Belarus: Repressionen für Kriegsdienstverweigerer und Unterstützer*innen nehmen zu

von Marah Frech

(30.05.2023) Obwohl im September 2022 erklärt wurde, dass es keine Mobilisierung in Belarus geben würde, kam im Oktober die Mitteilung, dass Belarus an einer „Spezialoperation“ teilnehme und gemeinsame Aktivitäten mit dem russischen Militär beginne. Am 21. Februar 2023 führte eine Änderung des Strafgesetzbuches zur Einführung des Strafbestandes „Diskreditierung der Armee“ und der Todesstrafe für Hochverrat. Der Gesetzesentwurf richtet sich auch gegen Menschenrechtsverteidiger*innen im Exil (wie Olga Karatch ausführt) und soll eine abschreckende Wirkung erzielen. Die Strafverfolgungsbehörden haben nun das Recht, Personen, die des Hochverrats, der Verschwörung, der Spionage, der Agententätigkeit und terroristischer Handlungen verdächtigt werden, anzuklagen. Außerdem wurde das Strafgesetzbuch um den Artikel 375-2 „Verletzung der Anforderungen an den Schutz von Staatsgeheimnissen“ ergänzt. Er besagt, dass jede Hilfe für einen Soldaten strafbar ist, der versucht, aus der Armee ins Ausland zu fliehen. Die Unterstützung eines Deserteurs bei der Flucht aus Belarus ins Ausland wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet.1,2

Gesetzesänderung schränkt Aufschub des obligatorischen Militärdienstes ein

Mitte Mai wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das u.a. den Militärdienst betrifft. Durch die Änderungen wird das Recht auf Zurückstellung für Studenten eingeschränkt, die im Ausland studieren. Junge Belarussen, die es geschafft haben, sich an Universitäten in anderen Ländern einzuschreiben, sind nun gezwungen, entweder zur Ableistung des Militärdienstes nach Belarus zurückzukehren oder in einem anderen Land politisches Asyl zu beantragen, weil sie Kriegsdienstverweigerer sind.3

Katholischer Priester wird eingezogen

Mitte Mai wurde bekannt, dass der katholische Priester Dzmitry Malets aus Navagrudak weniger als einen Monat vor Ablauf seiner Militärdienstpflicht zum Truppentransport einberufen wurde. Dies ist ein Novum für Belarus, wo katholische wie orthodoxe Priester bisher keinen Militärdienst ableiten mussten.4

Militärkommissar von Gomel droht Kriegsdienstverweigerern

Im Rahmen der Frühjahrseinberufung, die am 26.04.2023 begann, werden rund 40.000 junge Menschen von den Militärbehörden einberufen. Wenige Tage zuvor drohte der Militärkommissar von Gomel, Andrey Krivonosov, belarussischen Kriegsdienstverweigerern in einer Online-Videobotschaft5: „Wer sich der Einberufung entzieht, wird strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, einschließlich einer Freiheitsstrafe. (…) Ich warne davor.  Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros finden jeden. Sie führen die Einberufung durch und ziehen jeden zum Militärdienst heran, denn die Streitkräfte machen aus Wehrpflichtigen echte Männer“.6

Die Wehrpflicht ist eine der häufigsten Repressionspraktiken des belarussischen Regimes gegen junge männliche Aktivisten und Kriegsdienstverweigerer. Die Organisation Our House berichtet in diesem Zusammenhang, dass die belarussische Armee als Ort der Gefangenschaft bezeichnet werden könne: „Die Menschen werden dort für ein bis anderthalb Jahre inhaftiert, werden aller Kommunikationsmittel beraubt, sind Propaganda, Folter und Verboten ausgesetzt und erhalten nur selten Familienbesuche. Wird bei einem Soldaten beispielsweise ein Mobiltelefon gefunden, so wird er mit 15 Tagen Einzelhaft bestraft. Diese gefängnisähnliche Atmosphäre, die Demütigungen und Misshandlungen führen immer wieder zu Selbstmorden und außergerichtlichen Hinrichtungen in der belarussischen Armee.“7

Auch den Unterstützer*innen von Kriegsdienstverweigern drohen in Belarus hohe Strafen. So wurde beispielsweise am 18. August 2022 ein Strafverfahren gegen zwei Frauen in Witebsk eingeleitet, die versuchten, ihren Sohn und Neffen vor dem Militärdienst zu schützen. Sie wurden verhaftet, ihnen drohen bis zu sieben Jahren Haft.8

Fußnoten

1 Our House: Presentation of the mobilisation: Chronology from September 2022 to March 2023. 02.04.2023. https://news.house/56492/

2 Our House: Situation with the Belarusian army: Chronology of events after announcement of mobilization in Russia. 30.01.2023. https://news.house/56428/

3 Our House: Cancellation of Military Deferment for Belarusian Students Studying Abroad. 20.05.2023. https://news.house/57965/

4 Our House: In Belarus an attempt made to conscript a Catholic priest into the army. 30.05.2023. https://news.house/58133/

5 Die Videobotschaft von Andrey Krivonosov auf telegram: https://t.me/belamova/34786/

6 Our House: Monitoring for April 2023. https://news.house/58057/

7 Olga Karatch. Situation bei der Entlassung aus dem Dienst der belarussischen Armee: Chronologie der Ereignisse nach Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine.

8 ebd.

Marah Frech: Repressionen gegen Kriegsdienstverweigerer in Belarus. 30. Mai 2023. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe Juni 2023

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