Ukraine: Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko zu Hausarrest verurteilt
(18.08.2023) Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO), War Resisters’ International (WRI), der Internationale Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V. verurteilen auf das Schärfste die Verurteilung von Yurii Sheliazhenko, einem bekannten Kriegsdienstverweigerer, Pazifist und Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Der Menschenrechtsverteidiger und Anwalt wurde am 15. August 2023 vom Solomyanskyi Bezirksgericht in Kiew unter teilweisen Hausarrest gestellt.
Yurii Sheliazhenko ist ein politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine aufrichtigen pazifistischen Ansichten geäußert hat. Er sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen, alle Anklagen gegen ihn sollten fallen gelassen werden. Die ukrainischen Behörden sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und das harte Vorgehen gegen Yurii Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung einstellen.
Wir erinnern die ukrainische Regierung daran, dass Pazifismus in demokratischen Staaten kein Verbrechen ist. Wir fordern, dass die Menschenrechte in vollem Umfang geschützt werden, einschließlich des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, das Teil des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist, was unter anderem in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert wird. Dieses Recht ist nach Artikel 4 Absatz 2 des ICCPR auch in Zeiten des öffentlichen Notstands unantastbar.
Wir verurteilen aufs Schärfste alle Schikanen und Einschüchterungsversuche gegen Yurii Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung. Wir verurteilen ebenso scharf alle Fälle von Zwangsrekrutierung und sogar Entführung von Wehrpflichtigen für die am Krieg in der Ukraine beteiligten Armeen und alle Verfolgungen von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und gewaltlosen Kriegsgegner*innen in Russland, Belarus, der Ukraine und anderswo.
Wir unterstützen die Absicht des International Peace Bureau, drei Organisationen, die sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung einsetzen, für den Friedensnobelpreis 2024 zu nominieren: die russische Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, die Ukrainische Pazifistische Bewegung und die belarusische Organisation Nash Dom.
Chronologie
11. August 2022: Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, unter dem Vorwand des anti-ukrainischen Charakters seiner Aktivitäten zur Verteidigung der Menschenrechte, insbesondere der Rechtsberatung zum Thema "Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung".
21. September 2022, Internationaler Tag des Friedens: Die Ukrainische Pazifistische Bewegung trifft sich und beschließt eine Erklärung mit dem Titel "Friedensagenda für die Ukraine und die Welt".
3. August 2023: Yurii Sheliazhenko, Geschäftsführer der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, wird angeklagt mit dem Vorwurf der "Rechtfertigung der russischen Aggression", wobei als einziger "Beweis" die Erklärung vom 21. September 2022 angeführt wird, in der die russische Aggression ausdrücklich verurteilt wird. Der ukrainische Sicherheitsdienst bricht in die Wohnung von Yurii Sheliazhenko ein und führt eine illegale Durchsuchung und Beschlagnahmung durch. Er findet nichts Kriminelles und konfisziert sein Telefon, seinen Computer sowie einige Dokumente der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung.
3. August 2023: World BEYOND War startet eine Petition an die ukrainische Regierung mit dem Titel "Fordern Sie die ukrainische Regierung auf, die Strafverfolgung des Friedensaktivisten Yurii Sheliazhenko einzustellen".
4. August 2023: Das International Peace Bureau (IPB) kündigt seine Absicht an, drei Organisationen mit Schwerpunkt auf dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung für den Friedensnobelpreis 2024 zu nominieren: die russische Bewegung der Kriegsdienstverweigerer, die Ukrainische Pazifistische Bewegung und die belarusische Organisation Nash Dom.
4. August 2023: EBCO, WRI, IFOR und Connection e.V. veröffentlichen eine gemeinsame Presseerklärung im Rahmen der #ObjectWarCampaign mit dem Titel "An die ukrainische Regierung: Lassen Sie die Anklage gegen Yurii Sheliazhenko fallen".
4. August 2023: Das International Peace Bureau veröffentlicht eine Pressemitteilung mit dem Titel "Wir protestieren gegen die rechtswidrige Durchsuchung und die Beschlagnahme der Wohnung von Yurij Sheliazhenko in Kiew".
