EBCO veröffentlicht Jahresbericht zur Kriegsdienstverweigerung
Europa ist für viele Kriegsdienstverweigerer kein sicherer Ort
(15.02.2021) „Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung veröffentlicht heute seinen Jahresbericht zur Kriegsdienstverweigerung in Europa 2020 – in Gedenken an Jean Van Lierde (1926-2006), der am 15. Februar geboren wurde. Er war der bekannteste belgische Kriegsdienstverweigerer und der erste Präsident von EBCO“. Das erklärte heute der Vizepräsident von EBCO Sam Bieseman. Und er ergänzte ein berühmtes Zitat von Jean Van Lierde: „Es braucht ein Höchstmaß an politischer Kultur, ein Aktivist für Gewaltfreiheit und Antimilitarismus zu sein.“
Der Jahresbericht von EBCO umfasst die Situation in den Mitgliedsländern des Europarates. Er kommt zu dem Schluss, dass Europa im Jahr 2020 für viele Kriegsdienstverweigerer aus einigen Ländern kein sicherer Ort war. „Kriegsdienstverweigerer wurden strafrechtlich verfolgt, verhaftet, vor Militärgerichte gestellt, inhaftiert, mit Geldstrafen belegt, eingeschüchtert, angegriffen, mit dem Tode bedroht oder diskriminiert. Zu diesen Ländern gehören die Türkei, das einzige Land des Europarates, das die Kriegsdienstverweigerung nach wie vor nicht anerkannt hat, der von der Türkei besetzte nördliche Teil von Zypern (die selbsternannte „Türkische Republik Nordzypern“), Aserbaidschan, wo es kein Ausführungsgesetz zum Alternativdienst gibt, Armenien, Russland, Ukraine und Griechenland“, so heute Alexia Tsouni, Präsidentin von EBCO.
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung stand 2020 nicht oben auf der Liste der europäischen Agenda, obwohl in 18 Mitgliedsstaaten des Europarates noch immer die Wehrpflicht in Kraft ist. Dies sind: Armenien, Österreich, Aserbaidschan, Weißrussland (Kandidat), Zypern, Dänemark, Estland, Finnland, Georgien (2017 wieder eingeführt), Griechenland, Litauen (2015 wieder eingeführt), Moldawien, Norwegen, Russland, Schweden (2018 wieder eingeführt), Schweiz, Türkei und Ukraine (2014 wieder eingeführt).
Zugleich wird Flüchtlingen nicht der notwendige internationale Schutz gewährt. So wurde ein Antrag eines Flüchtlings aus Aserbaidschan, der in Belgien als Kriegsdienstverweigerer Asyl beantragte, abgelehnt, auch in der Berufungsinstanz.
Was das Mindestalter für die Wehrpflicht anbelangt, so missachtet eine verstörende Zahl von europäischen Ländern das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Rechte des Kindes und die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, das die Staaten dazu ermutigt, keine Personen unter 18 Jahren zu rekrutieren. Schlimmer noch, einige verstoßen gegen das absolute Verbot des Fakultativprotokolls, indem sie Minderjährige dem Risiko eines aktiven Einsatzes aussetzen oder Wehrpflichtigen erlauben, vor dem 18. Geburtstag zum Militär zu gehen.
Wir wollen auch auf eine Gruppe junger Menschen aus Aserbaidschan und Armenien im Südkaukasus hinweisen. Sie hatten im Mai 2020 ein Projekt unter dem Namen „Caucasus Talks“ gestartet. Im Oktober 2020 veröffentlichten sie gemeinsam eine Friedenserklärung, mit der sie in dem eskalierenden Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Nagornij-Karabach zu Frieden aufriefen. Hunderte aus Armenien, Aserbaidschan und der ganzen Welt unterzeichneten diesen Aufruf, der in der Tat eine Quelle der Hoffnung und Inspiration ist:
„Während Sie diese Botschaft lesen, sterben Menschen in und um Berg-Karabach. Jungen und Männer bringen sich gegenseitig um, ohne dass eine Lösung in Sicht ist.
Das Hauptopfer dieses Krieges ist nicht die objektive Wahrheit. Vielmehr zerstört er das Leben von echten Menschen, von echten Kindern. Er wird zu einem verlorenen Kampf für die gesamte Region des Südkaukasus.
Auch wenn er Sie jetzt nicht betrifft, können Sie schon morgen vom Krieg oder seinen Folgen betroffen sein. Kriegshandlungen werden nie zu einer Lösung des Konflikts beitragen.
Er wird uns nur in einem finsteren Teufelskreis aus andauernden Kriegen und ungelösten Missständen zurücklassen.
Die Verteidigung des Friedens ist keine neutrale Position. Wir lehnen die militaristischen Positionen ab, die durch Kriegsnarrative bedingt sind und suchen stattdessen nach Wegen, Frieden zu schaffen.
Dieser Krieg erinnert an die Tragödien und die Wunden der Vergangenheit. Er bewirkt nichts, um sie zu heilen, sondern schafft nur neue.
Dieser Krieg hat keine Gewinner. Er bringt Elend, Tod, Armut und den Verlust der Unabhängigkeit in die gesamte Kaukasusregion.
Wir fordern die äußeren Mächte auf, keine weiteren Zusammenstöße zu schüren und sich nicht an der Kriegführung zu beteiligen.
Wir treten für einen sofortigen Waffenstillstand und umfassende Verhandlungen ein, die alle armenischen und aserbaidschanischen Konfliktparteien einbeziehen.“
Der Jahresbericht „Conscientious Objection to Military Service in Europe 2020“ vom Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) kann heruntergeladen werden unter https://ebco-beoc.org/sites/ebco-beoc.org/files/attachments/2021-02-15-EBCO_Annual_Report_2020.pdf
European Bureau for Conscientious Objection. Press statement, February 15, 2021. https://ebco-beoc.org/node/491. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde in Auszügen veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2021
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