Israel: Weitere 30 Tage im Gefängnis
(24.10.2021) Ich habe gerade meinen 19. Geburtstag hinter Gittern verbracht. Zwei Gefängnistrafen mit insgesamt 28 Tagen Haft habe ich inzwischen verbüßt. Letzten Donnerstag wurde ich erneut vor Gericht gestellt und zu weiteren 30 Tagen Haft verurteilt. Wegen meiner Weigerung, mit der israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete zu kooperieren, kann ich auch in Zukunft immer wieder inhaftiert werden.
Ich schreibe heute von zu Hause aus, denn im Militärgefängnis ist uns das Schreiben nicht erlaubt. Ich bin ein Mensch, der seine Gedanken aufschreibt, und ich kritzele Zeichnungen, wenn ich versuche, mich zu konzentrieren. Ich schreibe Aufgaben und Ideen auf und benutze leere Seiten, um meine Gedankengänge deutlich zu machen. Als ich zum ersten Mal im Militärgefängnis ankam, hatte ich ein Federmäppchen dabei, aber es wurde mir weggenommen, und die Gefängniswärter, die meine Sachen durchsuchten, teilten mir mit, dass ich keine Schreibutensilien aufbewahren darf und nur zu bestimmten Zeiten am Tag mit Stiften schreiben darf, die von den Gefängnisbehörden bereitgestellt werden.
Mit der Zeit wurde mir klar, dass die Zeiten, zu denen ich schreiben darf, sehr stark von den Launen der Wachhabenden abhängen. An manchen Tagen konnte ich nur 10 Minuten lang einen Stift bekommen; an Samstagen oder Feiertagen bekommt man überhaupt keinen Stift. Privatsphäre ist ein Luxus, der mir als Gefangene nicht zusteht. Ich durfte nichts schreiben, ohne dass die anderen Inhaftierten, die Wachhabenden und die Kommandant*innen sehen, was ich schreibe. Am Ende meiner Haftstrafe kehrte ich mit völlig leeren Notizbüchern nach Hause zurück.
Im Gefängnis ist das Schreiben an sich schon eine Form des Aktivismus. Wir können es nutzen, um unsere Botschaft über unsere Entscheidung zu verbreiten, uns als eine Form des Widerstands gegen die Besatzung zu verweigern. Indem mir die Gefängnisbehörden die Möglichkeit genommen haben, im Gefängnis zu schreiben, haben sie mich daran gehindert, zu dokumentieren, was hinter Gittern vor sich geht, Artikel zu schreiben und Ideen und Pläne zu entwickeln, wie ich meine Erfahrungen weitergeben kann, sobald ich für ein paar Tage entlassen werde. Das Militär will nicht, dass ich schreibe, spreche oder meine Gedanken mitteile. Sie versuchen, mich zum Schweigen zu bringen.
Die Unterdrückung politischer Verweiger*innen ist nur ein kleiner Teil eines gewalttätigeren Verhaltensmusters - die Unterdrückung des palästinensischen Kampfes für Menschenrechte im Westjordanland und im Gazastreifen. Die Verhaftungen von Palästinenser*innen, die sich gegen die gewaltsamen israelischen Militäraktionen aussprechen und handeln, und die gewaltsame Unterdrückung friedlicher palästinensischer Proteste durch das Militär sind nur zwei sinnbildliche Beispiele für eine breit angelegte Politik, die darauf abzielt, jegliches Sprechen, Handeln, Kritisieren oder Widersprechen von Seiten der Palästinenser*innen zu unterdrücken.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass nach dem täglichen Bemühen, die Wahrheit über die Besatzung zu verbergen und diejenigen zum Schweigen zu bringen, die durch sie verletzt werden, der nächste Schritt darin besteht, diejenigen von uns zum Schweigen zu bringen, die sich dieser Politik widersetzen. Aber alles zum Schweigen zu bringen, dieser Versuch, auszulöschen, was wirklich passiert, es zu verstecken und zu leugnen, das bringt mich dazu, stolz zu sein und meine Ablehnung öffentlich zu erklären. Obwohl ich vom Gefängnis aus nicht darüber schreiben konnte, bin ich froh, dass ich meine Botschaft jetzt weitergeben kann, auch wenn es von zu Hause aus ist.
In Solidarität, Shahar Perets
Shahar Perets: Another 30 days in prison. 24. Oktober 2021. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. (Hrsg.): Rundbrief »KDV im Krieg«, Ausgabe November 2021
Stichworte: ⇒ Israel ⇒ Kriegsdienstverweigerer berichten ⇒ Kriegsdienstverweigerung ⇒ Strafverfolgung