Griechenland: Restriktiver Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung
(26.03.2019) Die griechische Regierung kündigte einen Gesetzentwurf an, mit dem geringfügige Änderungen zur Frage der Kriegsdienstverweigerung verbunden sind. „Eine erhoffte grundsätzliche Verbesserung ist damit leider nicht verbunden“, so Kriegsdienstverweigerer aus Griechenland in einem eMail an Connection e.V. „Auch weiterhin wird die Einhaltung internationaler Standards nicht gewährleistet, die einfordern, dass die Gesetzgebung und Praxis gegenüber Kriegsdienstverweigerern keinen Strafcharakter aufweist und diese nicht diskriminiert.“
Die Kriegsdienstverweigerer bitten zugleich um Unterstützung, um Druck auf die griechische Regierung auszuüben, damit es wirklich substantielle Verbesserungen zur Einhaltung der internationalen Standards zur Kriegsdienstverweigerung in Griechenland gibt.
Der Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung
In ihrem eMail berichten die Kriegsdienstverweigerer aus Griechenland, dass das griechische Verteidigungsministerium am 8. März 2019 einen Gesetzentwurf veröffentlichte, der Änderungen zur Kriegsdienstverweigerung vorsieht. Kurz zuvor waren öffentliche Beratungen dazu durchgeführt worden. Nun wird der Gesetzentwurf dem Parlament vorgelegt werden. Nach Beratung in den Ausschüssen wird er schließlich dem Parlament zur Abstimmung übergeben werden.
Wenige Verbesserungen
Der Gesetzentwurf enthält nur wenige Verbesserungen:
- dass das Verteidigungsministerium in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit haben soll, die Bestimmungen zur Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfalle aufzuheben;
- dass ein Widerspruch gegen eine ablehnende Entscheidung eines Kriegsdienstverweigerungsantrages aufschiebende Wirkung entfaltet; eine Einberufung soll damit bis zur endgültigen Entscheidung ausgeschlossen sein;
- dass einige für Militärdienstleistende geltende Regelungen nun auf Ersatzdienstleistende ausgeweitet werden, so die Deckung bestimmter Reisekosten sowie das Recht auf Rückkehr zur gleichen Arbeitsstelle, wie vor dem Dienstantritt.
Verstoß gegen internationale Standards
An verschiedenen Punkten erfüllt der Gesetzentwurf nicht die in internationalen Standards festgehaltenen Kriterien, wie die Kriegsdienstverweigerer aus Griechenland berichten:
Strafcharakter bei der Länge des Ersatzdienstes
Derzeit ist in Griechenland die Dauer des Ersatzdienstes im Prinzip auf die doppelte Länge des Militärdienstes festgelegt. Sie kann durch einen Erlass des Verteidigungsministeriums verkürzt werden. In der Praxis beträgt die Dauer des Ersatzdienstes 15 Monate im Vergleich zu 9 Monaten Militärdienst für die meisten Wehrpflichtigen. Er hat somit eine um 66,7% längere Dauer.
Der Gesetzentwurf behält die Regelung der im Prinzip doppelten Länge des Ersatzdienstes bei. Er beinhaltet die Möglichkeit, die Länge des Ersatzdienstes zu reduzieren, was jedoch im Ermessen des Verteidigungsministeriums liegt. Eine generelle Verkürzung, wie sie vom UN-Menschenrechtsausschuss und vom Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit gefordert wird, ist damit nicht verbunden. Damit stellt die aktuelle Praxis, aber auch die Regelung durch den Gesetzentwurf, entsprechend der internationalen Standards eine Diskriminierung und einen Strafcharakter dar.
Ergänzend dazu hält der Gesetzentwurf fest, dass der Ersatzdienst mindestens so lange dauern soll, wie die maximale Länge des Militärdienstes. Diese beträgt in der Marine und der Luftwaffe derzeit 12 Monate, auch wenn die meisten Wehrpflichtigen neun Monate Dienst ableisten.
Antragsverfahren zur Kriegsdienstverweigerung
Der Gesetzentwurf schlägt auch keine wesentlichen Verbesserungen des Antragsverfahrens vor. Damit wird die Empfehlung des UN-Menschenrechtsausschusses, die Prüfung von Anträgen unter die vollständige Kontrolle ziviler Behörden zu stellen, nicht umgesetzt.
Die Durchführung der Verfahren soll weiterhin dem Verteidigungsministerium obliegen. Der Minister trifft die endgültige Entscheidung. Die einzige Änderung im Gesetzentwurf sieht vor, dass dem fünfköpfigen Ausschuss, der die Anträge prüft und dem Minister Empfehlungen vorlegt, nun nur noch ein Offizier angehört. Bislang sind es zwei Offiziere.
Wiederholte Bestrafung von Kriegsdienstverweigerern
Der Gesetzentwurf sieht keinerlei Regelung vor, um Doppelbestrafungen der gleichen Straftat zu vermeiden. Die derzeitige Gesetzgebung erlaubt in diesen Fällen eine wiederholte Bestrafung. Das betrifft vor allem Totalverweigerer, die sich jeder Dienstleistung verweigern. Es betrifft auch diejenigen Dienstleistenden, die nicht mit den restriktiven Bedingungen des Ersatzdienstes zu recht kommen und den Dienst nicht abschließen und diejenigen, deren Anerkennung aufgrund von Disziplinarstrafen widerrufen wird. Desweiteres sind davon Kriegsdienstverweigerer betroffen, die aufgrund des problematischen Prüfungsverfahrens nicht anerkannt werden.
Weiterhin ungelöste Fragen
Folgende Probleme bleiben weiterhin ungelöst:
- Fehlendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach einer Einberufung;
- Fehlendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung für Berufssoldaten (und Reservisten);
- Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da Verfahren von Kriegsdienstverweigerern vor Militärgerichten verhandelt werden und Verfahren in Abwesenheit ohne vorherige Unterrichtung durchgeführt werden;
- Diskriminierung von Kriegsdienstverweigerern vergangener Jahre, denen die Zahlung eines im Vergleich zu ähnlichen Fällen von Wehrpflichtigen höheren Geldbetrages bei Nichtantritt des Dienstes abverlangt wird;
- Widerruf des Status‘ als Kriegsdienstverweigerer bei Disziplinarmaßnahmen im Ersatzdienst;
- Keine Einstellung noch anhängiger Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Kriegsdienstverweigerer.
Connection e.V.: Griechenland – Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung. 26. März 2019. Zusammenstellung aufgrund des eMails der Kriegsdienstverweigerer aus Griechenland vom 8. März 2019. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2019.