Connection e.V.

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Ministerkomitee des Europarates drängt Türkei zur Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung

von Connection e.V.

(05.06.2020) In unmissverständlichen Worten hat gestern das Ministerkomitee des Europarates in einer Entscheidung (…mehr) gegenüber dem Mitgliedsstaat des Europarates Türkei dargelegt, dass Kriegsdienstverweigerer nicht weiter der Strafverfolgung unterliegen dürfen. Die Entscheidung befasste sich mit Fällen von neun Kriegsdienstverweigerern, die in den letzten Jahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage erhoben hatten. Die Entscheidung fiel auch auf Grundlage einer von Connection e.V., Vicdani Ret Derneği, Freedom of Belief Initiative in Turkey, Norwegian Helsinki Committee, War Resisters‘ International und dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung eingereichten Stellungnahme. (…mehr)

Die Türkei wird in der Entscheidung zum einen aufgefordert, dass die „Antragsteller nicht länger wegen ihrer Weigerung Militärdienst abzuleisten strafrechtlich verfolgt oder verurteilt werden“. Zum anderen forderte das Ministerkomitee die Türkei auch dazu auf, bereits erhobene Geldstrafen zu erstatten, Haftbefehle aufzuheben und Strafregister zu löschen, um eine Situation zu beenden, in der die Antragsteller „dazu gezwungen sind, ein geheimes Leben zu führen, was zu einem ‚Zivilen Tod‘ führt.“

Rudi Friedrich von Connection e.V. heute dazu: „Solch klare Worte sind schon längst überfällig. Der Europäische Gerichtshof hatte bereits 2006, also vor 14 Jahren, festgestellt, dass die wiederholten Bestrafungen gegen Kriegsdienstverweigerer die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen. Mit weiteren Urteilen seit 2011 wurde die Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht anerkannt. Dennoch hat die Türkei daraus keinerlei Konsequenzen gezogen und setzt die Verfolgung der Kriegsdienstverweigerer fort. Die Verfolgung muss unverzüglich beendet werden.“

In der Türkei gibt es eine Wehrpflicht. Jeder Wehrpflichtige hat derzeit sechs Monate Militärdienst abzuleisten. Wer den Kriegsdienst verweigert, muss damit rechnen, mehrfach einberufen und wegen seiner Verweigerung strafrechtlich verfolgt zu werden. Diese Verfolgung kann ein Leben lang andauern.

In Videobeiträgen, die zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, dem 15. Mai, erstellt wurden, schilderten Verweigerer aus der Türkei ihre Situation. Hüseyin Civan berichtete: „Weil der türkische Staat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ignoriert, habe ich große Probleme. Ich kann nicht sozialversichert arbeiten, keine längeren Reisen unternehmen oder im Hotel übernachten. Bei Passkontrollen auf der Straße wurden mehrmals meine Personalien aufgenommen, weil ich der Wehrpflicht nicht nachgekommen bin. Jede Meldung führt zu einer neuen Geldstrafe und einem neuen Strafverfahren gegen mich.“ (…mehr)

Einige Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei hatten in den letzten Jahren auch Schutz in Ländern der Europäischen Union gesucht und Asyl beantragt. Allzu häufig werden diese Asylanträge jedoch abgelehnt, da „die Wehrpflicht als solche und die Wehrpflichtpraxis der Türkei grundsätzlich keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung“ darstelle, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer Entscheidung im Juli 2019. „Die Entscheidung des Ministerkomitees macht deutlich,“ so Rudi Friedrich heute, „dass hier deutsche Behörden einer Unrechtspraxis der Türkei Vorschub leisten. Kriegsdienstverweigerer brauchen Schutz und Unterstützung.“

Connection e.V., Pressemitteilung vom 5. Juni 2020. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2020.