5. August 2023: Die EBCO-Präsidentin trifft sich mit Yurii Sheliazhenko und seiner Anwältin Svitlana Novytska während ihrer Menschenrechtsbeobachtungsmission in Kiew.
7.-9. August 2023: Yurii Sheliazhenko wird zum Verhör vorgeladen.
7. August 2023: Die EBCO-Präsidentin trifft sich mit dem leitenden Ermittler der Ermittlungsabteilung des ukrainischen Sicherheitsdienstes, darf aber nach ukrainischem Recht nicht am Verhör teilnehmen.
7. August 2023: EBCO veröffentlicht ein Video-Interview mit Yurii Sheliazhenko in Kiew.
8. August 2023: Der leitende Ermittler der Ermittlungsabteilung des Sicherheitsdienstes der Ukraine stellt im Einvernehmen mit dem Staatsanwalt der Kiewer Staatsanwaltschaft beim Gericht einen Antrag auf Verhängung einer vorbeugenden Maßnahme in Form eines 24-stündigen Hausarrests für 60 Tage gegen Yurii Sheliazhenko.
15. August 2023: Der Untersuchungsrichter des Kiewer Bezirksgerichts Solomyanskyi gibt dem Antrag in öffentlicher Sitzung teilweise statt und ordnet an, Yurii Sheliazhenko unter Hausarrest zu stellen und ihm zu verbieten, seinen Wohnsitz in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr am nächsten Tag bis einschließlich 11.10.2023 zu verlassen, mit Ausnahme des Verlassens der Wohnung während eines Luftangriffs und der medizinischen Notversorgung. Außerdem erlegt er Yurii Sheliazhenko bis einschließlich 11.10.2023 folgende Pflichten auf: auf jede Aufforderung des Ermittlers, Staatsanwalts, Untersuchungsrichters oder Gerichts zu erscheinen; bei den zuständigen staatlichen Behörden seine(n) Reisepass(e) für Reisen ins Ausland und andere Dokumente zu hinterlegen, die zur Ausreise aus der Ukraine und zur Einreise in die Ukraine berechtigen (sofern solche Dokumente vorhanden sind); den Ermittler, Staatsanwalt oder das Gericht über einen Wechsel des Wohnsitzes und/oder der Arbeitsstelle zu informieren; die Kommunikation mit Personen zu unterlassen, die der Ermittler als Zeugen benennt. Die Mitarbeiter der Nationalen Polizei haben das Recht, zur Überwachung des Verhaltens des Verhafteten in dessen Wohnung zu erscheinen und mündliche oder schriftliche Erklärungen zu Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Pflichten zu verlangen. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Vollstreckung und kann innerhalb von 5 Tagen direkt beim Kiewer Berufungsgericht angefochten werden.
#ObjectWarCampaign: https://you.wemove.eu/campaigns/russland-belarus-ukraine-schutz-und-asyl-fur-deserteure-und-verweigerer.
Spendenaufruf: https://de.connection-ev.org/StopWarUkraineDonation
Kontakte für Interviews:
- Alexia Tsouni (Englisch, Griechisch), European Bureau for Conscientious Objection (EBCO), ebco(at)ebco-beoc.org, www.ebco-beoc.org
- Semih Sapmaz (Englisch, Türkisch), War Resisters’ International (WRI), semih(at)wri-irg.org, www.wri-irg.org
- Christian Renoux (Französisch, Englisch), International Fellowship of Reconciliation (IFOR), office@ifor.org, www.ifor.org
- Rudi Friedrich (Deutsch, Englisch), Connection e.V., office(at)Connection-eV.org, www.Connection-eV.org
- Yurii Sheliazhenko (Ukrainisch, Englisch, Russisch), Ukrainian Pacifist Movement, yuriy.sheliazhenko(at)gmail.com, http://pacifism.org.ua/
Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO)), War Resisters‘ International (WRI), Internationaler Versöhnungsbund (IFOR) und Connection e.V.: Pressemitteilung vom 18. August 2023
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