Türkischer Kriegsdienstverweigerer überraschend aus der Haft entlassen
Erfolg der internationalen Kampagne für Mehmet Tarhan
(10.03.2006) Pressemitteilung vom 10. März 2006
Das Militär-Berufungsgericht in Ankara hat gestern die Haftentlassung des türkischen Kriegsdienstverweigerers Mehmet Tarhan verfügt. Das Gericht entschied, dass er bei einem endgültigen Urteil mit großer Wahrscheinlichkeit keine höhere Haftstrafe zu erwarten habe, als er bisher verbüßt hat. Diese Entscheidung ist insofern bemerkenswert, da das Berufungsgericht an sich keine Kompetenz hat, selber Haftentlassungen zu verfügen.
Mehmet Tarhan wurde vom Berufungsgericht gleichwohl erneut zur Ableistung des Militärdienstes aufgefordert. Er entschied sich jedoch, dieser Aufforderung nicht nachzukommen. Er ist in guter Verfassung und besucht derzeit seine Familie.
Am 8. April 2005 war Mehmet Tarhan festgenommen worden. Er befand sich seitdem im Militärgefängnis in Sivas, wo er mehrmals misshandelt wurde. Am 10. August 2005 wurde er vom Militärgericht in Sivas zu vier Jahren Haft verurteilt. Das war bislang die längste Haftstrafe, die gegen einen Kriegsdienstverweigerer in der Türkei ausgesprochen wurde. Mehmet Tarhan hatte gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.
Die Türkei erkennt das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an. In einem kürzlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurde allerdings die türkische Praxis, Kriegsdienstverweigerer wiederholt einzuberufen, bis zu acht Mal wegen Befehlsverweigerung oder Desertion zu verurteilen und nicht aus dem Militärdienst zu entlassen, als "unverhältnismäßig" angesehen.
Connection e.V. sieht in der Entlassung von Mehmet Tarhan einen großen Erfolg der internationalen Kampagne. Viele Menschen, Gruppen und Organisationen hatten sich weltweit mit Aktionen, Postkarten, Protestschreiben und anderem mehr für die Freilassung von Mehmet Tarhan eingesetzt. Rudi Friedrich von Connection e.V. erklärte heute: "Wir sind froh, dass Mehmet Tarhan endlich aus der Haft entlassen wurde und damit unsere dringendste Forderung erfüllt worden ist. Dennoch kann dies nur ein erster Schritt sein: Die Türkei muss das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anerkennen. Die Verfolgung aller Kriegsdienstverweigerer, wie auch eine mögliche weitere Verfolgung von Mehmet Tarhan, muss für alle Zukunft ausgeschlossen sein."
gez. Karin Fleischmann
Connection e.V., Pressemitteilung vom 10. März 2006. Der Beitrag erschien in: Connection e.V. und AG "KDV im Krieg" (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Juli 2006.
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