Israel: Heute ist der Tag, an dem ich zum Militär eingezogen werde

Ich werde die Einberufung verweigern

von Shahar Schwartz

(15.08.2022) Mein Name ist Shahar Schwartz. Ich bin 18 Jahre alt. Heute ist der Tag, an dem ich zum israelischen Militär eingezogen werde. Ich werde die Einberufung verweigern und ins Gefängnis kommen.

Als ich 10 Jahre alt war, während des Gaza-Krieges 2014, war ich allein zu Hause, als ich den Raketenalarm hörte. Es war nicht das erste Mal in meinem Leben, aber es war das erste Mal, dass ich allein war. Ich wohne in einem alten Haus, das keinen Schutzraum hat, also saß ich im Flur und wartete, dass der Alarm aufhört. Es war der schrecklichste Moment meines Lebens. Zum Glück lebe ich im Zentrum Israels und war nicht wirklich in Gefahr, aber als Kind hatte ich große Angst.

Das ist die Realität, die den Kindern durch den Krieg, in dem wir leben, aufgezwungen wird. Die Kinder in Gaza haben keine Bunker oder Raketenabwehrsysteme wie „Iron Dome“, die sie schützen könnten. Für sie ist es nicht nur ein Moment des Terrors, bevor sie zum normalen Leben zurückkehren können - es ist ihr Alltag. Die Kinder im Westjordanland leben in einem ständigen Krieg, im Gegensatz zu mir, der ihn alle paar Jahre während einer Militäroperation erlebt. Auch israelische Kinder, die in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen leben, leiden stark unter dieser Realität, die vollständig von der Armee geschaffen und gesteuert wird. Israelische Jugendliche gehen zur Armee, wenn sie erwachsen sind, nachdem sich ihre Angst und ihr Trauma in Hass auf die andere Seite verwandelt haben.

Im Sommer 2019, als ich 15 Jahre alt war, nahm ich an einem israelisch-palästinensischen Sommercamp in den USA teil. Dort hörte ich, wie Palästinenser*innen meines Alters erzählten, wie das israelische Militär, das aus jungen Israelis wie mir besteht, die palästinensische Zivilbevölkerung täglich unterdrückt - durch Kontrollpunkte, Straßenpatrouillen, Hauszerstörungen und Verhaftungen von Kindern. Viele Palästinenser*innen kennen Israelis nur durch die Handlungen im Rahmen der Besatzung. Ebenso kennen viele Israelis die Palästinenser*innen nur durch Medienberichte über Bombenanschläge oder durch die Durchsetzung der Besatzung als Soldat*innen. Die israelische Militärpolitik verhindert aktiv jede mögliche Veränderung.

Ich weigere mich, in das israelische Militär einzutreten, weil es die Ungleichheit aufrechterhält und jede Hoffnung auf eine positive Veränderung unterdrückt. Auch wenn der Staat Israel die palästinensischen Gebiete nicht offiziell annektiert hat, kontrolliert er sie effektiv und verweigert den Palästinenser*innen ihr Recht auf Unabhängigkeit, während er ihre grundlegenden Menschenrechte mit Füßen tritt. Junge Israelis, die in der Armee dienen, sind diejenigen, die das palästinensische Volk aktiv unterdrücken und die Gewalt der Siedler gegen sie ermöglichen. Ich weigere mich, das mitzumachen.

Weil ich mich weigere, in die Armee einzutreten, wird das Militär meine Menschenrechte einschränken und mich inhaftieren. Ich bin bereit, diesen vorübergehenden Preis der Freiheit zu zahlen, weil ich mich weigere, mit dem dafür verantwortlichen System zusammenzuarbeiten. Es ist ein Preis, den Palästinenser*innen ihr ganzes Leben lang zahlen. Ich bin auch bereit, den sozialen Preis zu zahlen, von der israelischen Gesellschaft als Verräter abgestempelt zu werden, einer Gesellschaft, in der ich mein ganzes Leben verbracht habe. Ich glaube, dass ich in der gegenwärtigen politischen Situation das Richtige und Moralische tue. Ich hoffe, dass mein Handeln andere, die sich in einer ähnlichen Situation wie ich befinden, beeinflussen wird. Ich hoffe, dass es die Menschen dazu bringt, die Verbrechen, die das Militär begeht, und das Leid, das es verursacht, zu sehen, und dass es sie dazu bringt, darüber nachzudenken, welche Rolle sie in diesem Konflikt übernehmen wollen. Ich hoffe, dass der Tag kommt, an dem palästinensische und israelische Kinder nicht mehr in Angst leben müssen, sondern in Frieden leben können.

In Solidarität, Shahar

Refusers Solidarity Network: eMail vom 15. August 2022. Übersetzung: rf

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