Türkei: Klare Aufforderung aus dem Europarat zur Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung
(26.06.2023) 17 Jahre nach dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zugunsten eines türkischen Kriegsdienstverweigerers bezog jetzt das Ministerkomitee des Europarates klar Stellung (H46-36 Ülke group v. Turkey). Es forderte die türkische Regierung nachdrücklich auf, einen „Aktionsplan“ vorzulegen, der konkrete Vorschläge für Gesetzesänderungen enthält, um politische und praktische Maßnahmen im Hinblick auf die Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung umzusetzen. Zugleich kündigte das Ministerkomitee an, andernfalls in einem Jahr eine Resolution für eine Übergangsregelung zu verabschieden.
„Wir begrüßen die jüngsten Entscheidungen des Ministerkomitees“, erklärte Merve Arkun für die Gruppe Conscientious Objection Watch. „Die Tatsache, dass die Aktionspläne der Türkei in den letzten Jahren fast gleichgeblieben sind und dass die Regierung den bezahlten Militärdienst immer wieder als ‚Alternative‘ zur Kriegsdienstverweigerung darstellt, zeigt jedoch, dass die Regierung weit davon entfernt ist, die Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen. Es ist sehr wichtig, dass dies weiter thematisiert wird.“
Die Türkei erkennt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung immer noch nicht an. Kriegsdienstverweigerer werden nicht nur wegen Militärdienstentziehung oder Desertion verfolgt und bestraft, sondern sind auch mit vielen anderen Rechtsverletzungen und Einschränkungen konfrontiert, darunter hohe Bußgelder, wiederholte Strafverfolgung wegen der gleichen Anschuldigungen, Verletzungen ihres Rechts auf Bildung, Wahlrecht und Arbeit sowie Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit.
Vor der Entschließung des Ministerkomitees hatten Conscientious Objection Watch (Türkei), European Bureau for Conscientious Objection, Connection e.V., der Internationale Versöhnungsbund und War Resisters’ International eine Stellungnahme an das Ministerkomitee des Europarates übersandt. Darin machten sie insbesondere deutlich, dass die bestehende Regelung der Türkei, für die Ableistung des Militärdienstes eine Ersatzzahlung in Höhe von etwa 5.000 € zu leisten und nur noch einen Monat Militärdienst abzuleisten, keine Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung darstellt. „Personen, die sich für diese Möglichkeit entscheiden, müssen eine einmonatige Grundausbildung im Militär absolvieren, die das Tragen einer Uniform und Waffenausbildung beinhaltet.“
Vorgelegt wurde ebenfalls ein umfangreicher Bericht, der detailliert die Rechtsverletzungen ausführt, denen sich Kriegsdienstverweigerer ausgesetzt sehen. In dem Bericht werden auch sieben Kriegsdienstverweigerer vorgestellt, die über ihre Erfahrungen und die Auswirkungen auf ihr Leben berichten. Der Bericht kann hier heruntergeladen oder bei Connection e.V. bestellt werden.
Zu den jüngsten Entscheidungen des Ministerkomitees des Europarates zur Ülke-Gruppe, siehe: Europarat, Juni, 17, H46-36 Ülke-Gruppe gegen die Türkei.
Connection e.V.: Pressemitteilung vom 26. Juni 2023
Stichworte: ⇒ Kriegsdienstverweigerung ⇒ Strafverfolgung ⇒ Türkei