondern für alles, wo wir mit unserem Gewissen in Konflikt kommen. Deshalb sollten alle Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen aufstehen gegen Unrecht und gegen Dinge, die gefährlich sind und andere Menschen verletzen.
Wir müssen unserem Gewissen folgen. Das ist eines der wichtigsten Dinge, die ich gelernt habe.
Allen Soldaten wird gesagt, dass sie das Richtige tun. Aber was ist die richtige Sache? Richtig ist es, sich für Frieden einzusetzen.
Ich danke Euch, dass Ihr der Welt sagt: Es ist richtig gegen Krieg zu sein. Die Welt kann sehr grausam sein, das haben die Menschen im Irak in den letzten Jahren erfahren müssen. Es liegt an uns, Dinge zu ändern. Als ich hier war, habe ich erlebt, wie unterschiedliche Gruppen zusammenarbeiten können, um einer Person zu helfen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns. SoldatInnen, die den Krieg ablehnen, müssen wissen, dass es eine Gemeinschaft gibt, die sie unterstützt. Das ist unsere Herausforderung.
Ich möchte Sie bitten, über etwas nachzudenken. Als ich im Gefängnis war, habe ich Hunderte von Briefen bekommen. Es waren die glücklichsten Momente meines Lebens im Gefängnis: die hoffnungsvolle Erwartung auf diese Briefe. Ein Deutscher hat mir etwas geschrieben und ich möchte Sie bitten, wenn sie heute Abend wieder zu Hause sind, daran zu denken: "Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin."
Redebeitrag von Agustín Aguayo anlässlich der Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises, 21. Dezember 2007. Übersetzung: Ebbe Kögel. Abschrift und Bearbeitung: Rudi Friedrich. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, März 2008.
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