Griechenland: Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrates und ein Urteil des EGMR
Dringender Bedarf für Gesetzesreformen zur Kriegsdienstverweigerung
(14.10.2016) „In nicht einmal einem Jahr haben drei verschiedene internationale Menschenrechtsinstitutionen ernsthafte Menschenrechtsverletzungen von Kriegsdienstverweigerern in Griechenland aufgezeigt“, betonte heute der Präsident von EBCO, Friedhelm Schneider. „Das zeigt deutlich den dringenden Bedarf von Gesetzesreformen zur Kriegsdienstverweigerung in Griechenland, um die Gesetzgebung in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsgesetzen und -standards zu bringen.“ Aus diesem Grund hat EBCO beschlossen, das nächste Treffen vom 19.-21. November 2016 in Athen durchzuführen.
Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) bedauert sehr, dass sich Griechenland allen Empfehlungen verweigert, die in dem Universal Periodic Review des UN-Menschenrechtsrates zum Thema Kriegsdienstverweigerung dargelegt wurden. Uruguay und Slowenien haben die Notwendigkeit betont, dass die Länge des Zivildienstes im Verhältnis zum Militärdienst verkürzt werden muss. Der alternative Dienst muss allen Kriegsdienstverweigerern zugänglich gemacht werden, statt Anträge von denen abzulehnen, die nicht den Zeugen Jehovas angehören, mit der Folge, dass Kriegsdienstverweigerer schikaniert und strafrechtlich verfolgt werden.
Das betrifft auch die Ablehnung einer ähnlichen Empfehlung des letzten Jahres, in diesem Falle von einer weiteren UN-Menschenrechtsinstitution, dem Menschenrechtskomitee.
Kurz nachdem Griechenland die Empfehlungen ablehnte, veröffentlichte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sein Urteil im Fall von Papavasilakis gegen Griechenland (Antrag 66899/14). Das Gericht entschied einstimmig, dass eine Verletzung des Artikels 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliege. Der Fall betraf die Weigerung der Behörden, Herrn Papavasilakis als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen und die Ableistung eines alternativen zivilen Dienstes als Ersatz zum Militärdienst zu gestatten.
Das Gericht stellte insbesondere fest, dass die griechischen Behörden ihre Pflicht versäumt hätten, sicherzustellen, dass die Anhörung des Kriegsdienstverweigerers vor dem Sonderausschuss unter Bedingungen durchgeführt wurden, die eine Verfahrenseffizienz garantieren und eine gleichwertige Vertretung, wie vom Landesgesetz gefordert, sicherstellt. Herr Papvasilakis wurde von einem Ausschuss angehört, der in erster Linie von Soldaten besetzt war, während zwei zivile Mitglieder des Ausschusses während der Anhörung nicht anwesend waren und auch nicht ersetzt wurden. Das Gericht stellte auch fest, dass die letztinstanzliche Entscheidung durch den Verteidigungsminister auf Grundlage einer ministeriellen Entscheidungsvorlage, die der Empfehlung des Ausschusses folgt, keine Gewähr dafür bietet, dass eine unparteiische und unabhängige Entscheidung sichergestellt ist.
Es ist das erste Mal, dass der EGMR eine Verletzung des Artikels 9 bei einem Staat festgestellt hat, der das Recht auf Kriegsdienstverweigerung anerkennt.
- EBCO erinnert daran, dass die internationalen Standards verlangen, dass Kriegsdienstverweigerungserklärungen ohne Befragung anerkannt werden sollen.
- EBCO erinnert an die diesjährige Erklärung des Verteidigungsministers, Herrn Vitsas, dass die Regelungen zur Kriegsdienstverweigerung nicht dem Aufgabenbereich des Verteidigungsministeriums unterliegen und dass das Innen- und das Justizministerium entsprechende Gesetzesinitiativen vorlegen sollten.
- EBCO wiederholt seine Bereitschaft, die griechischen Behörden zu beraten, um die Gesetzgebung zur Kriegsdienstverweigerung in Übereinstimmung mit europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards zu bringen.
European Bureau for Conscientious Objection: Greece – Recommendations at the UN Human Rights Council and European Court judgement highlight the urgent need for legislative reform on conscientious objection. http://ebco-beoc.org/node/408. 14. Oktober 2016. Übersetzung: rf
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