Halil Karapaşaoğlu
Poesie, Krieg und Widerstand auf Zypern
(08.01.2019) Auf der ganzen Welt werden unabhängige Künstler*innen und Journalist*innen schikaniert, beleidigt, inhaftiert oder sogar ermordet, weil sie ihre Arbeit machen: Den Mächtigen die Wahrheit zu sagen. Während einige dieser Männer und Frauen gelegentlich in den weltweiten Medien gefeiert werden, fallen doch angesichts des täglichen Ansturms von Nachrichten viele von ihnen aus der kollektiven Wahrnehmung heraus.
Einer dieser Fälle ist der von Halil Karapaşaoğlu, einem Poeten und Aktivisten auf Zypern. Er wurde diesen Monat verhaftet, weil er sich weigert, im türkisch-zypriotischen Militär Dienst zu leisten und sich zudem weigert, eine Geldstrafe von 2.000 Lira (etwa 335 €) zu zahlen. Er will stattdessen ins Gefängnis gehen und erklärt: “Wenn morgen Krieg ist, werden wir als Antimilitaristen nicht kämpfen… Unsere Großväter und Väter haben in der Vergangenheit gekämpft, wir werden nicht den gleichen Fehler begehen. Unsere Pflicht für unser Land ist Frieden… Im 21. Jahrhundert sehen wir unsere Freund*innen im Süden nicht als Feinde an, wir sehen niemanden auf der ganzen Welt als Feind an.“
Ich wurde aufmerksam auf seine Geschichte durch den zypriotischen Musiker und Freund von RootsWorld, Antonis Antoniou. Er ist Mitglied des Ensemble Monsieur Doumani. Sein persönlicher Kommentar zu Halil Karapaşaoğlu:
“Unser guter Freund und Poet Halil Karapaşaoğlu wurde für schuldig erklärt und von einem türkischen Militärgericht zu 20 Tagen Gefängnis verurteilt. Warum? Weil er Poesie mehr liebt als Waffen, weil er sich nach Frieden sehnt statt nach Konflikten, weil er sich weigert eine Waffe gegen seine zypriotischen Freunde zu erheben. Dahin hat uns heute die Humanität geführt: Alles ist verdreht und pervertiert. Politiker*innen und Militante haben ihre eigene Tagesordnung.
Halil ist ein türkischsprachiger zypriotischer Poet. Er hat eigene Veranstaltungsräume in Nikosia. Sie gehören zu den besten und gefragtesten auf der Insel. Er ist eine großartige Person, sehr friedfertig, freundlich und hilfsbereit zu jedem. Es ist hart, diese Art von Menschen in diesen Tagen zu treffen. Mehrmals sind wir in den Räumen als Band oder als DJs bei Partys für die beiden Gemeinschaften in Zypern aufgetreten. Halil glaubt an Frieden. Er ist wirklich ein Pazifist, ein ernsthafter Mensch, der nur das Gute für die Menschheit und die Umwelt will.
Auf unserer Insel ist das Militär stark etabliert und auf beiden Seiten leider sehr mächtig. Halil weigert sich, in der Armee zu dienen, er weigert sich eine Waffe in die Hand zu nehmen. Deswegen wurde er von einem Militärgericht in Nord-Nikosia, das von den türkischen Behörden kontrolliert wird, zu einer Haftstrafe verurteilt. Es war ein sehr trauriger Moment. Aber zur gleichen Zeit war es ein sehr wichtiger Schritt, weil seine Aktion zu einem Symbol wurde und weitere Menschen seinem Weg folgen (auch der Präsident und Generalsekretär der Mediengewerkschaft).
Das zeichnet einen wahren Patrioten aus: Für Frieden zu kämpfen und für das Wohlergehen der auf unserer Insel lebenden Menschen aufzustehen. Wir sollten kraftvoll zusammenstehen. Liebe und Kunst sind unsere Waffen.“
Antonis Antoniou ergänzte das durch die Worte eines Songs aus Angathin (Der Stachel) von des Ensemble Monsieur Doumani:
Ich greife zu meinem Gewehr, das mir gegen meinen Willen gegeben wurde Oh, meine Liebe, meine Seele, meine süße Blume Wenn ich sie die Klippen hinunterwerfe, wird sie bestimmt zerschellen Oh, lass es zu, meine Seele blüht auf Eine Schlange biss mich und starb noch in der gleichen Stunde Weil mein Blut voller Feuer war, mit Erleuchtung, mit Sturm Alle Sterne im Himmel, alles Grüne in den Wäldern wird mir mit Macht helfen In der guten Welt, die schon fast erstickt ist Es soll ein Trinken sein, es soll ein Küssen sein Es soll ein wunderschönes Festmahl sein |
I’m grabbing my shotgun, given to me despite my will Oh and oh, my dear, my soul, my sweet flower Throwing it down the cliff will certainly break it Oh, let it suffer, my soul is blossoming A snake bit me and died within the hour Because my blood was filled with fire, with lightning, with storm All the stars in the sky, all the greens in the forests Will help me with their might In this good world that has been almost drowned May there be drinking, may there be kissing May there be a beautiful feast |
Audio by Ensemble Monsieur Doumani |
RootsWorld, 8. Januar 2019. Übersetzung: rf. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Februar 2019
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